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Weniger ist mehr

28 Vorschläge für die Deregulierung hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vorgelegt.

Die neue Bundesregierung hat sich das Thema Bürokratieabbau auf die Fahne geschrieben. Der Koalitionsvertrag sieht einen „Small Company Act“ vor, der mit Deregulierung und EntbürokratisierDie neue Bundesregierung hat sich das Thema Bürokratieabbau auf die Fahne geschrieben. Der Koalitionsvertrag sieht einen „Small Company Act“ vor, der mit Deregulierung und Entbürokratisierung endlich ernst machen soll. Der DIHK unterstützt dieses Vorhaben. Aufbauend auf den Erfahrungsberichten betroffener Unternehmen hat die IHK-Organi- sation im Bundesrecht 28 besonders gravierende Fälle wirtschaftsschädlicher Regulierung identifiziert.

Diese 28 Vorschläge sind ein Einstieg in die Deregulierung. Wichtig ist es, dass die Bundesregierung einen unumkehrbaren Prozess des Bürokratieabbaus im Rahmen eines Gesamtkonzepts einleitet. Dazu gehören folgende Punkte:

Chefsache Bürokratieabbau
Bürokratieabbau muss als ressortübergreifendes Projekt durchgeführt werden. Nur wenn Bürokratieabbau Chefsache ist, lassen sich Widerstände aus den einzelnen Bundesressorts wirkungsvoll überwinden. Deshalb muss die Bundesregierung einen verantwortlichen „Bundesbeauftragten für Bürokratieabbau“ einsetzen. Es sollte ein sachkundiger Parlamentarier sein. Zugleich sollte er Mitglied des Normenkontrollrats („Bürokratie-Tüv“) sein, den die Bundesregierung aus Unternehmern und bedeutenden Persönlichkeiten bilden will, um bürokratieintensive Gesetzesvorhaben frühzeitig zu stoppen.

Bürokratiekosten senken
Andere machen es den Deutschen bereits vor: Die Niederlande zum Beispiel wollen binnen vier Jahren die administrativen Lasten ihrer Unternehmen um ein Viertel senken. Die Bundesregierung sollte dieses Ziel übernehmen und die Bürokratiekosten der Wirtschaft bis zum Ende der Legislaturperiode um mindestens 25 Prozent zurückfahren. Derzeit wenden die Betriebe 46 Mrd. Euro jährlich für Bürokratie auf – das sind immerhin über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Koalitionsvertrag wird angekündigt, dass bei neuen Gesetzen die Abschätzung von deren Folgen verpflichtend werden soll. Dies sollte möglichst schnell umgesetzt werden.

Mehr Kompetenz für Testregionen
Strittige Vorschläge zum Bürokratieabbau sollten in Testregionen zeitlich befristet ausprobiert werden können – bisher dürfen die drei Regionen (Ostwestfalen-Lippe, Westmecklenburg und Bremen) lediglich Vorschläge erarbeiten. So würde schnell klar, ob sich die erhofften Wachstums- und Beschäftigungsimpulse wirklich einstellen.

Überprüfung von Spezialgesetzen
Spezialgesetze, wie zum Beispiel die Bauabzugssteuer oder Fördergesetze müssen mit einer „Sunset clause“ versehen werden. Das bedeutet, dass solche Regelungen zwingend einer periodischen Überprüfung (nach spätestens acht bis zwölf Jahren) unterzogen werden. Bei Unwirksamkeit oder Unwirtschaftlichkeit müssen sie ohne großen Aufwand wieder abgeschafft werden können bzw. einfach auslaufen.

Aufbewahrungsfristen verkürzen
Der DIHK fordert, die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen auf fünf Jahre zu begrenzen. Im Gegenzug müssen die steuerlichen Betriebsprüfungen näher am Veranlagungsjahr durchgeführt werden. Grund: Nach der Abgabenordnung sind Unternehmen verpflichtet, der Finanzverwaltung zehn Jahre lang die maschinelle Auswertbarkeit von Belegen zu ermöglichen. Für die Unternehmen bedeutet das: Sie müssen während der gesetzlichen Frist nicht nur die Belege, sondern auch veraltete EDV-Anlagen und -Programme sowie sachkundiges Bedienungspersonal vorhalten. Angesichts des rasanten technischen Fortschritts auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung sammeln sich folglich in den Lagerräumen PC-Fossilien an; das Know-how der Mitarbeiter muss mit hohem Aufwand erhalten werden.

Informationspflichten beschränken
Der DIHK fordert die Bundesregierung auf, beim Betriebsübergang die Informationspflichten der Arbeitgeber auf das Ausmaß der einschlägigen EU-Richtlinie zu beschränken. Dazu gehört eine generelle zeitliche Befristung des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer. Denn derzeit besitzen die Arbeitnehmer ein zeitlich unkalkulierbares Widerspruchsrecht und müssen im Übernahmefall umfassender informiert werden, als es die EU vorgibt. Heute gilt: Ein Arbeitnehmer, der feststellt, dass sich seine berufliche Karriere im übernehmenden Betrieb nicht wie geplant entwickelt, muss nur ein Versäumnis bei der Informationspflicht nachweisen. Und schon kann er sein Arbeitsverhältnis noch nach Jahren mit dem ehemaligen Arbeitgeber wieder aufleben lassen.

Ausbildungsordnungen abspecken
Der DIHK fordert, Ausbildungsordnungen in der Regel auf etwa zehn Seiten zu begrenzen. Derzeit ufert der Umfang von Ausbildungsordnungen aus: Für die Ausbildung eines Informatikkaufmanns sind vom Unternehmen mittlerweile 62 Seiten, für den Anlagenmechaniker sogar 72 Seiten zu studieren.

Kompliziertes Formular abschaffen
Der DIHK fordert, das neue, hochkomplizierte Formular zur Einnahme-Überschuss-Rechnung wieder abzuschaffen. Deutsche Kleinunternehmer und Existenzgründer müssen seit 2003 ihrer Steuererklärung eine Gewinnermittlung auf einem komplexen amtlichen Vordruck beifügen. Zuvor war eine formlose Gewinnermittlung möglich. Kleine Unternehmen können das Formular für die Einnahme-Überschuss-Rechnung kaum ohne Unterstützung durch einen Steuerberater fehlerfrei ausfüllen.

Abwasserabgabe streichen
Der DIHK fordert, das Abwasserabgabegesetz ersatzlos zu streichen. Denn die Abgabe erschließt mittlerweile kein technologisches Potenzial mehr, sondern spült nur noch Geld in die öffentlichen Kassen. Berechnungen zeigen, dass ohne die Abgabe die Abwasserpreise für Unternehmen und Haushalte um sieben Prozent sinken könnten.

Die Liste zeigt, dass Bürokratieentlastungen insbesondere im Arbeits- und Sozialrecht sowie Steuerrecht möglich sind. Die Politik schiebt diese für die Unternehmen wichtigen Bereiche nach Erfahrung der IHK-Organisation aber leider häufig vor sich her.

Autor/in: 
Dr. Martin Wansleben / Dr. Axel Nitschke, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2006, Seite 10

 
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