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Mehr Antennen für weniger Strahlen

Mobilfunkstrahlung ist ein in der Öffentlichkeit stark emotional diskutiertes Thema. Fachwissen spielt – auch in der Medienberichterstattung – oft eine untergeordnete Rolle. WiM fragt einen, der sich auskennt: Matthias Wuschek ist öffentlich bestellter Sachverständiger für das Fachgebiet „Elektromagnetische Umweltverträglichkeit“, lehrt Nachrichtenübertragungs- und Mobilfunktechnik an der Fachhochschule Deggendorf und ist derzeit u. a. mit der wissenschaftlichen Betreuung umfangreicher „Elektrosmog“-Messprogrmme der Umweltministerien von Bayern und Baden-Württemberg betraut.

Ob Mobilfunk, Internet oder Multimedia – Mobilkommunikation gehört zum Alltag. Mit der Vergabe der UMTS-Lizenzen erfolgte der Startschuss für den Aufbau eines neuen Mobilfunknetzes, das den Nutzern multimediale Anwendungen ermöglicht. Mittelfristig ist dadurch bundesweit eine Verdoppelung der bisher aufgestellten 40 000 Sendestationen zu erwarten. Immer wieder ist die Rede von Elektrosmog, Strahlen oder Immissionen, über deren Wirkung Wissenschaftler und Vertreter von Bürgerinitiativen streiten.

Empfangsleistung optimieren
Es gibt viele unterschiedliche Handys, doch in ihrer Strahlen- und Sendeleistung sind sie ziemlich ähnlich. Viel entscheidender ist der Empfang an dem jeweiligen Standort, erklärt Ingenieur Dr. Georg Fischer von Lucent Technologies. Wenn man telefoniert und der Empfang ist zufriedenstellend, dann signalisiert das Mobilfunknetz dem Handy, die Sendeleistung zu reduzieren. Das hat den Vorteil für den Handynutzer, dass der Akku länger hält. Wenn man aber um die Häuserecke geht, wo die Funkverbindung schlechter wird, dann „sagt“ das Mobilfunknetz dem Handy, die Sendeleistung zu erhöhen. Bei optimalem Empfang liegt die Sendeleistung bei einem hundertstel Watt. Bei schlechter Verbindung, wie beispielsweise im Keller hinter dicken Mauern oder im Auto in der Tiefgarage, bei maximal einem Watt.

Prof. Dr. Robert Weigel, Professor für Elektronik an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat innerhalb von MiniWatt untersucht, wie man die Empfänger in Handys optimieren kann. Dazu wird ein Handy mit Mechanismen für die Korrektur von Bauteil-Toleranzen ausgestattet. Hierdurch werden Signalverzerrungen vermieden. „Wir haben die Hardware-Qualität der Handys soweit verbessert, dass Basisstationen mit geringerer Sendeleistung senden können, um die gleiche Signalqualität am Handy empfangen zu können. Das ist uns bei UMTS zu 30 bis 50 Prozent gelungen und wird in den nächsten ein bis drei Jahren umgesetzt“, resümiert Weigel.

Durch die Absenkung der Sendeleistung der Basistationen können Netzbetreiber Stromkosten sparen. „Das gleiche gilt auch für verbesserte Empfänger bei den Basisstationen“, wie Fischer erklärt. „Durch empfindlichere Empfänger in den Basisstationen können Handys angewiesen werden, mit geringerer Leistung zu senden. Dadurch halten Handy-Akkus länger“.

Bei MiniWatt wurde auch die so genannte „Interferenz-Unterdrückung“ untersucht: Vereinfacht gesagt sind das Handys mit robusten Empfängern, die sich von anderen Handytelefonaten nicht stören lassen und dadurch mit einer geringeren Sendeleistung seitens der Basisstationen auskommen. Denn in Stoßzeiten stören sich die Handybenutzer gegenseitig.

Lucent am Standort Nürnberg hat sich mit mehreren Schwerpunkten am Projekt MiniWatt beteiligt. U.a. wurde der Umfang der möglichen Reduktion der Sendeleistung bei interferenzunterdrückenden Empfängern bestimmt. Hier zeigte sich, dass sich die Leistung auf die Hälfte, manchmal sogar auf ein Viertel senken lässt. Ein anderer Schwerpunkt lag bei „Intelligenten Antennen“, die zwar von ihren mechanischen Abmessungen größer als bisherige Antennen sind, aber dafür die Basisstation empfindlicher werden lassen, wodurch ebenfalls die Handys angewiesen werden können, mit verringerter Leistung zu senden. Hier sieht Fischer jedoch ein großes Problem für die Akzeptanz: „Wie soll man Laien verständlich machen, dass größere Antennen helfen, die Sendeleistung zu verringern? Denkt man aber an Schallwellen wie z.B. bei einem Sprachrohr, so ist jedem klar, dass man mit einem größeren Horn besser hört.“

Weniger Sendeleistung hieße auch weniger thermische (=Wärme-) Wirkung. Zurzeit wird der Grenzwert für die Strahlung von der Erwärmung im Körper abgeleitet. Der Grenzwert für die Erwärmung liegt in Deutschland bei 0,1 Grad: um soviel erwärmt sich der Kopf bei einem zehnminütigem Handytelefonat. Wird Körpergewebe um mehr als 1 Grad Celsius erwärmt, können beispielsweise der Stoffwechsel und das Nervensystem gestört werden. Die in Deutschland gültigen Grenzwerte orientieren sich an den Empfehlungen des Europäischen Rates, der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Internationalen Strahlenschutzorganisation ICNIRP. Laut Stiftung Warentest strahlen die neueren Handys grundsätzlich vom Kopf weg. Der vom Bundesumweltminister geforderte „Blaue Engel“ für strahlungsarme Handys sei aber von der Industrie bisher nicht angenommen worden.

