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Produkthaftung

Und wer bezahlt das jetzt?

Fehlerhafte Produkte, die Schäden auslösen, können für deren Hersteller existenzbedrohend sein. Wie kann man sich absichern? Von Jörg D. Just, Illustration: Anton Atzenhofer

Umfangreich sind die Haftungsrisiken, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Unzureichende Betriebsabläufe, mangelhafte Produkte und Leistungen oder Fehler der Mitarbeiter können Schäden nach sich ziehen, für die das Unternehmen haftet. Eine wichtige rechtliche Grundlage ist das Produkthaftungsgesetz (ProdHG), demzufolge sich insbesondere dann Haftungsprobleme stellen, wenn Fehler bei Konstruktion, Entwicklung, Produktion und Instruktion gemacht wurden. Bei sehr großen Stückzahlen können selbst wirtschaftlich gesunde Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet sein, wenn Schäden auftreten.

Haftungsrisiken lassen sich nicht vollständig vermeiden, aber durch ein gutes Qualitätsmanagement und einen risikogerechten Versicherungsschutz zumindest kalkulierbar machen. Mit Versicherungen werden sich nie alle möglichen Risiken abdecken lassen. Vielmehr wird es immer Teilbereiche geben, die als unternehmerisches Risiko entweder nicht versicherbar sind oder aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht versichert werden sollen. Der Versicherungsschutz muss immer auf die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sein, weshalb eine genaue Risikoanalyse und ein Überblick über die erhältlichen Versicherungsprodukte unabdingbar sind. Bei dieser Aufgabe kann ein spezialisierter Versicherungsmakler wertvolle Hilfe leisten und dazu beitragen, Kosten zu sparen und das erzielte Betriebsergebnis zu sichern.

Eine moderne Haftpflichtpolice deckt Risiken ab, die sich aus dem Betrieb (Betriebsstättenrisiko) und aus der Lieferung von Erzeugnissen bzw. der Erbringung von Leistungen (Produkthaftpflichtrisiko) ergeben.

Betriebshaftpflichtversicherung

Der Umfang des versicherten Risikos ergibt sich aus der Betriebsbeschreibung, die im Versicherungsvertrag dokumentiert ist und die den kompletten Tätigkeitsbereich des Unternehmens umfassen sollte. In der Regel sind Schäden an fremden Sachen, die sich in der Obhut des Versicherungsnehmers befinden, sowie Schäden an Sachen, die vom Versicherungsnehmer bearbeitet werden, ausgeschlossen. Eine Erweiterung des Versicherungsschutzes ist jedoch durch entsprechende Vereinbarung mit dem Versicherer und gegebenenfalls gegen einen Prämienzuschlag möglich.

Produkthaftpflicht

Die Produkthaftpflicht-Versicherung deckt Schäden ab, die Dritten durch die Lieferung von Erzeugnissen bzw. durch die Erbringung von Leistungen entstehen. Für Personen- und Sachschäden, die durch mangelhafte Erzeugnisse oder Leistungen verursacht werden, besteht – eine gesetzliche Haftung sowie eine korrekte Betriebsbeschreibung vorausgesetzt – vollumfänglicher Versicherungsschutz (Ausschlüsse sind z.B. Lieferungen an die Luftfahrtindustrie oder Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz).

Für Produktvermögensschäden (Schäden, bei denen es sich nicht um Personen- oder Sachschäden handelt) besteht Versicherungsschutz nur im Umfang und Rahmen der jeweils vereinbarten erweiterten Produkthaftpflicht. Ein Beispiel für einen Produktvermögensschaden sind z.B. Aus- und Einbaukosten, die dem Kunden entstehen, weil ihm das versicherte Unternehmen ein mangelhaftes Produkt geliefert hat.

Kein Versicherungsschutz besteht üblicherweise für Schäden, die an dem vom versicherten Unternehmen gelieferten Erzeugnis selbst eintreten. Dies kann zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen führen, da der Lieferant eines Erzeugnisses – ein entsprechendes Verschulden vorausgesetzt – regelmäßig zum Ersatz des Schadens an dem gelieferten Produkt verpflichtet ist. Allerdings kann dieses Risiko, sofern es sich um sogenannte Weiterfresserschäden handelt, durch individuelle Vereinbarung mit dem Versicherer mitversichert werden. Von einem Weiterfresserschaden spricht man, wenn ein einzelnes, klar abgrenzbares Teil eines Gesamterzeugnisses mangelhaft ist und dieser Mangel dann zu einem Schaden an einem bis dahin mangelfreien Teil des Erzeugnisses führt. Kein Weiterfresserschaden liegt dagegen vor, wenn das Erzeugnis von Anfang an als Ganzes mangelhaft war; dann ist auch kein Versicherungsschutz möglich. Das Unternehmen ist in diesem Fall verpflichtet, ein mangelfreies Erzeugnis nachzuliefern. Unternehmen, die komplexe und hochpreisige Produkte vertreiben, sollten daher auf jeden Fall prüfen, ob Weiterfresserschäden am eigenen Produkt denkbar sind und sich gegebenenfalls dagegen versichern.

