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Lieber zu Hause bleiben?

Das novellierte Berufsbildungsgesetz bietet den Auszubildenden die Chance, einen Teil ihrer Lehre im Ausland zu absolvieren. Doch die Nachfrage von Unternehmen und Lehrlingen hält sich noch in Grenzen.

Kurzfristig wird sich wenig daran ändern, dass ein Auslandsaufenthalt nur in seltenen Fällen in Betracht gezogen wird, meint Udo Göttemann, Leiter des IHK-Fachbereichs Ausbildung. Vor allem die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der beruflichen Bildung in den einzelnen Ländern seien dafür verantwortlich, dass bisher nur wenige Azubis internationale Erfahrungen sammeln.

Das deutsche System der dualen Berufsausbildung mit dem regelmäßigen Wechsel zwischen beruflicher Praxis und theoretischem Unterricht in der Berufsschule existiert in dieser Form und diesem Umfang in keinem anderen Land. Wer sich für eine berufliche Ausbildung im Ausland interessiert, betritt in vielerlei Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes Neuland. In den meisten Ländern findet berufliche Ausbildung an Schulen statt, die häufig mit den deutschen Berufsfachschulen oder Fachakademien vergleichbar sind. So vielfältig wie die einzelnen Länder sind auch die Systeme der beruflichen Ausbildung. Auch das Niveau der Ausbildungsgänge kann sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Berufe, die bei uns an einer Berufsfachschule erlernt werden, sind im Ausland über Studiengänge zu erreichen.

Wer eine berufliche Erstausbildung komplett im Ausland absolvieren will, benötigt daher exakte Informationen über das jeweilige Ausbildungssystem und die Ausbildungswege, über den Stellenwert und das Niveau dieser Ausbildung sowie über die Anerkennung dieser Ausbildung in Deutschland. Informationen gibt es beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit, über Fragen der Anerkennung auch bei der IHK.

Europäisches Leonardo-Programm
Immerhin bieten in Mittelfranken einige Unternehmen, die Auslandsniederlassungen unterhalten oder Teil eines internationalen Konzerns sind, die Möglichkeit des Aufenthalts in einer ihrer ausländischen Zweigstellen oder in kooperierenden Unternehmen an. Auch das europäische Leonardo-Programm fördert den Austausch von Auszubildenden und Berufsschülern in mehr als 30 Ländern. Sie haben die Möglichkeit, nicht nur Land und Leute kennen zu lernen und ihre Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, sondern auch zusätzliche berufliche Qualifikationen zu erwerben. Der Auslandsaufenthalt bleibt immer Teil der Ausbildung in Deutschland und wird als solcher anerkannt. Wie der Aufenthalt im Ausland aussieht, kann von Beruf zu Beruf unterschiedlich sein. Junge Schreiner oder Maurer lernen zum Beispiel während eines längeren Auslandsaufenthaltes in Italien neue Verfahren der Restaurationstechnik kennen, andere machen ein Praktikum als Konditor in Frankreich. Je nach Schwerpunkt des Austausches kann ein längerer (drei bis neun Monate) oder ein kurzer (drei bis zwölf Wochen) Aufenthalt in Frage kommen. Allerdings, so Göttemann, ist der Aufwand beträchtlich und hält viele Betriebe davon ab, auf die Fördermittel zurückzugreifen.

Fremdsprachenkenntnisse, die Auszubildende für ihren Beruf benötigen, erwirbt man idealerweise im Umgang mit ausländischen Kollegen bei der gemeinsamen Arbeit. Im Rahmen des Comenius-Programms unterstützt die EU gemeinsame Arbeitsprojekte mit Teilnehmern aus anderen Ländern. Austausch- und Arbeitsprojekte können allerdings nur durch eine berufsbildende Schule, überbetriebliche Ausbildungsstätten oder Bildungseinrichtungen der Wirtschaft, Kammern, Betriebe und Unternehmen beantragt werden. Diese Einrichtungen oder Firmen organisieren dann für eine ganze Gruppe von Jugendlichen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung ein Arbeitsprojekt mit Partnern in anderen europäischen Ländern.

Autor/in: 
hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2006, Seite 23

 
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