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So läuft die Zeit davon

Digitale und gedruckte Terminplaner strukturieren das heutige Geschäftsleben. Die Grundlagen dafür wurden in Nürnberg gelegt, das im Mittelalter wichtiges Zentrum der Kalendermacher war.

Was heute als alltägliches Produkt erscheint, war einst eine Kunst. Denn wie macht man aus 365,2422 Tagen, in denen die Erde um die Sonne wandert, exakt ein Jahr, das pünktlich um Mitternacht an Silvester beginnt? Wie ordnet man die 29,53059 Tage eines Mondumlaufs zu zwölf Monaten, und wie die 7,38265 Tage einer Mondphase zu Wochen?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Ordnung in das kosmische Durcheinander zu bringen. Die alten Römer maßen die Zeit nach dem Gang des Erdtrabanten. Jeder neue Monat wurde öffentlich ausgerufen – an den Kalenden. Das Problem, dass ein Mondjahr aber nur 354 ein Drittel Tage dauert, die Wintermonate also irgendwann in den Sommer wandern und umgekehrt, konnten die Römer jedoch nicht befriedigend lösen. Unter Julius Cäsar stellten sie darum auf den etwa in Ägypten gebräuchlichen Sonnenkalender um. Der Julianische Kalender war geboren.

Mondkalender der Chinesen
Die Chinesen entschieden sich für einen Mondkalender. Ihre Astronomen schafften es sogar, ihn durch Schaltwochen und -monate in Einklang mit dem Jahreslauf zu bringen. Heute gilt in China zwar offiziell unser westlicher Kalender. Aber Achtung, Geschäftsreisende! Das wichtigste Fest des Jahres wird immer noch nach dem Mondkalender gefeiert. Das chinesische Neujahr findet je nachdem zwischen Mitte Januar und Mitte Februar unserer Zeit statt. Und dann geht im ganzen Land etwa eine Woche lang gar nichts.

Uns macht ja schon Ostern zu schaffen, das von Jahr zu Jahr den Termin wechselt. Während Weihnachten wenigstens immer zum gleichen Datum wiederkehrt - dafür jedes Jahr an einem anderen Wochentag. Tücken der Kalender. Es gab viele Versuche, diese auszumerzen.

Einen Kalender ganz neuer Art entwickelten die Franzosen nach ihrer Revolution. Alles wurde dezimal: Zehn Monate und Wochen zu zehn Tagen. Doch diese Zählung setzte sich nicht durch. Schon kurz nachdem Napoleon sich zum Kaiser krönen ließ und mit dem Vatikan ein Konkordat schloss, kehrte der Sonntag zurück - und bald verschwand der ganze Dezimalkalender.

Gregorianischer Kalender
Eine viel weitreichendere Kalenderreform gab es gut 200 Jahre vorher. Papst Gregor XIII. ließ den julianischen Kalender nachbessern. Die Berechnungen ergaben, dass jener inzwischen schlicht und einfach zehn Tage nachging. „Was geschah zwischen dem 4. und 15. Oktober 1582 in Rom?“ lautet eine beliebte Quizfrage. Antwort: nichts. Der Kalender wurde einfach vorgestellt.

Der Gregorianische Kalender war so gut, dass er bis heute Gültigkeit hat. Doch bis er sich weltweit durchsetzte, sollte es dauern. Schließlich war es ein päpstliches Werk. Und das wollten die Protestanten nicht akzeptieren. In Deutschland wurde erst mehr als 100 Jahre später auch in evangelischen Gegenden die neue Zeitrechnung - als „verbesserter Kalender“ - eingeführt wurde. „Gebt uns unsere elf Tage zurück!“, lautete eine viel zitierte Forderung in England, das erst vom 2. auf den 14. September 1752 den Zeitsprung vollzog. Und in Russland dauerte es sogar bis zur Oktoberrevolution von 1917 – die dadurch nachträglich in den November rutschte.

Kalendermachen blieb also lange eine Kunst. Und das Produkt, das dabei herauskam, war Jahrhunderte lang ein Dauerbrenner. Alle brauchten ihn, viele wollten ihn, nicht jeder bekam ihn. Ein Kalender wurde auch als Gegenstand wertgeschätzt - die edlen in Leder gebundenen Exemplare für den Chefschreibtisch oder die aufwändigen Kunstkalender für die Wand, die heute angeboten werden, sind da nur ein müder Abklatsch.

Kalendermacher in Nürnberg
In Nürnberg wurde diese Kunst besonders gepflegt. Schon im 15. Jahrhundert wurde die Noris in Deutschland die Nummer eins in der Kalenderbranche. Namen wie Friedrich Creussner und Max Ayrer prägten das durch die Erfindung des Buchdrucks möglich gewordene Geschäft. Vor allem aber Regiomontanus, wie sich der Astronom Johannes Müller aus Königsberg in Unterfranken nannte, machte sich einen bleibenden Namen. 1474 erschien sein „Nürnberger Kalender“, gültig für 57 Jahre und 60 Seiten stark, in einer Auflage von 1 000 Stück - für damalige Zeiten ein Mega-Seller. Das Werk war nicht nur in Latein, sondern auch in Deutsch geschrieben - aber doch nur etwas für die gebildeten Stände. Ein größeres Publikum versuchte der „Teutsche Kalender“ zu erreichen, der ab 1481 in Augsburg erschien. Der wollte seinen Lesern allgemein verständlich astronomische, medizinische und meteorologische Kenntnisse vermitteln. Abbildungen, zumeist Holzschnitte, halfen dabei. Der Kalender war nun nicht mehr nur bloßes Zahlenwerk.

Verlässliche Daten zum Jahresablauf brauchten aber vor allem die Bauern. Mit den Bauernkalendern wurde der Jahresplaner zum Allgemeingut. Der „Hundertjährige Kalender“, zusammengestellt aus Wetterbeobachtungen des aus dem oberfränkischen Weismain stammenden Abt des Klosters Langheim, Mauritius Knauer, war ein besonderes erfolgreiches Exemplar dieser Gattung. Edle Wappenkalender waren dagegen prächtige Aushängeschilder der Bessergestellten. Eine wertvolle Sammlung aus drei Jahrhunderten wurde 1806 aus Nürnberg nach München geschafft.

Und die Nürnberger Kalenderbranche war innovativ: Schreibkalender im Quartformat kamen bald hinzu. Und Tageskalender – im Querformat für die Schreibtischschublade. Das älteste erhaltene Exemplar stammt aus dem Jahr 1554. Taschenkalender folgten: Für das Jahr 1700 erschien im Verlag Johann Jonathan Felseckers Erben ein „ganz neu inventirter Schreib- und Sack-Calender“. Auch neue Zielgruppen wurden erschlossen, zum Beispiel die Frauen. Die Idee dazu stammte allerdings von der Konkurrenz aus Zürich. Dort war 1724 zuerst ein „Compendieuser Hand- und Sack-Kalender für das Frauenzimmer“ auf den Markt gekommen. Dennoch blieb Nürnberg im 18. Jahrhundert Hauptdruckort für das deutsche Sprachgebiet. Im 19. Jahrhundert wurde der Kalender schließlich als Werbemittel entdeckt. Der Streit um die Zeit war da inzwischen entschieden: Der gregorianische Kalender hatte – bis auf ein paar Ausnahmen – die Welt erobert.

Autor/in: 
Hans Kurz
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2007, Seite 8

 
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