Im MiniWatt-Projekt hat die TU Aachen an Multihop- und Adhoc-Netzwerken geforscht. Das sind selbstorganisierende Netze, die sich den optimalen Weg suchen und beispielsweise Handys als Relaisstationen nutzen. Dazu „hüpft“ die Funkverbindung über mehrere Handys, die sich gerade auf der Strecke zur nächsten Sendestation befinden. Da dies jedoch den Akku der Handys strapaziert, gibt es Überlegungen, dies mit Gesprächsguthaben für den jeweiligen Nutzer zu honorieren. Aber der Vorteil bei solchen Netzwerken steckt darin, dass immer nur kurze Entfernungen zu überbrücken sind, so dass nur sehr geringe Sendeleistungen gebraucht werden.

Neue Systeme wie UMTS sind effizienter, weil sie bei gleicher Sendeleistung mehr Daten transportieren können und mehr Nutzer bedienen können. Grundsätzlich gibt es jedoch eine physikalische Grenze für den Mobilfunk, so dass man die Sendeleistung nicht beliebig reduzieren kann. Das wäre nur möglich, wenn man an jeder Laterne eine Sendestation installieren würde, was wiederum nicht nur unwirtschaftlich wäre, sondern noch mehr Mobilfunk-Gegner beunruhigen würde. „Dabei bedeuten mehr Antennen weniger Strahlung, weil die jeweilige Reichweite und damit die Sendeleistung geringer wären. Doch auch das kann man Laien nur sehr schwer vermitteln“, erklärt Dr. Georg Fischer.

Lucent wie auch das Heinrich-Hertz-Institut haben sich mit intelligenten Antennen und gerichteten Beams beschäftigt, die nur in einen begrenzten Teil des Raumes ausstrahlen, nämlich genau dahin, wo der Nutzer sich gerade aufhält. Die gerichtete Strahlung wird auf ein Viertel reduziert, indem sie beispielsweise mit drei Watt in einen 30 Grad Winkelbereich trifft statt mit zwölf Watt in einen 120 Grad Winkelbereich. Durch eine elektronische Schwenkung verfolgt der Strahl den Handynutzer, der sich beim Telefonieren beliebig bewegen kann. Diese intelligenten Antennen sind bereits entwickelt, werden jedoch von den Netzbetreibern bislang nicht aufgestellt, weil sie sehr teuer sind. „Es sind kombinierte und größere Antennen, die vielen Menschen Angst machen. Obwohl die Sendeleistung in der Luft umso geringer wird, je größer die Antenne ist. Sie sind effizienter und brauchen dadurch weniger Sendeleistung“, erklärt Fischer.

Mobilfunk-Gegner gehen von einer nicht-thermischen Wirkung aus, die u.a. Schlafstörungen, Herzrasen, Müdigkeit und Kopfschmerzen verursachen soll. Dies ist wissenschaftlich bisher weder bewiesen noch widerlegt. Mediziner konnten weder experimentell noch epidemologisch Gesundheitsschäden durch elektromagnetische Felder des Mobilfunks nachweisen. Darin stimmen die Ergebnisse von verschiedenen Health Councils, der WHO, des VDE, der Internationalen Strahlenschutzorganisation ICNIRP u.a. überein. Allerdings fehlen Langzeitstudien, da der Mobilfunk noch eine junge Entwicklung ist. Eine englische Studie ergab, dass Anwohner keine gesundheitlichen Beschwerden mehr hatten, nachdem Sendestationen nur versteckt wurden und trotzdem weiter sendeten. Umgekehrt fühlten sich Anwohner plötzlich krank, als eine Sendestation in ihrer Nähe aufgestellt wurde, obwohl diese gar nicht in Betrieb war. Die Angst der Menschen muss daher sehr ernst genommen werden. Vielleicht können noch mehr unabhängige Studien und noch mehr Aufklärung helfen.

Nach neuesten Forschungen könnte auch ein frei schwebender Ballon oder Zeppelin die Arbeit einer Sendestation übernehmen und wäre dadurch weiter weg von Menschen. Allerdings würden sich diese so genannten HAPs (High Altitude Platforms) wirtschaftlich nur bei großen Veranstaltungen wie Oktoberfest oder Rockkonzerten lohnen, wenn kurzfristig ein Netz aufgebaut werden muss, um die zahlreichen Anrufe zu bewältigen. Bislang scheitern solche Vorhaben aber an der Frage, wie solche Zeppeline oder Träger längere Zeit in der Luft gehalten werden können.

Die Grundlagenforschung des Projekts MiniWatt hat ein Jahr gedauert und wird gerade abgeschlossen. Sie wurde vom BMBF mit einer Mio. Euro finanziert. Die Ergebnisse werden Ende April vorgestellt. Danach fördert das BMBF die Umsetzung der erarbeiteten Ideen mit weiteren sechs Mio. Euro. Dr. Georg Fischer gehört zum MiniWatt-Bewertungsgremium, in dem die Kernaussagen des umfangreichen Zahlenmaterials zusammengefasst werden, die auch als Grundlage für politische Entscheidungen dienen sollen. Eines kann Fischer jetzt schon sagen: „Bis 2015 wird auch mit der vierten Generation des Mobilfunks nach UMTS die Strahlenbelastung durch neue effizienzsteigernde Maßnahmen konstant bleiben können.“
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2003, Seite 8

 
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