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Kleines kommt groß raus

Neben der Informations- und der Biotechnologie gilt die Nano-Technologie als Schlüsseltechnologie des Jahrhunderts. Über viele Aspekte dieser Querschnittswissenschaft konnten sich die Teilnehmer beim „Mittelfränkischen Innovationstag 2004“ (mit) in der IHK informieren.

Die Zwerge sind längst unter uns, doch der Übergang in die Nano-Welt (das griechische „nanos“ bedeutet Zwerg) ist weitaus mehr als eine bloße weitere Miniaturisierung. Ein Millionstel Millimeter ist die Größenordnung, in der Nano-Experten denken. Die Technik soll mit schnelleren Computern, selbstreinigenden Fenstern, besseren medizinischen Implantaten und anderen revolutionären Produkten unser Leben verändern.

In seiner Eröffnungsrede hatte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Riesterer bereits auf die besondere Bedeutung der Nano-Technologie hingewiesen: „Zahlreiche Branchen in unserer Region profitieren schon heute von Neuentwicklungen der Nano-Technologie.“ Bereits eingesetzt werde diese Schlüsseltechnologie in Elektronik, Datenspeicherung, Optik, Biotechnik, Automobiltechnik. Anwendungsbeispiele seien neue Diagnose- und Therapieverfahren in der Medizintechnik oder elektronische und optoelektronische Bauteile für kompakte Datenspeicher in der Informationstechnologie. Die Region Nürnberg habe in der Nano-Technologie schon einiges vorzuweisen. Dazu gehören neben drei naturwissenschaftlichen sowie den technischen und medizinischen Fakultäten an der Universität Erlangen-Nürnberg das Erlanger Fraunhofer-Institut, die Max-Planck-Arbeitsgruppe, die FH Nürnberg, das Analytikzentrum in Lauf und innovative Unternehmen. Während des „Mittelfränkischen Innovationstages 2004“ stellten Vertreter der Forschungseinrichtungen, aber auch Unternehmen ihre Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Nano-Technologie vor.

Einige Anwendungen gibt es jetzt schon zu kaufen: In den Baumarkt-Regalen stehen Dachziegel, deren nano-beschichtete Oberflächen Schmutz ebenso wenig Halt bieten wie Moosen und Algen. Spezielle Nano-Farben an den Wänden sorgen dafür, dass sich Grafitti abwischen lassen wie Kreide von einer Tafel. Nano-Teilchen verbessern Sonnencremes und dienen dem Kampf gegen Krebs. Nano-Produkte, die aus Bauteilen von wenigen Millionstel Millimeter bestehen, werden nach Einschätzung des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) bereits in wenigen Jahren viele Lebensbereiche durchdringen. „Nano alleine wird dabei allerdings nicht der große Renner sein“, sagte Gerd Bachmann vom Düsseldorfer VDI-Technologiezentrum in einem dpa-Gespräch. „Das große Potenzial liegt in der Verbindung mit Informationstechnik und Biologie.“

Großes Potenzial für neue Produkte
Bei Siemens bzw. bei der Infineon Technologies AG ist das Anwendungspotenzial nach Angaben von Dr. Hermann Franz, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG. enorm. Als Beispiele nannte er Nano-Elektronik, Miniaturlabors für die Umweltanalyse, Systeme für Medizintechnik und Industrieautomatisierung, photonische Kristalle für kompakte optische Router, leistungsfähigere Filter und Glühlampen ohne Wärmeabstrahlung. Nano-Technologien könnten eingesetzt werden zur hochpräzisen Positionierung von Wirkstoffen, zur Optimierung von Turbinenoberflächen sowie für kratzfeste Oberflächen beispielsweise bei Haushaltsgeräten.

Für die neue Technologie hat sich, so Dr. Petra Wolf vom Bundesforschungsministerium, inzwischen ein großer Markt mit einem Volumen von weltweit 100 Mrd. Euro entwickelt. Rund 1 000 Firmen in den USA und 400 bis 500 Unternehmen in Europa sowie 400 bis 500 weitere Firmen in Deutschland teilen sich bisher den „Nano-Kuchen“. „Deutschland besitzt eine starke Basis in den Nano-Wissenschaften“, so Wolf. Nach Angaben von Franz führen bei den Patenten zwar die USA mit rund 45 Prozent vor Europa, wobei sich Großbritannien, Frankreich und Deutschland mit 5 bis 15 Prozent die größten Anteile erobert haben. Bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen liege allerdings Europa vorn. Zahlen zur wirtschaftlichen Bedeutung der Nano-Technologie seien schwer zu ermitteln, aber die National Science Foundation in den USA rechne für 2015 mit einem Gesamtmarkt von bis zu einer Billion US-Dollar.

Forsche Prognosen, wie etwa von selbstständigen Nano-Robotern, beurteilen die Experten skeptisch. „Das Nano-U-Boot, das in unseren Adern für Gesundheit und Jugend sorgen soll, ist ganz schwer zu realisieren, weil der Platz nicht reicht, um all die Funktionen mit herkömmlicher Technik zu integrieren,“ meinte Prof. Dr. Wolfgang Heckl von der Ludwig-Maximilians-Universität München und Generaldirektor des Deutschen Museums. „Außerdem ist es unmöglich, mit so einem kleinen Rotor gegen den Druck des Blutstroms anzuschwimmen.“ Doch die neue Technologie lockt selbstverständlich einfallsreiche Phantasten an. So droht im neuen Roman von Michael Crichton, mit „Jurassic Park“ bekannt geworden, das Ende der Menschheit in Form einer riesigen Armada winziger, außer Kontrolle geratener Nano-Roboter. Die wild gewordenen Winzlinge versklaven oder vernichten ihre einstigen Schöpfer und zermahlen in der Horrorvision des Erfolgsautors die gesamte Biosphäre des Planeten zu klebrigem Schleim. Heckl, der diese Vision aus wissenschaftlicher Sicht auch mit größter Fantasie auf absehbare Zeit nicht für möglich hält, sieht einen „zu großen Einfluss der Bedenkenträger“ in unserer Gesellschaft, die die Entwicklung von Schlüsseltechnologien behinderten. Petra Woflf vom Bundesforschungsministerium sicherte zu, dass auch bei der Nano-Technologie der Abschätzung von Technikfolgen große Aufmerksamkeit gewidmet werde.

hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2004, Seite 28

 
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