Telefon: +49 911 1335-1335

Auch die Kunden nicht "benachteiligen"!

Das neue Gesetz hat nicht nur die Beschäftigten im Blick, sondern will auch alle möglichen Diskriminierungen im privaten Geschäftsverkehr verhindern.

Als hätten Einzelhändler, Vermieter und Gastronomen, kurzum die gesamte Wirtschaft, nicht bereits genug Sorgen: Künftig werden sie bei ihren Dienstleistungen auch noch darauf achten müssen, ihre Kunden aufgrund verschiedener Merkmale (wie zum Beispiel Alter, Rasse, Geschlecht, Religion) nicht zu „benachteiligen“. Das wäre nicht weiter zu beanstanden, wenn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nur sozial verwerfliche Diskriminierungen verbieten würde, die auch ohne gesetzliche Regelung vollkommen unakzeptabel sind. Der Gesetzgeber war aber bemüht, einerseits den mutmaßlich Benachteiligten einen umfassenden Schutz zu gewähren, andererseits aber genügend Ausnahmen zuzulassen, um groteske Ergebnisse zu vermeiden: Natürlich sollen auch weiterhin künftig zum Beispiel gesonderte Öffnungszeiten in Badeanstalten nur für Frauen, bestimmte Altersbegrenzungen in Clubs oder Studentenrabatte erlaubt sein.

Regel-Ausnahme-Labyrinth
Es wurde allerdings ein ausgeprägtes Regel-Ausnahme-Labyrinth mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen errichtet. Speziell bei der Kundenakquisition und bei Änderungen in der Kundenbeziehung (Gewährung von Rabatten, Preiserhöhungen, Änderung von Lieferterminen, Kündigungen etc.) wird es für Unternehmen in vielen Fällen nahezu unmöglich, verlässlich zwischen zulässiger und unzulässiger Benachteiligung zu unterscheiden. Welche Unterscheidungskriterien wird künftig ein Vermieter treffen dürfen? Kann er Alleinerziehende mit Kindern, Personen unter 18 Jahren, verheiratete Paare oder Mieter christlichen Glaubens bei der Wohnungsvergabe bevorzugen? Wo liegen die Grenzen?

Anwendungsbereich unklar
Wenig hilfreich ist, dass das Gesetz das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot größtenteils auf so genannte Massengeschäfte beschränkt. Die gesetzliche Definition, was ein Massengeschäft ist, ist derart ungenau, dass eine präzise Einordnung in den meisten Fällen gar nicht möglich ist. Bei der Vergabe eines Immobilienkredits, der nur nach einer individuellen Risikobeurteilung erfolgt, ist zwar sicherlich ein solches Massengeschäft nicht gegeben. Was ist aber bei Gewährung eines überschaubaren Dispositionskredits oder einer Ratenzahlungsvereinbarung für die Stereo-Anlage? Sind dies noch Individualgeschäfte oder schon Massengeschäfte im Sinne des AGG?

Es wird wahrscheinlich erst nach Jahren der Rechtsprechung einigermaßen klar umrissen sein, was verboten und was erlaubt ist. Neben Spezialregelungen für die Versicherungswirtschaft, für Religionsgemeinschaften und für die Vermietung von Wohnraum erlaubt das Gesetz Unterscheidungen, die „sachlich gerechtfertigt“ sind. Vage Anhaltspunkte sind einigen Regelbeispielen zu entnehmen, die das Gesetz nennt. Hiernach sind Ungleichbehandlungen insbesondere zulässig, wenn sie der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dienen. Oder auch dann, wenn es um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit oder um Gewährung besonderer Vorteile geht.

Drastische Sanktionen
Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot drohen drastische Sanktionen: Der Betroffene kann Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz verlangen. Eine Haftungshöchstgrenze ist nicht vorgesehen. Weigert sich etwa ein Taxiunternehmer, einen Fahrgast wegen seiner Hautfarbe oder seines Alters zu befördern und verpasst der Benachteiligte hierdurch seinen Flug nach Sydney, wäre der Schaden (Hotel, Flug, evtl. entgangenes Geschäft etc.) vollständig zu ersetzen. Zusätzlich könnte Schmerzensgeld fällig werden. Der Unternehmer haftet in diesem Fall auch für das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter.

 Was muss das Unternehmen tun?
Nicht nur die Personalabteilungen und Personalverantwortlichen müssen sich auf die arbeitsrechtlichen Besonderheiten des AGG einstellen. Auch im Vertrieb und in der Kundenbetreuung und -beratung drohen haftungsrechtliche Fallstricke. Mitarbeiter sollten deshalb nicht nur mit Blick auf den innerbetrieblichen Umgang untereinander geschult werden, sondern sie sollten auch sorgfältig über die Umgangspflichten nach dem AGG im Verhältnis zum Kundenkreis unterrichtet werden. Zugegeben: Angesichts der offenen Rechtslage sind präzise Vorgaben in vielen Fällen schwierig. Eine Sensibilisierung für die Thematik wird aber bereits helfen, das Haftungsrisiko zu reduzieren. Flapsige und unbedachte Bemerkungen in Bezug auf die im Gesetz genannten Personengruppen sollten in jedem Fall rund um den Arbeitsplatz tabu sein. Dort, wo Kunden nach festen Auswahlkriterien ausgesucht werden – wie zum Beispiel bei der Vermietung von Wohnraum – sollten Positiv- und Negativlisten gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe überprüft werden.

Um Diskriminierungsvorwürfe zu entkräften, sollten unternehmerische Entscheidungen in erhöhtem Maße dokumentiert werden. Schließlich ist zu empfehlen, auch Verträge, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Zeitungsannoncen und andere Werbeaussagen sorgsam abzufassen. Wer hier Fehler macht und mit seinen Formulierungen gegen das AGG verstößt, läuft Gefahr, durch Abmahnvereine, Antidiskriminierungsverbände und die Konkurrenz abgemahnt zu werden.

Autor/in: 
Dr. Christian Groß, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2006, Seite 12

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick