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Selbstbedienung wörtlich genommen

Jahr für Jahr gehen dem Einzelhandel mehr als vier Mrd. Euro Umsatz verloren, denn immer mehr Langfinger greifen in den Läden und Lagern hemmungslos zu. Gezielte Prävention kann am besten gegen diebische Kunden helfen.

Jahr für Jahr gehen dem Einzelhandel mehr als vier Mrd. Euro Umsatz verloren, denn immer mehr Langfinger greifen in den Läden und Lagern hemmungslos zu. Gezielte Prävention kann am besten gegen diebische Kunden helfen.

Immer wenn in Deutschlands Läden und Geschäften Inventur gemacht wird, fehlt etwas. Rund ein bis 1,4 Prozent des Bruttoumsatzes wird als Inventurdifferenz registriert, jeweils rund 40 Prozent davon haben sich Mitarbeiter und Kunden unter den Nagel gerissen. 2002 wurden in Deutschland rund 550 000 einfache Ladendiebstähle bekannt, nach vier Jahren des leichten Rückgangs erstmals wieder eine leichte Zunahme um 1,4 Prozent. Dabei trugen Ladendiebe Waren im Wert von 35,6 Mio. Euro an den Ladenkassen vorbei, doch die Dunkelziffer wird auf wenigstens das Fünfzigfache geschätzt.

Meist sind es Gelegenheitsdiebe, deren Beute gerade mal 15 Euro oder weniger wert ist, die beliebtesten unter den geklauten Artikeln sind Textilien, Elektro- und Kosmetikartikel. Auf der Rangliste der entwendeten Artikel stehen beispielsweise in Berlin nach Angaben des dortigen Landeskriminalamtes Kondome, Energielampen, Rasierklingen, Schreibwaren, Audiocassetten, Kopfhörer und Batterien ganz oben. Betroffen ist hauptsächlich der Einzelhandel in Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern. Nur ein Sechstel aller Ladendiebstähle wird hingegen in kleinen Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern angezeigt. Am aktivsten werden Langfinger vorzugsweise dann, wenn viele Kunden Deckung bieten, etwa in der Vorweihnachtszeit. Untersuchungen des Einzelhandels lassen Schwerpunkte im Monatsverlauf gegen Ultimo, im Wochenverlauf an den Wochenenden und im Tagesverlauf in den letzten Stunden vor Ladenschluss erkennen.

Zahlende Kunden und Ladendiebe sind dummerweise kaum voneinander zu unterscheiden. So kommen erwachsene Ladendiebe aus allen sozialen Schichten. Sie stehlen, weil sie sparen wollen und sich so ein Sonderangebot der besonderen Art verschaffen, weil sie dem Drang nicht widerstehen können, etwas zu besitzen, was sie sich sonst nicht leisten würden, oder weil sie ohnehin der Meinung sind, das Unternehmen würde genug an ihnen verdienen und ihnen noch etwas schulden. Jugendliche möchten sich meistens Dinge leisten, die ihren Status heben, oder sie machen sich einen Spaß daraus, etwas zu stehlen.

Patentrezepte gegen Ladendiebstahl gibt es zwar nicht, aber Prävention hat sich in den vergangenen Jahren als wirksamste Strategie erwiesen – am besten, es kommt gar nicht erst zum Ladendiebstahl. Zu den vier Säulen der Ladendiebstahlvermeidung gehören personelle, organisatorische, psychologische und technische Maßnahmen.

Prävention beginnt bei der Planung eines Ladens
Wichtigster Punkt schon bei der Planung eines Ladens ist die Übersichtlichkeit, die Ladendieben das Gefühl gibt, von allen Seiten beobachtet zu werden. Ein klarer Grundriss der Verkaufsfläche und das Vermeiden von Versteckmöglichkeiten (zum Beispiel bei Winkeln in den Rückwänden oder hinter hoch bepackten Regalen oder anderen Warenträgern) nehmen dem Ladendieb die Chance, aus dem Blickfeld zu verschwinden.

Umkleidekabinen und Kundentoiletten sind ein Hauptbetätigungsfeld der Diebe, denn hier können sie unbeobachtet agieren. Ankleidekabinen sollten sich an einer gut einsehbaren Stelle befinden, der Fußbereich der Kabinen sollte einsehbar sein, auf einen Stuhl in der Kabine sollte verzichtet werden. Vorteilhaft ist auf jeden Fall die früher oft übliche Beschränkung auf drei Kleidungsstücke, die in die Umkleidekabine mitgenommen werden dürfen. Spiegel sind eine kostengünstige Möglichkeit, schwer einsehbare Bereiche zu beobachten und potenzielle Täter abzuschrecken. Auch kostenlose Schließfächer für die Taschen der Kunden gehören zu den organisatorischen Abwehrmaßnahmen – und sind gleichzeitig ein Service für die Kunden.

Zu den psychologischen Maßnahmen gegen Ladendiebe gehören deutliche schriftliche Warnungen, Tricks wie Hausdurchsagen („Der Hausdetektiv bitte in Abteilung xy“) und die aufmerksame und aktive Kundenbetreuung („Ich komme gleich zu Ihnen“, „Wenn Sie Hilfe benötigen, ich bin in Ihrer Nähe“).

Elektronische Warensicherung
Als wirksamstes Mittel gegen Ladendiebstähle hat sich die Einführung einer elektronischen Warensicherung erwiesen, Schwund durch Diebstahl wird in der Regel bis zu 70 Prozent reduziert. Auf dem Markt haben sich unterschiedliche Systeme der elektronischen Artikelsicherung (EAS) etabliert, die nach verschiedenen technischen Verfahren arbeiten. In der Regel besteht ein EAS-System aus Sicherungsetiketten, die an den Artikeln befestigt werden, und Empfangs- bzw. Detektionseinrichtungen, die an den Ein- und Ausgängen angeordnet sind. Sobald ein Ladendieb versucht, mit dem eingesteckten Artikel still und heimlich zu verschwinden, wird am Ausgang automatisch Alarm ausgelöst. Die Sicherungsetiketten können nur durch hierzu berechtigtes Personal bei der Bezahlung der Ware entfernt bzw. deaktiviert werden.

Hundertprozentigen Schutz gegen Ladendiebstahl bieten aber auch Radio-Frequenz-, elektromagnetische oder akustomagnetische Technik nicht. Gewiefte Langfinger kennen inzwischen zahlreiche Kniffe, um die Technik auszutricksen. Da werden Sicherungsetiketten kunstvoll entfernt, die Ware in präparierten Taschen oder Koffern zur technischen Ruhe gebracht oder das Sicherheitsetikett mit der Hand oder einer Alu-Folie daran gehindert, Alarm auszulösen.

Neben den präventiven und technischen Maßnahmen sind es nach Aussagen des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE) vor allem die Mitarbeiter, die Ladendiebstähle verhindern können. Voraussetzung: Sie sind hinsichtlich ihrer eigenen Verhaltensweisen und gängiger Diebstahlmethoden geschult.

IHK-Ratgeber
Weitere Informationen zum Thema Ladendiebstahl enthält die Broschüre „Ladendiebstahl. Ein Ratgeber zur wirksamen Abwehr“, herausgegeben vom Deutschen Industrie-und Handelskammertag (DIHK). Die Publikation kann online unter www.dihk.de (Rubrik „Publikationen“) bestellt werden.

Horst Peter Wickel
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2004, Seite 8

 
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