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„Heavy Visitors“ setzen auf mehr Messe-Effizienz

Messen werden sich künftig verstärkt dem Strukturwandel in Wirtschaft und Kommunikation zu stellen haben, wenn sie ihre Position als zentrale Marketinginstrumente halten wollen. Davon sind Bernd A. Diederichs, Geschäftsführer der NürnbergMesse, und der Spielwarenmesse-Chef Gerd Bise überzeugt: „Wir können nicht ignorieren, dass auch schon vor dem 11. September die anhaltenden Konzentrationsprozesse in Industrie und Handel, die wachsende Marken-Macht und auch die neuen Formen von Marketing und Vertrieb ihre Spuren im Messegeschäft hinterlassen haben.“ Aktuelle Beispiele aus dem ersten Messe-Halbjahr zeigten dies für nahezu alle deutschen Messeplätze. Verstärkt werde diese Entwicklung, so Diederichs, auch durch den gestiegenen Wettbewerbsdruck innerhalb des Messegeschäfts. „Entscheidend wird es sein, dass sich außer der Verfügbarkeit von modernen Hallenkapazitäten vor allem die Infrastruktur und Service-Standards auf internationalem Leistungs-Niveau bewegen.“ Hierzu zählt er auch die Vielzahl weicher Faktoren, von denen der Besuch von Messen abhängig ist. Aufschlüsse darüber soll ein gemeinsames Forschungsprojekt geben. In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Marketing der Universität Erlangen-Nürnberg soll zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren das individuelle Kundenverhalten und das Anforderungsprofil von Messe-Besuchern untersucht werden. Ziel ist es, die Messen und die Service-Standards gezielter an den Erwartungen der jährlich bis zu 1,5 Mio. Messe- und Kongress-Gäste in Nürnberg auszurichten.
Inzwischen liegen mit einer Typologie von Messebesuchern und einer Studie zur Preiszufriedenheit erste Ergebnisse vor. Demnach stehen für die Mehrheit der Besucher von internationalen Leitmessen und Fachveranstaltungen - den so genannten „Heavy Visitors und Informationssuchern“ - eindeutig klassische Messefunktionen wie Neuheiten und Neu-Kontakte im Vordergrund. Zugleich wird aber auch deutlich, dass immerhin fast ein Fünftel der Befragten als ungebundene Kunden keine emotionale Bindung an den Veranstaltungsort und die jeweilige Messe haben.
„Der Besucher“, so Professor Dr. Hermann Diller von der Universität Erlangen-Nürnberg, „sagt ja zum Erlebnis Messe, erwartet aber bis auf den kleinen Kreis der Event-Orientierten kein Show-Programm“. Vordringlich gehe es ihm darum, an allen Stationen seines Messebesuchs möglichst gezielt, schnell und preisgünstig seine Arbeit zu erledigen. Dazu zähle nicht nur die Zeit- und Kosten-Effizienz bei Anreise und Aufenthalt, sondern auch beim Besuch der Messe selbst. Neuralgische Punkte bilden dabei – so zentrale Ergebnisse der Studie zur Preiszufriedenheit – die Hotelkosten am Standort und die Preise für die Messe-Gastronomie. So gibt fast jeder zweite Kunde, der inzwischen die Messe nicht mehr besucht, an, dass dafür die hohen Aufenthaltskosten und der Organisations-Aufwand entscheidend sind.
„Speziell bei den Hotel-Preisen kollidieren die erwarteten, im nationalen und internationalen Vergleich vermeintlich deutlich niedrigeren Kosten mit der Realität, erst daraus resultiert die eigentliche Enttäuschung und Unzufriedenheit“, fasst Diller die Ergebnisse zusammen. So seien Kunden in Nürnberg im Durchschnitt bereit, für eine Hotel-Übernachtung 203 DM zu zahlen. In New York, Hongkong, Paris, München und Frankfurt akzeptieren die Gäste hingegen einen Preis, der mit bis zu 300 DM deutlich darüber liegt. Nur in Köln ist die Preisbereitschaft ähnlich schwach ausgeprägt.
„Wir beobachten hier in der Folge einen Trend zum zweifachen Ein-Tages-Besuch – morgens rein, abends raus, am nächsten Tag das gleiche noch einmal“. Das jedoch könne weder im Interesse der Messe noch im Sinne von Hotellerie und Gastronomie sein. Ziel müsse es sein, Komplett-Pakete zu schaffen. Entsprechende Angebote werden z.B. zur kommenden Spielwarenmesse in Zusammenarbeit mit einer Reiseagentur angeboten. Ohne zusätzliche Hotelkapazitäten vor allem in der Fünf-Sterne-Kategorie sei das Problem jedoch nicht zu lösen, so Bise. In Nürnberg würden rund 1 000 Hotelzimmer fehlen.
Diederichs und Bise plädieren dafür, den sechsspurigen Ausbau der A 3 zwischen Aschaffenburg und Würzburg in die aktuellen Ausbaupläne des Bundes aufzunehmen. Derzeit entfallen nur 44 von insgesamt 500 geplanten Autobahn-Kilometern auf den Freistaat Bayern. Befremdlich sei es ebenso, wenn Tschechien die Autobahn-Verbindung von Prag nach Nürnberg bis zur Grenze bereits seit geraumer Zeit fertiggestellt habe, währenddessen die deutsche Seite auf sich warten lasse. Ungeteiltes Lob fand der inzwischen in Teilen eröffnete neue Nürnberger Hauptbahnhof.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2001, Seite 50

 
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