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Was sagen die Grenzwerte für Mobilfunk-Strahlen?

Mobilfunkstrahlung ist ein in der Öffentlichkeit stark emotional diskutiertes Thema. Fachwissen spielt – auch in der Medienberichterstattung – oft eine untergeordnete Rolle. WiM fragt einen, der sich auskennt: Matthias Wuschek ist öffentlich bestellter Sachverständiger für das Fachgebiet „Elektromagnetische Umweltverträglichkeit“, lehrt Nachrichtenübertragungs- und Mobilfunktechnik an der Fachhochschule Deggendorf und ist derzeit u. a. mit der wissenschaftlichen Betreuung umfangreicher „Elektrosmog“-Messprogrmme der Umweltministerien von Bayern und Baden-Württemberg betraut.

WiM: In der Bevölkerung gibt es Besorgnisse über Mobilfunkstrahlen. Um welche Art von Strahlung handelt es sich dabei?

Elektromagnetische Felder im Frequenzbereich des Mobilfunks werden zur Gruppe der „nichtionisierenden Strahlung“ gezählt. Im Gegensatz zur „ionisierenden Strahlung“, zu der beispielsweise die radioaktive Strahlung, die UV-Strahlen und die Röntgenstrahlen zählen, sind die elektromagnetischen Wellen nicht energiereich genug, um - in direkter Wechselwirkung mit den Molekülen - Veränderungen bzw. Zerstörungen in den Bausteinen einer Zelle, wie beispielsweise Veränderung der Erbgutinformation oder die Bildung freier Radikale, zu verursachen. Die Einflüsse auf den menschlichen Organismus beruhen bei elektromagnetischen Wellen auf grundsätzlich anderen Effekten, wobei im Bereich der Immissionen des Mobilfunks die thermischen Wirkungen, d.h. negative Einflüsse auf Grund übermäßiger Erwärmung des Körpergewebes im Vordergrund stehen.

WiM: Sie haben die Mobilfunkstrahlung in Mittelfranken gemessen. Welche Werte sind dabei herausgekommen?

Von uns wurden in den letzten zwölf Monaten Immissionsmessungen in Mittelfranken beispielsweise in Nürnberg, Fürth und Erlangen durchgeführt. Die Messpunkte befanden sich teilweise im Freien, mancherorts aber auch innerhalb von Gebäuden. Üblicherweise war immer mindestens eine Mobilfunksendeanlage in unmittelbarer Umgebung des Messpunktes vorhanden. Besonders häufig wurden Messpunkte in den Bereich von „empfindlichen Orten“, d.h. Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Altenheimen gelegt. An keinem der Punkte wurden die für den Schutz der Allgemeinbevölkerung in Deutschland verbindlichen Grenzwerte der 26. Bundesimmisionsschutzverordnung (BImSchV) auch nur annähernd erreicht. Typisch ergaben die Messungen Feldstärkewerte in der Größenordnung von wenigen Prozent des gesetzlichen Grenzwertes. Nur in wenigen Ausnahmefällen wurden Immissionen gefunden, die zehn Prozent des Grenzwertes erreichen oder überschreiten. Häufiger hingegen blieben die Werte sogar unter einem Prozent vom Grenzwert. Die Mobilfunksendeanlagen schöpfen also offensichtlich den Immissionsrahmen, den die 26. BImSchV vorgibt, bei weitem nicht aus.

WiM: Wie sind diese Werte zu beurteilen, z.B. im Hinblick auf die so genannten „Schweizer Grenzwerte“?

Die so genannten „Schweizer Anlagengrenzwerte“ sind derzeit die strengsten rechtsverbindlichen Vorgaben zum Schutz vor nichtionisierenden Strahlen der Welt.In der Schweiz gelten für „Orte mit empfindlicher Nutzung“, also für den Wohn- und Bürobereich und für Schulen, Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser etc. strengere Grenzwerte als in Deutschland. An allen anderen Orten (z.B. im Garten oder auf Straßen und Plätzen) sind in der Schweiz allerdings die gleichen Grenzwerte wie in Deutschland anzuwenden. Auch Dachterrassen, Balkone, Treppenhäuser, Sport- und Freizeitanlagen sowie Tierställe sind nicht als „Orte empfindlicher Nutzung“ anzusehen.

