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Neuordnung im 125. Jubiläumsjahr

Die „industrielle Revolution“ um 1800 führte nicht nur zur zunehmenden Beschäftigung von ungelernten Arbeitern und Frauen, sondern auch von Kindern. Die Beschäftigung von Kindern blieb nicht ohne gesundheitliche Folgen. 1828 meldete man dem preußischen König, dass die Industriebezirke nicht mehr im Stande waren, ihr Kontingent an Soldaten zu stellen. Deshalb entstand 1839 das „Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken“. Es verbot die Arbeit der Kinder unter neun Jahren und schränkte die Arbeitszeit älterer Kinder ein. Eine Änderung der Verhältnisse brachte das Gesetz jedoch nicht. Zur Überwachung der gesetzlichen Vorschriften wurden deshalb die Fabrikinspektionen gegründet. Am 1. Juni 1879 nahm der Fabrikinspektor für die Regierungsbezirke Oberpfalz und Regensburg, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Aschaffenburg seine Tätigkeit auf. Er war einer von drei bayerischen Fabrikinspektoren und hatte seinen Sitz in Nürnberg. Aus diesem Amt ist das Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg entstanden, die für Mittelfranken zuständige Arbeitsschutzbehörde, die damit heuer ihr 125-jähriges Jubiläum feiert. Neben dem Schutz der Arbeitnehmer gilt die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auch dem Schutz aller Bürger vor Gefahren, die mit technischen Anlagen, Produkten oder im Umgang mit Gefahrstoffen entstehen können.

Im Jubiläumsjahr muss sich die Gewerbeaufsicht im Zuge der Verwaltungsreform auf Neuerungen einstellen, die nach einem Beschluss des Bayerischen Ministerrates am 1. Januar 2005 in Kraft treten. Demnach werden die Gewerbeaufsichtsämter an die jeweiligen Bezirksregierungen angegliedert, wobei sie als fachliche Einheit erhalten bleiben. „Durch den Beschluss ist die Existenz und die fachkundige Arbeit der Gewerbeaufsicht auch in Zukunft gesichert“, so Robert Gundermann, der Leiter des Nürnberger Amtes. Der Ministerrat habe die Arbeit der Gewerbeaufsicht als unverzichtbar betrachtet und deshalb eine organisatorische Zersplitterung abgelehnt.

Dennoch werden einige Änderungen eintreten: Die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten auf der Straße wird in Zukunft die Polizei übernehmen, die Gewerbeaufsicht bleibt weiter für die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten im Betrieb zuständig. Die Ahndung der von der Polizei übermittelten Verstöße gegen Sozialvorschriften im Straßenverkehr wird nicht mehr die Gewerbeaufsicht, sondern die zentrale Bußgeldstelle der Polizei in Viechtach übernehmen. Bis November dieses Jahres wird noch geprüft, inwieweit eventuelle Doppelzuständigkeiten und Doppelkontrollen durch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft abgebaut werden können.

„Die Mitarbeiter des Amtes sehen sich nicht vorrangig als Kontrolleure“, so Gundermann, „sondern vielmehr als Berater und Partner der Unternehmer und Arbeitnehmer, um den Arbeitsschutz und die Sicherheit zu verbessern.“ Ging es Ende des 19. Jahrhunderts noch vorrangig darum, den arbeitenden Menschen ein Mindestmaß an Unfall- und Gesundheitsschutz zu sichern, so erstreckt sich heute der Aufgabenbereich neben dem Schutz am Arbeitsplatz auch auf den Schutz aller Bürger. Unter anderem schützen die Mitarbeiter des Amtes vor Gefahren, die durch technische Anlagen (z. B. Aufzüge) oder beim Umgang mit Gefahrstoffen (z. B. Giften und Sprengstoffen) entstehen können. Im Rahmen des Verbraucherschutzes überwacht die Gewerbeaufsicht das „Inverkehrbringen“ von nahezu allen Produkten, angefangen von Medizinprodukten (z. B. Blutdruckmessgerät) über Spielzeug und weitere Produkte.

Für 70 000 Betriebe zuständig
Die 75 Nürnberger Gewerbeaufsichtsbeamten und Gewerbeärzte betreuen ca. 70 000 Betriebe mit rund 700 000 Beschäftigten. Dabei wird jährlich ca. ein Zehntel der Betriebe aufgesucht. Ca. 4 800 fachtechnische Genehmigungsverfahren und Gutachten wurden im Jahr 2003 abgegeben.

Das Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg ist in Mittelfranken für folgende Themen zuständig:
? Technischer Verbraucherschutz
? Sozialer Arbeitsschutz (u. a. Arbeitszeitgesetz, Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz)
? Sprengstoffrecht
? Überwachung der Anlagensicherheit (Aufzüge, Druckbehälter, Gasanlagen)
? Technischer und stofflicher Verbraucherschutz
? Schutz vor Röntgenstrahlung
? Chemikalienrecht
? Arbeitsmedizinische Vorschriften
? Überwachung der Gefahrgutbeförderung
? Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten der Berufskraftfahrer

„Trotz aller Bemühungen gibt es leider immer noch zahlreiche Arbeitsunfälle, die zwar selten tödlich enden, für die Betroffenen und ihre Familien dennoch viel Leid bedeuten können“, so Gundermann. In Mittelfranken starben 2003 zehn Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz, die meisten tödlichen Unfälle ereignen sich bei Tätigkeiten auf Baustellen.

Bedauerlich sei ferner, dass bei Lkw- und Betriebskontrollen immer wieder überhöhte Lenkzeiten festgestellt werden mussten. Auf Grund der Verstöße mussten im Jahr 2003 Bußgelder in Höhe von 480 000 Euro verhängt werden. Die Überschreitungen seien auf den immer schärferen Wettbewerb im Transportgewerbe zurückzuführen, hier versuche die Gewerbeaufsicht gegenzusteuern.

Tätig wird das Nürnberger Amt auch zum Schutz der Kinder bei den Gefahren durch Spielzeug. Immer wieder ist Spielzeug auf dem Markt, das die Gesundheit oder gar das Leben gefährden kann. Robert Gundermann erinnert sich z. B. an den Lenkroller, der einen gefährlichen Klappmechanismus hatte. Die zahlreichen Erfahrungen, die das Amt durch Marktkontrollen im Einzelhandel und auf Messen macht, versucht es in die nationalen und internationalen Regelungen einzubringen.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2004, Seite 28

 
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