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Internationale Studiengänge gegen den Ingenieur-Mangel

von Prof. Dr. Franz Durst, Lehrstuhl für Strömungsmechanik Universität Erlangen-Nürnberg

von Prof. Dr. Franz Durst, Lehrstuhl für Strömungsmechanik Universität Erlangen-Nürnberg

Noch vor weniger als einem Jahrzehnt diskutierte man an den Universitäten über Begrenzungen bei der Zulassung zum Ingenieurstudium. Gremien von Ingenieurverbänden sowie Manager der Großindustrie warnten vor einer Ingenieurschwemme. Die selben Verbände setzen sich nun mit der selben Intensität für ein erhöhtes Einwerben von Ingenieuren ein. Ein ähnliches Umschwenken war auch bei den Universitäten und Fachhochschulen festzustellen. Dies macht deutlich, dass es an Planzahlen fehlt, um abzuschätzen, wie viele Ingenieure wir pro Fachrichtung in unserer Wirtschaft benötigen.

Die gesamte Wirtschaft sollte wissen, welche Ingenieure in den nächsten Jahren altersbedingt ausscheiden und wie viele zusätzliche Ingenieurstellen geschaffen bzw. abgeschafft werden sollen. Über die Zahlen der in den nächsten Jahren zu erwartenden Abiturienten ließen sich – wenn man die Prozentzahlen derjenigen einbezieht, die sich erfahrungsgemäß für ein Ingenieurstudium entscheiden - die aus den Gymnasien in Deutschland zu erwartenden Ingenieure ermitteln. Die Differenz zwischen den in den obigen Punkten aufgeführten Angaben würde erlauben, den Bedarf bzw. den Überschuss an Ingenieuren mit Universitätsabschluss anzugeben. Da konkrete Zahlen fehlen, sind anderweitige Überlegungen anzustellen, um Aussagen über den zukünftigen Bedarf an Ingenieuren zu erhalten.

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre brachten die Hochschulen eine ausreichende Anzahl gut ausgebildeter Ingenieure hervor. Angebot und Nachfrage stimmten. Vergleicht man die damaligen Geburtenzahlen mit den heutigen, so stellt man fest, dass in den nächsten Jahren nur noch 60 Prozent der Abiturienten zur Verfügung stehen werden. Allein dieser Sachverhalt zeigt, dass ein dringender Handlungsbedarf vorliegt, die von unserer Wirtschaft benötigten Ingenieure künftig bereitzustellen.

Hochschulen müssen Weiterbildungsprogramme anbieten, um modernes Ingenieurwesen im Rahmen von Weiterbildungsprogrammen zu lehren. Moderne, für Forschung, Entwicklung und Produktion wichtige Techniken müssen vor allem an ältere Ingenieure herangetragen werden, um diese so lange wie möglich im Beruf zu halten, und zwar nicht nur auf Managementposten, sondern integriert in Entwicklungs- und Produktionsprogramme der Industrie. Es gilt, die Anzahl der Studentinnen zu erhöhen, die in Deutschland ein Ingenieurstudium aufgreifen und das Studium auch abschließen. Es ist kennzeichnend für die bestehende Situation, dass in der Türkei in vielen Ingenieurstudiengängen 30 bis 40 Prozent der Studenten weiblichen Geschlechts sind. Dagegen sind in Deutschland in günstigen Fällen nur etwa zehn bis zwölf Frauen zu verzeichnen.

Eine weitere Notwendigkeit: Die Prozentzahl der Gymnasialschüler muss erhöht werden. Die, die zusätzlich gewonnen werden können, müssen für ein Ingenieurstudium begeistert werden. Dennoch werden all diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die Zahl der Ingenieure zu verdoppeln, wie dies allein schon angesichts der abnehmenden Geburtenzahlen erforderlich wäre. Die Ingenieurausbildung in Deutschland muss verstärkt auf Studenten aus dem Ausland zurückgreifen, um den zukünftigen Bedarf an Ingenieuren in Deutschland zu decken. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Ausbildungsunterschiede zwischen Ingenieurstudiengängen in Deutschland und dem Ausland bestehen, die es nur bedingt zulassen, allein im Ausland ausgebildete Ingenieure mit „Green Cards“ „einzuführen“. Dies ist nur eine Zwischenlösung, die genutzt werden muss, um den Universitäten Zeit zu geben, den begonnenen Aufbau internationaler Studiengänge zu beschleunigen bzw. zum Abschluss zu bringen.

Was nun das Angebot an internationalen Studiengängen anbetrifft, gilt es zu berücksichtigen, dass nur komplette Angebote von Bachelor- (B.Sc.), Master- (M.Sc.) und Ph.D.-Studiengängen den erwünschten Erfolg haben werden. Die besten Studenten des Auslandes werden nur dann die Vorteile einer Ingenieurausbildung in Deutschland gegenüber den USA sehen, wenn diese Ausbildung mit akademischen Graden abgeschlossen werden kann, die im Ausland bekannt sind. Deutschland hat es versäumt, seine akademischen Grade Dipl.-Ing. und Dr.-Ing. im Ausland zu „vermarkten“. Diese „Vermarktung“ heute nachholen zu wollen, ist verfehlt. Sie hilft uns nicht, die Ingenieurstudenten zu bekommen, die wir schon in nächster Zukunft benötigen.

Internationale Studiengänge mit B.Sc.-, M.Sc.- und Ph.D.-Ausbildungsprogrammen im Ingenieurbereich sind somit ein Muss für eine verantwortliche Ausbildungspolitik in Deutschland. Erstrebenswert wäre es, dass den sehr guten Ingenieuren, die in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet werden, ein Verbleib in Deutschland nach Abschluss ihres Studiums ermöglicht wird und dass sie nicht komplizierten Antragsverfahren und oft beobachtbarer Behördenwillkür ausgesetzt sind. Die Attraktivität Deutschlands für ausländische Ingenieure muss in allen Bereichen erhöht werden, auch in den Amtsstuben der Ausländerbehörden.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2002, Seite 22

 
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