Telefon: +49 911 1335-1335

Wie kommen wir zu mehr Beschäftigung?

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland verharrt auf vier Mio. Die Hartz-Kommission hat Bewegung in die Diskussion um Arbeitsmarktreformen gebracht. Bert Rürup, Professor für Volkswirtschaftslehre an der TU Darmstadt und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, referierte Mitte Juli auf Einladung der Karl-Bröger-Gesellschaft zum Thema „Zukunft der Arbeit – Zukunft der sozialen Sicherung“. WiM fragte ihn am Rande der Veranstaltung zu den Ansatzpunkten für mehr Beschäftigung in Deutschland.


WiM: Welche Trends sehen Sie am Arbeitsmarkt?

Es gibt vier Megatrends, die das Gesicht der Arbeit bestimmen werden. Das ist einmal die Informatisierung, d. h. das Entstehen digitaler Produkte und die Diffusion von IuK-Technologien durch alle unternehmerischen und gesellschaftlichen Funktionsbereiche.
Wenn aber Arbeit im Be- und Verarbeiten von Informationen besteht, kann sie im Prinzip überall stattfinden – sie ist nicht mehr lokal gebunden. Damit werden wir eine weiter zunehmende Arbeitskostenintensität des Wettbewerbs haben. Dann der dienstleistungsorientierte Strukturwandel. Das Normalarbeitsverhältnis, die typische Organisation von Erwerbsarbeit in der Industriearbeit, wo Arbeit standardisiert und massenhaft organisiert wird, verliert dadurch an Bedeutung und es wird zunehmend atypische Beschäftigungsformen geben. Diese heißen aber nur heute noch atypisch, denn die vielen Facetten der Arbeitswelt werden genauso typisch für die globalisierte Informationsgesellschaft werden, wie das Normalarbeitsverhältnis typisch für das Industriezeitalter war. Schließlich die Alterung der Bevölkerung, die sich angebotsseitig auch auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. Alterung hat damit auch wachstumspolitische Konsequenzen. Darauf kann man vor allem mit Bildungspolitik antworten und nicht in erster Linie und nur über eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, so wichtig die ist.


WiM: Aus der Sicht eines „Wirtschaftsweisen“: Warum ist die Beschäftigungsschwelle, also die geringe Beschäftigungswirksamkeit von wirtschaftlichem Wachstum, in Deutschland so hoch?

Die ist im internationalen Vergleich in der Tat relativ hoch, weil die Arbeitskosten aus einer Reihe von Gründen recht hoch sind. Wir werden bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme ansetzen müssen und wir werden, wenn ein einzelner nicht die Produktivität bringt, die auf dem regulären Arbeitsmarkt zu einem Job führt, seine Arbeitskosten heruntersubventionieren müssen, umso den „Produzentenlohn“, nicht aber den „Konsumentenlohn“ zu senken. Das versuchen ja alle Parteien. Das versucht das Ifo-Konzept, das versucht die CDU/CSU mit ihren 400 bis 800 Euro-Jobs und das versucht das Hartz-Konzept.


WiM: Und die Schattenwirtschaft blüht!

In der Tat eine florierende Branche: nach neuesten Schätzungen vom Kollegen Prof. Friedrich Schneider aus Linz soll sie 15 Prozent ausmachen. Diese Schattenwirtschaft ist ein Reflex der hohen Grenzabgaben und nicht zuletzt der hohen Sozialabgaben. In dem Maße, in dem wir die senken könnten, wird natürlich die Schwarzarbeit an Dynamik verringert. Auch durch das Hartz-Konzept kann Schwarzarbeit gehemmt werden, wenn nämlich hier Teile von Schwarzarbeit durch die „Ich AG“ legalisiert bzw. institutionalisiert und wenn durch das Entstehen neuer Firmen auf dem Niedriglohnsektor dann reguläre Angebote geschaffen werden. Aber zurzeit ist es in der Tat ein Problem, nicht zuletzt weil hierdurch einkommensentstehungsseitig relevante Steuer- und Beitragsausfälle entstehen.


WiM: Die neuen Vermittlungsgutscheine vom Arbeitsamt laufen schleppend an – trotzdem ein probates Mittel?

Man soll die machen – Konkurrenz belebt das Geschäft. Man soll die privaten Vermittler durchaus agieren lassen, aber ich glaube, bei dem harten Kern der Arbeitslosen wird man um eine sehr individuelle Betreuung durch die Arbeitsvermittlung nicht herumkommen. Warum soll man hier nicht parallel arbeiten? Nur, zu glauben, dass der Markt alles lösen wird, das wird auch nicht gehen.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2002, Seite 24

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick