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Konsequenzen im Arbeitsrecht

Erst im dritten Anlauf und unter Androhung erheblicher Bußgeld-zahlungen aus Brüssel ist das umstrittene Gesetz nun in Kraft. Auf die Unternehmen kommen erhebliche Verpflichtungen zu.

Das AGG verbietet in Arbeit und Beruf jegliche Benachteiligung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität. Bei Verstoß drohen erhebliche Sanktionen. Der Betroffene kann Unterlassung, Schadensersatz und sogar Schmerzensgeld verlangen. Wenn der Arbeitgeber keine Gegenmaßnahmen ergreift, kann er auch seine Arbeitsleistung verweigern.

Das neue Gesetz betrifft alle Arbeitgeber, die Arbeitnehmer beschäftigten oder die Arbeitnehmer einstellen wollen. Um Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf wirksamer als bisher begegnen zu können, wird das gesamte Arbeitsrecht dem AGG unterstellt. Das heißt, Benachteiligungen sind grundsätzlich unzulässig und nur unter den engen, im Gesetz genannten Voraussetzungen ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Gesetz hat hierbei das Ziel, Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen zu schaffen und die Grundlage für ein tolerantes und benachteiligungsfreies Miteinander in der Arbeitswelt zu gewährleisten. Inwieweit dieses Ziel tatsächlich erreicht wird, muss sich in der Praxis erst zeigen.

Folgen nicht nur für die Stellenanzeigen
Unternehmer müssen sämtliche Abläufe im Unternehmen und Betriebsvereinbarungen überprüfen, ob zum Beispiel ungerechtfertigte Altersdifferenzierungen enthalten sind, Teilzeitkräfte und damit mittelbar Frauen ungleich behandelt werden usw. In der Presse stehen vor allem die Anforderungen an Stellenausschreibungen im Fokus des Interesses, dabei hat das AGG über die Stellenausschreibung und Bewerbung weit hinausreichende Folgen. Versteckte „Fallen“ können sich durch das gesamte betriebliche Leben ziehen – von der Einstellung bis zur Kündigung.

Enormer Dokumentationsaufwand
Unternehmen werden durch zusätzlichen Bürokratieaufwand erheblich belastet. Es reicht nicht aus, die Stellenausschreibung und das Bewerbungsgespräch AGG-gerecht durchzuführen, sondern der Unternehmer wird alles dokumentieren und alle Unterlagen mindestens zwei Monate lang ab Zugang des Absageschreibens aufbewahren müssen. Ein vermeintlich Benachteiligter braucht nämlich nur Indizien für seine Benachteiligung zu beweisen, und der Unternehmer muss dann den schwierigen Gegenbeweis antreten, dass er denjenigen nicht benachteiligt hat. Bei Bewerbungsgesprächen sollten vorsichtshalber mindestens zwei Personen die Arbeitgeberseite vertreten, um bei Bedarf Zeugen zu haben.

Was muss der Arbeitgeber tun?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Was dabei „erforderlich“ ist, kann je nach Art und nach Größe des Betriebes unterschiedlich sein. Jedenfalls geht die Verpflichtung des Arbeitgebers nur so weit, wie er rechtlich und tatsächlich dazu in der Lage ist.

Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer für dieses Thema sensibilisieren. Er muss deutlich machen, dass er keinerlei Benachteiligung duldet und jegliche Benachteiligung von Kollegen oder Dritten Konsequenzen und arbeitsrechtliche Sanktionen zur Folge hat. Alle Mitarbeiter, Betriebsrat und vor allem die Führungs- und Personalverantwortlichen im Unternehmen sind entsprechend zu informieren und mit Nachweis zu schulen. Auch bei Neueinstellungen ist es sinnvoll, ebenfalls die Marschroute festzulegen: „Benachteiligung und Belästigung toleriert unser Unternehmen nicht.“ Die Art der Schulung hängt maßgeblich von der Größe des Betriebes ab. Bei kleineren Unternehmen kann sie im Rahmen der Betriebsversammlung durchgeführt werden. Bei größeren Unternehmen bieten sich möglicherweise eher computergestützte Schulungen an.

Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber die Benachteiligung zu unterbinden. Die Gegenmaßnahmen reichen von der Abmahnung über Umsetzung und Versetzung bis zur Kündigung. Die Maßnahmen sind im Gesetz nicht abschließend aufgezählt.

Welche Sofortmaßnahmen sind zu treffen?
Der Arbeitgeber muss im Betrieb, im Unternehmen oder in der Dienststelle eine Beschwerdestelle benennen, an die sich Arbeitnehmer wenden können, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines Diskriminierungsgrundes des AGG benachteiligt fühlen. Diese Beschwerdestelle muss allerdings kein besonderer Beauftragter sein, sondern der Arbeitgeber kann als Beschwerdestelle zum Beispiel auch den Personalchef oder den Betriebsratsvorsitzenden benennen. Es bleibt dem Arbeitgeber unbenommen, eine neue Beschwerdestelle einzurichten, notwendig ist es aber nicht.

Außerdem müssen der Gesetzestext des AGG und Paragraph 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes im Betrieb in gleicher Weise wie alle anderen aushangpflichtigen Gesetze „ausgehängt“ werden. Diese Bekanntmachung kann durch Aushang beispielsweise am Schwarzen Brett oder im Intranet erfolgen. Entscheidend ist, dass sie für die Mitarbeiter zugänglich ist.

Autor/in: 
Hildegard Reppelmund, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2006, Seite 10

 
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