Die verschärften Schweizer Vorgaben sind eingehalten, solange an den „Orten empfindlicher Nutzung“ in der Umgebung von Mobilfunksendern „Anlagengrenzwerte“ eingehalten werden, die etwa bei zehn Prozent der deutschen Grenzwerte der 26. BImSchV liegen.

Wie ich eben jedoch bereits ausgeführt habe, überschreiten die Mobilfunksendeanlagen nur in seltenen Ausnahmefällen diese Zehn-Prozent-Schwelle, d.h. auch bei einer Bewertung nach Schweizer Rechtslage würden die meisten Mobilfunkstandorte unbeanstandet bleiben.

WiM: Wie weit ist der Ausbau der Netze gediehen?

Diese Frage können Ihnen im Detail natürlich nur die Netzbetreiber beantworten. Grundsätzlich kann man aber feststellen, dass der Ausbau der GSM-Netze zumindest bei den großen Betreibern weitgehend abgeschlossen ist und hier im Wesentlichen Neuanlagen nur noch zur Steigerung der Netzkapazität bzw. zur Beseitigung von Versorgungslücken errichtet werden.

Der Aufbau des UMTS-Netzes wird in einzelnen Stufen durchgeführt: Auf Grund der Lizenzverpflichtungen müssen die Netzbetreiber bis Ende 2003 mindestens 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS-Diensten versorgen. Um dies zu erreichen, müssen Sendestationen in allen deutschen Ballungsräumen errichtet werden. Für Mittelfranken ist daher die erste Phase des UMTS-Ausbaues auf den Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen beschränkt. Bis Ende 2005 müssen dann 50 Prozent der Bevölkerung versorgt sein. Rein rechnerisch bedeutet dies, dass dann alle Städte bis zu einer Größe von etwa 30 bis 40 000 Einwohner UMTS-Anlagen bekommen müssen. Wie sich der UMTS-Ausbau nach 2005 weiter entwickelt, steht heute noch völlig in den Sternen und ist wohl hauptsächlich vom kommerziellen Erfolg dieser neuen Technologie abhängig.

WiM: Wie schätzen Sie das Gefährdungspotenzial durch Mobilfunkstrahlen ein?
Die absolute Unschädlichkeit einer auf Mensch und Umwelt einwirkenden physikalischen oder chemischen Größe ist prinzipiell nie mit völliger Sicherheit nachweisbar. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, das Potenzial einer Gefährdung durch die Größe des noch vorhandenen Restrisikos zu beschreiben. Im Umfeld dieser Risikobeurteilung möchte ich auf einen gravierenden Unterschied in der Sichtweise von Wissenschaft und Öffentlichkeit hinweisen: Alle nationalen und internationalen Expertenkommissionen sehen derzeit keinen akuten Handlungsbedarf und betrachten die derzeitigen Grenzwerte als ausreichend. Außerdem sieht die Wissenschaft grundsätzlich das höhere Restrisiko auf Grund noch ungeklärter Fragen deutlich im Bereich der Handynutzung, da hier der Einzelne wesentlich höheren Immissionen ausgesetzt ist, als Bürger, die in der Nähe von Mobilfunksendeanlagen wohnen. Die Risikowahrnehmung in der Bevölkerung ist hingegen genau umgekehrt: Antennen von Mobilfunkbasisstationen erzeugen häufig sehr große Beunruhigungen in der Nachbarschaft, die Handynutzung wird in der Regel hingegen ohne nennenswerte Bedenken akzeptiert.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2003, Seite 12

 
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