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Innere Sammlung

Eine spirituelle Facette des Tourismus in der Metropolregion: Erholungsurlaub in einem der Klöster zwischen Bad Staffelstein, Dietfurt, Berching, Münsterschwarzach und Würzburg.

Bayernweit gibt es mehr als 100 Klöster, teilt die deutsche Ordensoberkonferenz in Bonn mit. Ob Augustiner, Benediktiner oder Franziskaner – sie alle öffnen ihre Klosterpforten, um den weltlichen Gästen eine Herberge zu bieten und sie oftmals auch am Klosterleben zu beteiligen. Die Gästezimmer sind zwar eher spartanisch eingerichtet, aber von der Mönchszelle mit Pritsche und Waschschüssel sind die Zimmer doch weit entfernt.

„Laien werden zum Mitleben willkommen geheißen“, weiß Arnulf Salmen, Sprecher der Ordensoberkonferenz. Es gebe eine sehr große Nachfrage, sich mit einem Klosterbesuch „aus dem Alltag zurückzuziehen“, hat Salmen in den letzten Jahren beobachtet.

Dass diese Art der Erholungssuche im Trend liegt, gilt als unbestritten. Auch auf Führungskräfte aus Verwaltung und Wirtschaft, so ist häufig von der klösterlichen Gästebetreuung zu vernehmen, sei der Funke schon übergesprungen. Allerdings kann die Ordensoberkonferenz weder mit bundesweiten noch regionalen Übernachtungszahlen aufwarten. Auch Kerstin Nützel vom Tourismusverband Franken e.V. hat keine genauen Daten, kann aber die wachsende Nachfrage bestätigen.

Für den Erlanger Chef von Schmidt-Training, Werner Schmidt, war sowohl „etwas wie ein Kick dabei“, genauso wie der „Wunsch nach absoluter Ruhe als Gegenpol zum Alltag“. Zum ersten Mal hatte er vor sechs Jahren die Idee, sich auf das Abenteuer Kloster einzulassen. Doch für den früheren Mitarbeiter eines Großkonzerns stand zunächst der Sprung in die Selbstständigkeit an. Anfang dieses Jahres entschied sich der Trainer, der auch mal für seinen „Kick“ mit dem Fahrrad die Alpen überquert, zu einem sechstägigen Schweige-Seminar und reiste ins Dietfurter Meditationshaus, das unter der Regie des Franziskanerordens geführt wird.

Das Meditationshaus St. Franziskus in Dietfurt wurde 1977 eröffnet und gilt als das älteste und zugleich als eines der bekanntesten christlichen „Zen-Klöster“ im deutschsprachigen Raum. Das Meditationshaus, überraschenderweise eingerichtet im fernöstlichen Zen-Stil, hat in seiner Mitte einen akkurat gepflegten Zen-Garten. Das Meditationshaus wurde von den Mönchen aus der Taufe gehoben, um Menschen mit Hilfe fernöstlicher Meditationsformen zu unterstützen, die keinen Zugang mehr zu den Fragen, Antworten und Formen der christlichen Tradition haben. Für den Vikar des Hauses, Pater Johannes, steht das Meditationshaus in guter Tradition zum Ordensgründer Franz von Assisi. Und auch er bestätigt das wachsende Interesse von Unternehmern und Spitzenkräften. Diese würden zunehmend merken, dass „es ohne Sinn im Leben“ nicht funktioniere. Er will die Sinnfrage seiner Kursteilnehmer mit vier Stufen begleiten. Es gelte, Distanz zum Alltag zu gewinnen, seine eigenen Energieressourcen zu entdecken, körperlich „zu heilen und gesund zu werden“ und viertens um eine Art „Erwachen“.

Unternehmer, die kurzzeitig auf „ora statt labora“ setzen, kennt Pater Johannes zur genüge. Viele kämen regelmäßig zweimal im Jahr für einen Wochenkurs. Einer werde sogar von seinen Mitarbeitern mehr oder minder direkt in die Auszeit geschickt: „Jetzt sind Sie wieder reif für das Kloster.“ An Nachfrage mangelt es nicht. 2 000 Gäste melden sich pro Jahr zu einem der Wochenkurse an, man sei immer ausgebucht.

