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Feuer und Flamme für die Region

Die Schließung von AEG macht deutschlandweit Schlagzeilen, für Augustinerhof und Klausfelder finden sich keine Investoren. Ist die Standortqualität in Gefahr? Eine Rundfrage unter Unternehmern zeigt jedenfalls ein ganz anderes Bild. Die guten Platzierungen, die die Region in vielen Studien zur Wirtschaftskraft und Lebensqualität erreicht, spiegeln sich auch in den Aussagen unserer nicht repräsentativen Rundfrage wider: Die Unternehmer lassen jedenfalls nichts auf ihre Region kommen.

„Es gibt nur wenige andere Regionen in Deutschland mit einer ähnlichen wirtschaftlichen Dichte und Leistungsfähigkeit“, sagt Dr. Bernd Rödl, Kanzleichef von Rödl & Partner, einer der größten deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. „Wir werden oft gefragt, warum wir unseren Sitz nicht nach München oder Frankfurt verlegen. Diese Frage stellt sich für uns überhaupt nicht. Der wirtschaftliche Erfolg dieser Region ist auch unser Erfolg. Wir wollen nah bei unseren Kunden sein und sind fest in der Region verwurzelt“, fügt der IHK-Vizepräsident hinzu, der über 700 Mitarbeiter allein an den drei mittelfränkischen Standorten Nürnberg, Fürth und Ansbach beschäftigt.

Michael Winter, Geschäftsführender Gesellschafter der uvex Winter Holding, unterstreicht: „Trotz der großen Internationalisierung unseres Unternehmens bleiben wir dem Standort Fürth treu, da wir hier neben guten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und guter Infrastruktur auch über ein großes Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften verfügen. Als Familienunternehmen denken wir in der Standortfrage langfristig und verbinden mit unserem Bekenntnis zu Fürth auch eine soziale Verantwortung für unsere Mitarbeiter und die Stadt.“ Auf den „menschlichen Faktor“ setzt auch Jochen Loos, Geschäftsführer von Loos International in Gunzenhausen: „Von sehr hoher Bedeutung ist der Bedarf an hoch qualifiziertem Fachpersonal bei geringer Fluktuationsrate. Hier ist das Angebot in West-Mittelfranken auf Grund der guten Ausstattung mit allen Arten von Bildungseinrichtungen und der Mentalität der Bevölkerung als sehr gut zu bezeichnen. Regionale Unterschiede im Niveau des Entgeltes spielen eine untergeordnete Rolle, da im internationalen Wettbewerb Vergleiche ohnedies zu falschen Ergebnissen führen müssen.“

So setzt auch Horst Brandstätter, Alleininhaber der geobra Brandstätter GmbH & Co. KG, mit Neuinvestitionen von 65 Mio. Euro in diesem Jahr konsequent auf den fränkischen Standort und die Fertigung von Playmobil „direkt unter eigenen Augen, mit Leuten, die in vielen Jahren Markenverständnis entwickelt und gelernt haben, höchste Qualität zu produzieren“.

Warum gerade Mittelfranken?
Zwar spielen bei den örtlichen Tochtergesellschaften internationaler Konzerne wie dem AEG-Werk des schwedischen Electrolux-Konzerns Personalkosten und Marktnähe für die Entscheidung über den Standort eine angeblich entscheidende Rolle, doch erfahrene Betriebswirtschaftler wissen genau, dass bei der Beurteilung von Standortfaktoren zahlreiche Komponenten berücksichtigt werden müssen. Nach Angaben der IHK gehört die fränkische Metropole mit ihrem Umland zu den zehn größten Wirtschaftsräumen Deutschlands. Im Einzelnen gibt es zahlreiche Faktoren, die die besondere Qualität Mittelfrankens ausmachen, u.a. die Verkehrsanbindung mit internationalem Airport, die Lage am Schnittpunkt dreier wichtiger Autobahnen, Bahn-Knotenpunkt von ICE- und internationalen Fernverkehrsstrecken, Main-Donau-Kanal mit größtem Güterverkehrszentrum Süddeutschlands, drittgrößter deutscher Nahverkehrsverbund, dynamisches Wachstum im Handel mit Mittelost- und Osteuropa, Spitzenposition unter den europäischen Technologie- und Innovationsregionen (nach Patentanmeldungen je Einwohner deutschlandweit auf Rang 3), starkes Wachstum des Dienstleistungssektors mit Schwerpunkten in den Bereichen Ingenieur- und Wirtschaftsberatung, Marktforschung, Facility Management und elektronischen Handel (e-commerce). Und nicht zu vergessen die hohe Lebensqualität (nach Studie W. M. Mercer: Platz 22 unter weltweit 218 Großstädten).

