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Naher Osten

Boom in der Wüste

Für mittelständische Unternehmen aus Bayern gibt es im Nahen Osten mehr als nur Sand, Wind und Öl. Das Programm „Market Access Middle East“ hilft bei der Markterschließung.

Schon die Bezeichnung der Meeresbucht im Nahen Osten, an der für die bayerische Wirtschaft interessante Anrainerstaaten liegen, wirft Fragezeichen auf. Heißt es korrekt „Persischer Golf“ oder „Arabischer Golf“? Die Teilnehmer am Seminar „Doing Business Middle East“, zu dem die IHK Nürnberg für Mittelfranken eingeladen hatte, einigten sich auf die in den arabischen Golf-Anrainerstaaten übliche Bezeichnung: „Arabischer Golf“. Die Vermittlung von praxisrelevantem Wissen über diese Region hat sich die IHK mit einem Programm zur Aufgabe gemacht, das sich an mittelständische Unternehmen aus Bayern mit unter 250 Beschäftigten richtet. Es heißt „Market Access Middle East“ und konzentriert sich u.a. auf Ägypten, Syrien, Katar, Oman und Saudi-Arabien. Weltweit wird „Middle East“ als Boom-Region gehandelt, manche Wirtschaftsexperten sprechen gar schon vom sich ankündigenden „arabischen Zeitalter“ der nächsten Dekade.

Chancen für die bayerische Wirtschaft sind heute schon in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) greifbar. Beide Staaten – speziell Saudi-Arabien – haben es in einem historisch relativ kurzen Zeitraum geschafft, konservative feudale Strukturen mit einer dynamisch voranschreitenden Industrialisierung zu verbinden. In den 1970er Jahren galt Saudi-Arabien noch als Entwicklungsland mit einem Industrieanteil am Bruttosozialprodukt (BSP) von unter einem Prozent, Anfang der 1980er Jahre waren es bereits 26 Prozent. Heute gilt das streng islamische Land aufgrund seiner immensen Währungs- und Devisenreserven aus dem Öl- und Gasgeschäft, die in ein gewaltiges Industrialisierungsprogramm („Economic Cities“) investiert werden, wirtschaftlich als „Oase grenzenloser Möglichkeiten“. Spätestens 2020 will sich Saudi-Arabien aus der Abhängigkeit vom Öl- und Gasexport befreit haben, heißt es im Planungsministerium in Riad.

Dafür braucht es ausländisches Know-how und Kapital, eine noch stärkere Zusammenarbeit mit Deutschland ist deshalb ausdrücklich erwünscht. Die Planwirtschaft (Fünf-Jahres-Planung) muss ausländische Investoren, die in Saudi-Arabien etwas unternehmen wollen, nicht schrecken. „Planwirtschaft“ auf saudi-arabisch kennt marktwirtschaftliche Regeln, Eigentumsvorbehalte sind ein Fremdwort. Im Unterschied zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die bei GmbH-Gründungen darauf bestehen, dass lokale Partner 51 Prozent der Anteile halten.

Vereinigte Arabischen Emirate

Gleichwohl sind auch die Vereinigten Arabischen Emirate ein interessanter Wachstumsmarkt für den bayerischen Mittelstand. Denn die VAE, der einzige Staat in der arabischen Welt mit föderalen Strukturen, haben das Zeitalter nach dem Öl ebenfalls längst fest im Blick. In den 1980er Jahren, als noch 90 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Export von Erdöl kamen, wurden 93 Prozent des anfallenden Erdgases abgefackelt. Das können und wollen sich die erdölproduzierenden Emirate Abu Dhabi, Dubai und Schardschah längst nicht mehr leisten. Auch sie industrialisieren, verarbeiten weiter, investieren in staatliche Gewerbeparks und helfen, den Sieben-Scheichtümer-Verbund als regionales Handels- und Dienstleistungszentrum auszubauen. Kurzfristige Finanzgeschäfte stehen nicht mehr im Vordergrund. Jetzt, wo seit 15 Jahren erstmals in Abu Dhabi wieder die Strompreise steigen, gelten Investitionen wie beispielsweise in das Projekt „Masdar City“ (Solar), das 2016 seiner Bestimmung übergeben werden soll, als lukrative Gewinnanlage. Völlige unternehmerische Freiheit genießen ausländische Unternehmen in Freihandelszonen, die es sowohl in Saudi-Arabien als auch in den VAE gibt. Im „Abu Dhabi Media Ressort“, der ersten VAE-Freihandelszone, sind lokale Partner für ausländische Unternehmen zudem keine staatliche Auflage. Und dass die Freihandelszone wie Ausland im Inland behandelt wird, hat Vorteile: Eine Behörde als Ansprechpartner regelt alles.

Doch auch wenn deutsches Know-how hoch willkommen ist, Bayern einen guten Ruf genießt, deutsche Qualitätsprodukte äußerst beliebt und persönliche Beziehungen oft der Schlüssel für Erfolg sind: Der Markt im Nahen Osten ist für deutsche Unternehmen kein einfacher. Gerade auch weil sich die arabische Geschäftswelt gegenüber dem Westen geöffnet hat. Die Konsequenz: Arabische Geschäftspartner, die in Europa und in den USA studiert haben, sind gut informiert über westliche Preisstrukturen, vergleichen Produktqualitäten in West und Ost und können auch die Leistungskraft mittelständischer Unternehmen in Bayern realistisch einschätzen.

Hemmnisse für Investoren

Zudem kann das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Rechts- und Steuersysteme Probleme verursachen. Zwar gibt es ein Investitionsschutzabkommen zwischen den VAE und Deutschland und ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Saudi-Arabien und Deutschland, das doppelte Besteuerungen auszugleichen versucht. Doch letzteres ist 2008 abgelaufen, und das neue deutsch-saudische Doppelbesteuerungsabkommen wird voraussichtlich bis 2009 rückwirkend gelten. Auch erschweren viele versteckte Gebühren vor Ort die Kalkulationen der Unternehmen. Hinzu kommt, dass in den VAE ausschließlich das Recht der Emirate gilt. Zwar werden keine Einkommens- und Unternehmenssteuern erhoben, aber die Einführung der Mehrwertsteuer wird diskutiert.

Unter dem Strich, und das wurde den Teilnehmern des Seminars „Doing Business Middle East“ deutlich, überwiegen die Chancen für ein Engagement in Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten. Als interessant werden vor allem folgende Geschäftsbereiche angesehen: Erneuerbare Energien (u.a. Solarthermie), Bildung, Gesundheitswesen, Infrastruktur, Luft- und Raumfahrt, Bauwirtschaft, Tourismus, Personen- und Gebäudeschutz, industrielle Produktion sowie ingenieurtechnische Dienstleistungen. Das Förderprojekt „Market Access Middle East“ läuft noch bis 2011 und bietet Hilfe bei der Markterschließung in diesen Bereichen.

 

Autor/in: 
Matthias Metzner
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2010, Seite 16

 
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