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Kundenorientierung als Unternehmensgrundsatz

„Es gelten die Antworten der Kunden, nicht die der Ingenieure.“ Mit diesen Worten machte Dr. Bernd Pischetsrieder, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG seinen Standpunkt zur Ausrichtung der Wolfsburger Autobauer beim 115. „Kammergespräch“ deutlich. Der Münchner und ehemalige BMW-Chef stellte klar, dass ein zufriedener Kunde die einzige Quelle für den Wohlstand eines Unternehmens sei und damit zugleich der Unternehmenszweck.

Gerade angesichts der Globalisierung sei die Wahrnehmungsschärfe, mit der man den Kunden betrachte, ausschlaggebend. Der VW-Chef sprach von einer Pyramide der Weltmärkte: Die Premiumprodukte und Luxusartikel treffen überall auf den gleichen Kundenkreis, auf einen „globalisierten Weltgeschmack“, während man am unteren Ende der Pyramide eine „maximale Lokalisierung“ beobachten könne. Der VW Konzern bediene mit dem Lamborghini die Pyramidenspitze, müsse sich aber auch um den uneinheitlichen Massengeschmack kümmern. „Man muss den Leuten, sprich den Kunden, halt auf den Mund schauen, um herauszufinden, was sie wirklich wollen“, drückte Pischetsrieder es aus.

Auf dem brasilianischen Markt hat diese Devise zum Erfolg geführt. Seit gut zehn Jahren baut VW dort Lkws bis zu 40 Tonnen. Mittlerweile haben sie sich mit einem Marktanteil von 35 Prozent gegen die Wettbewerber durchgesetzt, „nicht weil die Produkte die Techniker hier begeistert haben, sondern weil sie die Kunden dort vom Stuhl gerissen haben“, sagt Pischetsrieder. VW biete in Brasilien eben nicht das gleiche Modell wie in Europa oder Nordamerika an, wie die Konkurrenz es mache, sondern ein auf die dortigen Bedürfnisse (hohe Tonnage, elektronische Basisausstattung) ausgerichtetes.

Um die Frage beantworten zu können, was der jeweilige Kunde will, sei Marktforschung eine gute Basis, reiche aber nicht aus. „Den Informationsgewinn liefern Mitarbeiter und Geschäftspartner“, so Pischetsrieder, also diejenigen, die Kontakt zum Kunden haben. Es komme nicht nur darauf an, dieses Wissen einfach weiterzugeben, sondern jeder Mitarbeiter müsse sich der Kundenorientierung verpflichtet fühlen. „Ohne dass Menschen sich persönlich um die Kundenorientierung kümmern, sind alle Informationssysteme für die Katz.“

In der globalen Welt heiße das Zauberwort Dezentralisierung. Und das bedeute, so der Vorstandsvorsitzende weiter, eine Information unmittelbar an der richtigen Stelle umzusetzen. Entscheidungen, die den Markt betreffen, müssten am Markt entschieden werden. Pischetsrieder sieht die Automobilindustrie im Verhältnis zu den Zulieferunternehmen als Integrationsindustrie, die sich darum kümmere, dass die Anschlüsse stimmen. Von dem, was hinter diesen Anschlüssen passiert, habe VW in 50 Prozent der Fälle keine Kenntnis, schätzt er. Das ist die Fachkompetenz der Automobilzulieferer, 250 sind es in der Region Nürnberg. 30 000 Menschen sind hier in der Branche beschäftigt und produzieren jährlich Komponenten für rund 1,5 Mrd. Euro. IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt wies darauf hin, dass es auf der Welt kein Auto gebe, in dem nichts aus Mittelfranken enthalten ist. Der Sitz der Bayerischen Innovations- und Kooperationsinitiative Automobilindustrie (Baika) mit über 1 400 teilnehmenden Unternehmen, davon allein 850 aus Bayern, befindet sich in Nürnberg. Baika organisiert Fachveranstaltungen und Gemeinschaftsstände auf Messen im In- und Ausland, bahnt Forschungs-Kooperationen an und koordiniert internationale Projekte. Seit Gündung der Initiative 1997 stieg die Zahl der Beschäftigten in der bayerischen Zulieferindustrie von 153 300 um knapp neun Prozent auf fast 167 000, der Umsatz erhöhte sich von 29,2 um fast 80 Prozent auf 52 Mrd. Euro.

In der Region Nürnberg haben 25 VW-Partner im letzten Jahr 11 500 VW- und Audi-Pkws hier abgesetzt und dabei einen Umsatz von 530 Mio. Euro verbucht. Die Präsenz des Konzerns wird auch aktuell in der Region weiter ausgebaut. Am Marienbergpark entsteht derzeit ein VW- und Audi-Zentrum. Ein VW-Werk in Mittelfranken hält Pischetsrieder dagegen für ausgeschlossen. In ganz Europa brauche der Konzern keine zusätzlichen Produktionskapazitäten mehr, erklärte er. Gefragt nach dem neuen Golf V, dessen Markteinführung für Mitte Oktober 2003 geplant ist, und seiner Bedeutung für den Konzern, antwortete der VW-Chef: „VW ist Golf und Golf ist VW.“ Rund 15 Prozent des Umsatzes und 50 Prozent des Ertrages bringt der Golf für das Unternehmen, das unter einem Dach die Marken Audi, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Seat, Skoda, Volkswagen und Volkswagen Nutzfahrzeuge vereint. Es hofft mit dem Golf V die Konkurrenz auf dem europäischen Markt abzuhängen. Pischetsrieder will, dass mit dem neuen Golf an die Erfolge früherer Jahre angeknüpft wird. 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2003, Seite 34

 
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