Ob Kurse wie „Qi-Gong nach traditioneller chinesischer Medizin“ in Dietfurt, „Kraft zum Menschsein“ im Kloster Plankstetten oder „Aggression und Spiritualität“ im Würzburger Haus St. Benedikt – allen Angeboten liegt eine gewisse klösterliche Abgeschiedenheit zu Grunde. Für den Besucher Schmidt war die „absolute Ruhe und Stille eine ganz wichtige Erfahrung“, ebenso wie für Andreas Grabenstein, der das Neuendettelsauer Institut für persönlichkeit + ethik leitet. Der Pfarrer war auf der Suche nach Ruhe, um Abstand vom Alltag zu finden und habe das Schweigen und die Stille „unendlich genossen“. In der Stille seien „viele Sachen, nicht nur positive“ hochgekommen.

Ganz ohne Unterhaltungs- oder Animationsprogramm rund um die Uhr und Zerstreuung am Pool ist die Einkehr im Kloster nicht ganz einfach. Es gehöre für Manager zu den „schwierigsten Erfahrungen, sich ohne Radio und Fernsehen in einem fremden Tagesablauf zurechtzufinden und das Handy konsequent ausgeschaltet zu lassen“, betont Salmen. Dieser ungewohnte Freiraum zur Entspannung und zum Nachdenken habe aber auch einen großen Reiz, ergänzt der Kommunikations-Chef des Nürnberger Software-Hauses Datev, Peter Willig, der vor vielen Jahren für eine knappe Woche mit den Mönchen der Benediktinerabtei St. Mauritius in Niederalteich verbrachte. Auch im Rückblick hat er keinen Zweifel: „Es hat sich gelohnt.“ Willig nutzte seine Auszeit, um sich mit den Mönchen, die dort teils nach römischem, teils nach byzantinischem Ritus leben, intensiv auszutauschen. Das Faszinierende sei der Diskurs mit Gesprächspartnern gewesen, die in von der Wirtschaft völlig losgelösten Kategorien denken und einen vollständig anderen Wertekanon haben.

Diese Verbindung zwischen den Prinzipien der Betriebswirtschaft und den „Regeln des heiligen Benedikt“ verbindet im Würzburger Haus St. Benedikt der Pater Anselm Grün, der auch außerhalb der Klostermauern in den Managementblättern gern zitiert wird. Grün hat nicht nur Philosophie, Theologie und Betriebswirtschaft studiert, sondern ist auch wirtschaftlicher Leiter (Cellerar) der Abtei Münsterschwarzach und zudem für das Haus St. Benedikt und weitere 20 Betriebe mit insgesamt mehr als 300 Mitarbeitern verantwortlich. Seit über zehn Jahren gibt er Kurse für Unternehmer und Führungskräfte, die unter den Schlagwörtern „Management by Benedikt“ oder „Benedikt for Management“ bekannt geworden sind. Der Cellerar verbindet die spirituelle Tradition der Benediktiner mit den Erkenntnissen der Psychologie.

Ein wichtiger Ort geistiger Einkehr ist die Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen mit dem berühmten Rokoko-Gnadenaltar mit den 14 heiligen Nothelfern. Der dortige Franziskaner-Konvent besteht aus sechs Brüdern, die sich hauptsächlich der Wallfahrtsseelsorge widmen. Hochbetrieb herrscht in den Sommermonaten überwiegend am Wochenende auch in der Benediktinerabtei Plankstetten bei Berching. Der Klosterladen mit vielen eigenen ökologischen Erzeugnissen aus Backstube, Metzgerei und Käserei sorgt für regen Einkaufsbetrieb, dort finden sich Spezialitäten aus der eigenen Imkerei und Brennerei sowie Produkte aus eigener Viehzucht und Gärtnerei. Daneben zieht die Klosterschänke mit ihrem Biergarten Wochendausflügler an. Zwar wurde die hauseigene Brauerei schon längst aufgegeben, das Plankstettener Öko-Bier mit Gerste oder Dinkel wird heute von der Brauerei Riedenburger hergestellt. Für zusätzliche Frequenz sorgen Fahrradtouristen, die entlang des Main-Donau-Kanals radeln und das klösterliche Gästehaus St. Gregor als preiswerte Übernachtungsmöglichkeit nutzen. Die historischen Wurzeln des Klosters hoch über dem Flusstal liegen im 12. Jahrhundert, aus dieser Gründungszeit stammt der romanische Kirchenbau vor dem barocken Eingangsportal zum Kloster.

