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Die Zukunft beginnt jeden Tag

Gastkommentar von Peter Ehrlich, Teamleiter Politik bei der „Financial Times Deutschland“ in Berlin

Bundeskanzler Gerhard Schröder will 2004 zum Innovationsjahr machen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat sich Innovation als Jahresthema vorgenommen. Bei der Auftaktveranstaltung im Januar waren sich Gerhard Schröder, DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun und Oppositionsführerin Angela Merkel im Prinzip einig: Deutschland muss mehr für Bildung und Forschung tun.

So weit, so richtig. Aber Spötter listeten gleich auf, wie viele Innovationsoffensiven unterschiedlicher Regierungen es schon gegeben hat, ohne dem Wissenschaftsstandort Deutschland wirklich zu helfen. Noch immer bildet unser Land zwar viele begabte Wissenschaftler gut aus, aber viele wandern gleich ab an attraktivere Standorte. Die deutsche Volkswirtschaft muss immer mehr Wissen von außen einkaufen, obwohl sie noch immer ein starker Forschungsstandort ist.

Kein Wunder also, dass viele müde abwinken. Oder denken, was nützen Eliteuniversitäten, wenn die Auszubildenden kein richtiges Deutsch mehr können. So einfach darf man sich die Sache aber nicht machen. Gute Schulen und Universitäten sind entscheidend für die Zukunft Deutschlands, weil nur so die Arbeitsplätze der Zukunft gesichert werden können. Wo Hochschulen von Zwängen befreit wurden, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gesucht wurde und rund um die Unis ein Geflecht aus Firmen entstanden ist wie in Aachen oder Bremen, zeigen sich die anderswo noch kaum genutzten Potenziale. Wenn die Bundesregierung von Innovation redet, setzt sie sich auch selbst unter Druck, und das ist gut so. Schröder muss sein Versprechen einhalten und zusätzliches Geld für die Forschung locker machen.

Der DIHK fordert zurecht Innovationen nicht nur von der Politik, sondern auch in den Unternehmen. Wahre Unternehmer haben das schon lange verstanden. Jeden Tag beginnt ihre Zukunft neu, jeden Tag müssen sie neue Ideen entwickeln, bessere Produkte, neue Abläufe schaffen. Wer Innovation vorlebt, kann sie auch von anderen fordern, etwa von der Politik. So gut es ist, wenn der Bund Spitzenforschung fördert: Für die meisten Firmen entscheidet sich die Innovationsfreudigkeit der Gesellschaft vor Ort. Sitzen im Rathaus Bürokraten oder Reformer? Fördert die jeweilige Landesregierung die Zusammenarbeit der Universitäten mit der Wirtschaft, ermuntert sie Spin-offs? Viele Sonntagsredner in Sachen Innovation tun im Alltag wenig, um Erneuerung zu fördern.

Das „Innovationsjahr 2004“ sollten alle, die sich über Veränderungsfeindlichkeit im Alltag beklagen, nutzen: Sie können sich auf den Kanzler ebenso berufen wie auf die Opposition und Innovationsmuffel damit öffentlich unter Druck setzen. Wie innovationsfreudig wir sind, entscheidet sich nicht an teuren staatlich geförderten Prestigeobjekten wie dem Transrapid oder wirtschaftlichen Hirngespinsten wie dem Cargolifter. Entscheidend ist, dass hier Erfindungen wie die Datenkompression MP3 nicht nur gemacht, sondern künftig auch wirtschaftlich verwertet werden. Die Politik muss den Rahmen schaffen, der zu Erfindungen, Ideen, Neuerungen ermutigt und diese ermöglicht.
Autor/in: 
Peter Ehrlich
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2004, Seite 26

 
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