Erweiterte Produkthaftpflicht

Bei der erweiterten Produkthaftpflicht wird der Versicherungsschutz um einzelne Bausteine ergänzt. Im Einzelnen können folgende Risiken abgedeckt werden:

Schäden aufgrund des Fehlens zugesicherter Eigenschaften: Mit diesem Baustein sind Schadensersatzansprüche an das versicherte Unternehmen versichert, wenn ein Erzeugnis oder eine erbrachte Leistung eine vereinbarte Eigenschaft nicht aufweist. Dieser Baustein nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Zum einen, da hier Personen- und Sachschäden sowie die daraus entstehenden weiteren Schäden versichert werden. Zum anderen, weil hier Versicherungsschutz für Sachverhalte gewährt wird, für die der Versicherungsnehmer aufgrund einer Zusicherung unabhängig von seinem Verschulden einstehen muss. Zu beachten ist aber, dass kein Versicherungsschutz für sogenannte selbstständige Garantien wie z.B. eine garantierte Lebensdauer oder Haltbarkeit gewährt wird.

Schäden durch Verbindung, Vermischung, Verarbeitung: Mit diesem Baustein werden Schäden abgedeckt, die aufgrund der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von ausgelieferten Erzeugnissen mit Produkten Dritter entstehen. Voraussetzung für die Deckung des Schadens durch den Versicherer ist, dass das gelieferte Erzeugnis untrennbar mit einem „fremden“ Produkt verbunden wird.

Weiterverarbeitungs- und -bearbeitungsrisiko: Unter diesem Baustein sind Schadensersatzansprüche Dritter versichert, die mangelhafte Erzeugnisse des Versicherungsnehmers weiterverarbeiten. Im Unterschied zu Schäden durch die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung kommt es dabei nicht zu einer untrennbaren Verbindung mit anderen Produkten.

Aus- und Einbaukosten: Voraussetzung für eine Deckung nach diesem Baustein ist, dass ein mangelhaftes Erzeugnis des Versicherungsnehmers in einem anderen Produkt verbaut wurde. Eine untrennbare Verbindung darf dabei nicht entstanden sein. Eine Erweiterung um den Austausch von Einzelteilen sowie Reparaturen im eingebauten Zustand ist möglich.

Maschinenklausel: Dieser Baustein versichert Schäden Dritter, die entstehen, weil der Versicherungsnehmer fehlerhafte Maschinen oder maschinenähnliche Vorrichtungen geliefert, montiert oder gewartet hat. Diese Klausel gilt auch, wenn es sich um schadhafte Maschinenteile oder Erzeugnisse der Steuer- und Regeltechnik handelt. Ein Beispiel: Die Leistung des versicherten Unternehmens führt dazu, dass dessen Kunde mit den fehlerhaften Maschinen mangelhafte Erzeugnisse produziert. Der Versicherungsschutz kann auf Wunsch auf Schäden ausgeweitet werden, die durch die weitere Verwendung dieser produzierten mangelhaften Erzeugnisse auftreten.

Prüf- und Sortierkosten: Dieses Element deckt Kosten ab, die Dritten bei der Überprüfung von Produkten entstehen, in die Leistungen oder Produkte des versicherten Unternehmens eingeflossen sind. Wichtig dabei ist, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass die zu überprüfenden Produkte tatsächlich mangelhaft sein könnten. Dies muss durch ausreichende Stichproben oder ähnliche Maßnahmen vorab festgestellt werden. Stellt sich heraus, dass das zu prüfende Produkt tatsächlich mangelhaft ist, muss ein Sachverhalt der erweiterten Produkthaftpflicht vorliegen (z.B. Verarbeitung, Weiterverarbeitung, Einbau usw. eines Erzeugnisses des Versicherungsnehmers). Nur dann besteht ein Versicherungsschutz. Nicht versichert ist die Überprüfung von Erzeugnissen, die noch nicht verbunden, vermischt, weiterverarbeitet, eingebaut usw. sind. Das gilt z.B. für Lagerbestände. Die Überprüfung muss also im eingebauten Zustand erfolgen, Aus- und Einbaukosten werden im Rahmen der Prüf- und Sortierkostendeckung nicht ersetzt.

Neben den genannten Möglichkeiten, Risiken über die Betriebs- und die erweiterte Produkthaftpflicht abzudecken, gibt es immer Wege, individuelle Versicherungslösungen mit dem Versicherer zu vereinbaren. Bei der Entwicklung eines individuellen Haftpflicht-Versicherungskonzepts sind darüber hinaus insbesondere auch die Haftungsrisiken im Bereich Rückrufkosten sowie der Umweltrisiken zu bedenken. In jedem Fall ist eine regelmäßige Prüfung des eigenen Versicherungsbedarfs sowie des vorhandenen Versicherungsschutzes zu empfehlen. Denn Schaden macht zwar klug, sollte jedoch das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens nicht gefährden.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2010, Seite 28

 
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