Der Klosterkomplex bietet ausreichend Ruhe, „um innehalten zu können“, unterstreicht Schwester Brigitte, die das Gästehaus leitet. Auch Nichtgeistliche können bis auf die Mahlzeiten am Tagesablauf der Benediktiner teilhaben. Etwa am Chorgebet, das der Ordensgründer seinen Brüdern als tägliche Aufgabe mit auf den Weg gegeben hat. Der Tagesablauf: Morgens um 5 Uhr beginnt in der Klosterkirche die Vigil, um 6.25 Uhr die Laudes, dann das Konventamt um 7 Uhr und die Mittagshore um 12 Uhr, es folgen Vesper um 17.30 Uhr und Komplet um 19 Uhr. Die Mönche singen und beten in der Regel auf deutsch, die lateinische Vesper steht an Festtagen und Hochfesten an. Gäste können auf dem Staudenhof, dem landwirtschaftlichen Klostergut mitarbeiten oder die Rückzugsmöglichkeiten im alten Kreuzgang, in der Kapelle oder der Krypta nutzen.

Diese Ruhe bietet auch das Kloster St. Josef im oberpfälzischen Neumarkt, das von den Schwestern vom Göttlichen Erlöser – in Bayern auch Niederbronner Schwestern genannt – betrieben wird. 1920 bestätigte der damalige Bischof von Eichstätt den Schwestern im ehemaligen Kurhaus Wildbad am Fuße der Mariahilf Kirche die Einrichtung. Der Orden hat die Trägerschaft für Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und beherbergt 150 Schwestern, die dort teils ihren Ruhestand verbringen. Das klösterliche Tafelwasser aus dem eigens gebohrten Brunnen gilt aufgrund der dort einmaligen Kombination an Gesteinsschichten als außergewöhnlich rein und enthält viel natürliches Calcium und Magnesium, die im 16. Jahrhundert die Badeeinrichtungen von „Bad Neumarkt“ begründeten. Die heilende Wirkung, so Schwester Hildegardis, sei nicht zu übersehen: Vier Schwestern werden in diesem Jahr 100 Jahre alt, eine Schwester wird ihren 105. Geburtstag feiern können. Die formale Anerkennung als Heilwasser läuft.

Auf dem Gelände wurden zudem ein Gästehaus sowie die öffentliche Bildungseinrichtung der Schwestern, die TGE-Akademie, untergebracht. Hier können Reisende in gepflegten Zimmern einkehren, die Zahl der Übernachtungen lag im vergangenen Jahr bei 4 500 Personen. Tagungs- und Messegäste schätzen zunehmend die klösterliche Ruhe, um in den Tagungsräumen der Akademie geschäftliche Gespräche und Workshops durchzuführen, berichtet Akademieleiter Gundekar Fürsich.

Auch in Nürnberg finden sich zahlreiche historische Spuren klösterlichen Lebens, das bekannteste ist sicherlich der architektonische Kern eines spätmittelalterlichen Kartäuserklosters, der in das Germanische Nationalmuseum integriert wurde. Aktiv ist heute noch der Comboni-Orden, der Interessierte zum Gottesdienst in sein Gostenhofener Wohnhaus einlädt. Der mit drei Geistlichen in Nürnberg vertretene Orden widmet sich im Wesentlichen der Ausbildung zur Mission, erläutert Pater Ellinger.

Die Angebote der Klöster in der Metropolregion für den weltlichen Besucher zur Einkehr oder zum Relaxen werden steigen. Denn sie scheinen eine passende Antwort zu haben im Markt des Kulturtourismus. Zudem erschließen sich Nonnen und Mönche zusätzliche Einnahmen, die sie für den Erhalt ihrer Anlagen dringend benötigen. So sollen in Bayern bis zu drei der derzeit acht Franziskanerklöster geschlossen werden, Dietfurt ist allerdings nicht auf der Streichliste. Neben den knappen Kassen hat aber auch dieser Orden Nachwuchssorgen: Derzeit haben die bayerischen Franziskaner 92 Mitglieder, aber keinen Novizen.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2007, Seite 28

 
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