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Knick in der Karriere

Ein Viertel der Azubis wirft vor dem Abschluss ihrer Ausbildung die Flinte ins Korn. Die Gründe sind unterschiedlich.

Noch immer ist die Situation am Ausbildungsstellenmarkt angespannt, und zahlreiche junge Menschen finden nur mit Schwierigkeiten einen Lehrplatz. Doch weiterhin werfen zahlreiche Auszubildende frühzeitig und nach den ersten Komplikationen während der Lehre das Handtuch. Zwar seien die Abbrecherzahlen in den verschiedenen Branchen und Unternehmen stark unterschiedlich, betont Udo Göttemann, Leiter des Fachbereichs Ausbildung bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken, aber die Quote der „vorzeitig gelösten Ausbildungsverhältnisse“ erreicht noch immer rund 25 Prozent.

Auch Klaus Schöngen vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn geht davon aus, dass sich seit der letzten größeren Untersuchung des Phänomens Ausbildungsabbruch wenig geändert hat. Vor allem im Handwerk, aber auch bei Hauswirtschaft und freien Berufen ist die Abbrecherquote überdurchschnittlich, die wenigsten Lehrlinge verlassen im öffentlichen Dienst ihren Ausbildungsplatz.

Nach wie vor geht die Initiative zur Vertragslösung überwiegend von den Auszubildenden aus, nur in knapp einem Drittel der Fälle ging die Initiative vom Ausbildungsbetrieb aus. Die meisten Vertragslösungen vollzogen sich im ersten Ausbildungsjahr, davon wiederum die Hälfte bereits in der Probezeit. Als Gründe gaben die Aussteiger vor allem Konflikte mit Ausbildern oder Betriebsinhabern an, viele hatten sich die Ausbildung anders vorgestellt, schimpften über ungünstige Arbeitszeiten und ausbildungsfremde Tätigkeiten. Für den Ausbildungsmarkt sind die Jugendlichen, die ihre Lehre abbrechen, allerdings nicht verloren. Nach Angaben des BIBB bleiben fast zwei Drittel von ihnen im Ausbildungssystem. Die Hälfte der Aussteiger schließt erfahrungsgemäß einen Ausbildungsvertrag in einem anderen Betrieb ab, einige wechseln in eine Berufsfachschule, beginnen ein Studium oder besuchen zur Verbesserung ihrer Abschlussnoten noch einmal die Schule. Doch mehr als ein Viertel der jährlich rund 150 000 Aussteiger wurde arbeitslos oder verabschiedete sich in eine nicht näher beschriebene Tätigkeit.

Die Gründe für diese Situation sind nach Expertenmeinung vielschichtig. „Wenn junge Leute von der Schule in den Betrieb wechseln, treffen zwei unterschiedliche Welten aufeinander“, meint Göttemann. In den Schulen werden die Jugendlichen auf den Alltag in der Ausbildung nur unzureichend vorbereitet, auch die kurzen Praktika in Ausbildungsbetrieben können daran nicht allzu viel ändern. Während sich die jungen Auszubildenden oft noch als Lernende sehen, erwarten viele Betriebe Einsatz und die Übernahme von Verantwortung. Auszubildende, gerade die älteren unter ihnen, erhoffen häufig zu viel von der Lehre. Und teilweise auch von den Ausbildern, die nicht unbedingt über das pädagogische Wissen verfügen, um Konflikte mit Auszubildenden oder unter Auszubildenden zu lösen.

Viel zu spät, so Göttemann, suchen die Auszubildenden, die oft auch im Elternhaus keine wirkungsvolle Unterstützung in Konfliktsituationen erhalten, den Weg zum Ausbildungsberater: „Schlichtungsgespräche müssen viel frühzeitiger stattfinden und nicht erst dann, wenn es nur noch um Entlassungstermin und Zeugnis geht.“ Auch die Ausbildungsbetriebe nutzen nach seinen Beobachtungen längst nicht alle Möglichkeiten, um gerade leistungsschwachen Auszubildenden in den Anfangsmonaten auf die Sprünge zu helfen. So greifen nur wenige Unternehmen auf die finanziell geförderten ABH-Maßnahmen (ausbildungsbegleitende Hilfsmaßnahmen) der Arbeitsagentur zurück. Gerade leistungsschwächeren Lehrlingen kann damit, häufig in Form von Nachhilfeunterricht, der Einstieg erleichtert werden.

Immer mehr Unternehmen, gerade kleine und mittlere Betriebe, bei denen Konflikte um Auszubildende besonders häufig sind, sollten laut Göttemann bereits bei der Auswahl von Lehrlingen auf die professionelle Unterstützung von Experten zurückgreifen, die die Bewerber auf der Grundlage von detaillierten Anforderungsprofilen testen und auswählen. Auch die IHK wird sich, so Göttemann, künftig stärker in das „Profiling“ und die bessere Bewerberauswahl bei Auszubildenden einschalten. Eine ausreichende Zahl von angebotenen Ausbildungsstellen allein kann nicht ausreichen, wenn weiterhin rund ein Viertel der Azubis wieder aufgeben. Göttemann: „Wenn so viele junge Leute ihre Ausbildung abbrechen, weil sie mit ihrem Ausbildungsbetrieb nicht klar kommen, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass etwas getan werden muss.“

Autor/in: 
hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2006, Seite 22

 
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