Nicht nur Bernd Rödl, Michael Winter, Jochen Loos und Horst Brandstätter sind von den Standortfaktoren der mittelfränkischen Region überzeugt und begeistert. Auch andere Unternehmer und Arbeitgeber finden in Mittelfranken all das, was sie suchen und für den erfolgreichen Auftritt am Markt brauchen. „Wir sind nie weggegangen, weil wir mit den Marktfaktoren zufrieden waren und sind“, betonen Gerald Schreiber und Erich Schuster, Gründer und Inhaber der Erlanger defacto-Gruppe, die inzwischen auch eine Niederlassung in Nürnberg unterhält.

Und Datev-Chef Prof. Dieter Kempf, der Nürnberg als Datev-Stadt bezeichnet, kommentiert: „Für uns ist die Verkehrsanbindung durchaus wichtig, d.h. wir halten insbesondere eine gute Anbindung per Flugzeug, aber auch per Bahn an deutsche und europäische Städte für dringend erforderlich.“ In Sachen Personalangebot ist Kempf mit der Region zufrieden: „Datev ist es immer gelungen, Fachpersonal aus anderen Regionen für den Nürnberger Standort zu gewinnen. Deshalb ist für uns ein anspruchsvolles und vielseitiges Angebot für Kultur, Freizeit und Sport wichtig. Sehr gut sind auch die Naherholungsmöglichkeiten in der Region.“ Die Bedeutung der qualifizierten Arbeitskräfte in der Region hebt auch Adolf Wedel hervor, Geschäftführer bei MB Managementservice, der weltweiten Nummer 1 im Kräutertee-Bereich: „Die Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten der Region beurteilen wir als gut und profitieren dabei auch von der Uni Würzburg.“ Andere Faktoren wie das Lohnniveau spielen bei dem Unternehmen in Vestenbergsgreuth keine so bedeutende Rolle.

Anders als für viele traditionelle Produktionsbetriebe, die teilweise weiterhin Personal abbauen, ergeben sich für anspruchsvolle Dienstleister in der Region sogar bereits Probleme, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. „Unser Radius erstreckt sich allerdings über den Raum Mittelfranken hinaus, da wir auch ‚grenznah’ an Oberfranken liegen“, berichten die Geschäftsführer der defacto-Gruppe. Und Christoph Naucke, Pressesprecher der KarstadtQuelle-Versicherungen, die seit Jahren immer neue Mitarbeiter einstellen (so wurden im vergangenen Jahr 119 neue Arbeitsplätze geschaffen), sagt: „Wir finden nur schwer Interessenten, obwohl wir hinsichtlich der Vorbildung keine hohen Ansprüche stellen. Für unser Unternehmen spielt der Marktfaktor Personal eine große Rolle, wir rekrutieren Mitarbeiter aus dem ganzen Einzugsgebiet von Fürth/Nürnberg.“

 Weitere Anstrengungen gefordert
Selbstverständlich sind die Unternehmer nicht wunschlos glücklich, die wichtigsten Forderungen betreffen aber weniger den Standort, sondern vielmehr die Rahmenbedingungen allgemein. Allerdings setzen sie weniger auf die Politik als auf Eigeninitiative. „Wir machen unsere eigene Politik und versuchen mit den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste aus unserem Unternehmen zu machen“, sagen die defacto-Gründer Schreiber und Schuster. Jochen Loos bemängelt u.a. wettbewerbsverzerrende Subventionen sowie die steigende Zahl von Gesetzen und Verordnungen – allen Ankündigungen eines Bürokratieabbaus zum Trotz. Auch Dominik Brokelmann, Vorstandschef der Baiersdorfer Brodos AG, erwartet „von den Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Kammern mehr Freiheiten in allen unternehmerischen Belangen und weniger Bürokratie“.

Daneben bereitet vielen die fränkische Mentalität und Zurückhaltung im Wettbewerb der Wirtschaftsregionen Kopfzerbrechen. So hat Michael Winter vor allem bei der Personalsuche festgestellt, "dass die Attraktivität von Fürth und der Region Mittelfranken leider erst auf den zweiten Blick offensichtlich wird.“ Und Dieter Kempf fordert die Region auf, den Titel Metropolregion  „mit Selbstbewusstsein zu tragen und entsprechend die Bedeutung und die Dynamik, die ihr eigen sind, stärker in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.“ Nach seiner Meinung haben Nürnberg und Mittelfranken bei der Frage, wie der Standort überregional wahrgenommen wird, „Nachholbedarf“. Bernd Rödl bestätigt: "Nach außen hin muss die Metropolregion geschlossen auftreten und eine Marke werden. Denn die hervorragenden Standortfaktoren sind nach wie vor zu wenig bekannt. Aber es liegt eben in dem bescheidenen Charakter der Franken, nicht marktschreierisch aufzutreten.“ Beschwichtigend fügt er hinzu: "Dies macht auch den Reiz der Menschen aus, den wir unbedingt bewahren sollten." 

Autor/in: 
hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2006, Seite 8

 
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