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Handelsvertreter

Maßarbeit im Vertrieb

Die Tätigkeit der Handelsvertreter hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Sie sind nicht nur Verkäufer, sondern übernehmen anspruchsvolle Dienstleistungen für ihre Kunden.

"Wie stellen Sie sich einen typischen Handelsvertreter vor?" – Würde man diese Frage Passanten in der Fußgängerzone stellen, käme in den Antworten ganz sicher der Mann mit dem Musterkoffer vor, der an einer Tür klingelt. Dieses Klischee kennt Norbert Wolff zur Genüge: Der Jurist leitet seit 15 Jahren die Geschäftsstelle Nordbayern des bayerischen Wirtschaftsverbandes für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH). Mit der Wirklichkeit haben solche Vorstellungen kaum mehr zu tun, aber Norbert Wolff ist es schon gewohnt, dass er schiefe Bilder in den Köpfen zurechtrücken muss.

Die erste Lektion lautet dabei: Endkunden gehören explizit nicht zur Zielgruppe der Handelsvertreter. Als selbstständige Unternehmen vermitteln Handelsvertretungen in nahezu allen Branchen zwischen Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen, beispielsweise zwischen Hersteller und Einzelhandel oder zwischen Industrieunternehmen. Handelsvertreter sind als rechtlich selbstständige "Distributionsorgane“ ihre eigenen Herren, aber vertraglich an ihren Auftraggeber, den sogenannten Prinzipal, gebunden.

Neben Einzelhandel und Großhandel gehört die Handelsvermittlung zu den drei klassischen Bereichen des Handels und spielt in der deutschen Wirtschaft eine wichtige Rolle als Bindeglied zwischen den Marktstufen. Der Wert der vermittelten Waren beläuft sich auf rund 175 Mrd. Euro; das heißt, fast ein Drittel der inländischen Warenströme läuft über Handelsvertretungen, von denen im Bereich der IHK Nürnberg für Mittelfranken fast 4 000 aktiv sind.

Ihre Tätigkeit hat sich in den letzten zehn Jahren drastisch verändert, so die Einschätzung des CDH-Geschäftsführers: "Handelsvertretungen befassen sich schon längst nicht mehr nur mit bloßer Warenvermittlung.“ Zu dieser Kernleistung gehöre inzwischen ein Paket von Dienstleistungen rund um den Vertrieb. Neben Information und Beratung zählen dazu auch Auslieferungslager, Musterlager, Repräsentation bei Messen und Ausstellungen, Regalpflege, Logistik, Kundenschulungen, Rechnungsstellung und Zahlungsüberwachung. Dass Handelsvertreter immer mehr in die Rolle des Komplettdienstleisters schlüpfen, ist auf den verstärkten Trend zum Outsourcing zurückzuführen. Beispielsweise übernehmen Vertriebsingenieursbüros im Maschinen- und Anlagenbau sogar Planungsleistungen für ihre Kunden.

Modernes Kundenmanagement

Als "Relationship Manager“ kennen Handelsvertreter beide Seiten des Marktes und entwickeln wie Seismografen ein Gespür für neue Trends. In dieser Funktion spielen sie für Unternehmen eine unverzichtbare Rolle, wie Dr. Udo Raab, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Standortpolitik und Unternehmensförderung, feststellt: "Die Handelsvertretung als modernes Kundenmanagement gewinnt umso mehr an Bedeutung, je stärker sich die Industrie auf ihre Kernkompetenzen beschränkt und Vertriebsthemen ausgliedert.“

Ihre Rolle als "Relationship-Manager“, Trendforscher und Vertriebsspezialist in Personalunion macht den Berufsstand des Handelsvertreters auch im Internet-Zeitalter unverzichtbar. Die einfache Vermittlung zwischen Anbieter A und Nachfrager B mag eine gut programmierte Datenbank vielleicht zustande bringen, aber die Markt- und Produktkenntnisse eines Handelsvertreters vermag sie nicht zu ersetzen.

In den letzten Jahren haben sich nicht nur die Inhalte des Berufsbilds verändert, sondern auch die Strukturen und das Tempo der Arbeit. Michael Rambach, Vizepräsident des CDH Bayern und Mitglied der Vollversammlung der IHK Nürnberg für Mittelfranken, ist seit 20 Jahren als Handelsvertreter aktiv. "Heute ist unsere Arbeit breiter gefächert und wesentlich komplexer geworden“, erklärt Rambach, der Küchenhersteller und Anbieter von Software für Küchen- und Wohnraumplanung vertritt. Moderne Kommunikationsmittel wie E-Mail und Smartphones haben den Rhythmus der Arbeitswoche neu getaktet: "Früher war man in der Regel vier Tage unterwegs und einen Tag im Büro. Heute kommt es viel stärker darauf an, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.“ Diese Entwicklung schaffe mehr Freiräume, andererseits fördere sie die Erwartung der Kunden und Prinzipale nach der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit "ihres“ Handelsvertreters.

Erfolgsfaktoren

In der Regel haben Handelsvertreter die ersten Schritte ihrer Berufslaufbahn als Angestellte im Vertrieb gemacht, ehe sie in die Selbstständigkeit durchstarten. Dann sind vor allem drei Faktoren entscheidend für den Erfolg, wie Norbert Wolff meint: Verkaufstalent, eine gute Vertretung und unternehmerisches Denken. "Sind diese Voraussetzungen erfüllt, läuft es in der Regel glänzend.“ Unterstützung bekommen Handelsvertreter in spe durch den CDH, der zum Beispiel regelmäßig auf Gründermessen präsent ist. Eine weitere Anlaufstelle sind die Seminare für Existenzgründer der IHK Akademie Mittelfranken, die in acht Modulen die wichtigsten Kenntnisse für den Start in die Selbstständigkeit vermitteln. "Auch wenn das Seminarkonzept branchenübergreifend ist, können wir in diesem Rahmen auf die individuellen Anliegen der Teilnehmer eingehen“, betont Jochen Raschke, Leiter des IHK-Fachbereichs Weiterbildung. Deshalb haben bereits viele angehende Handelsvertreter dieses Angebot genutzt.

Vertragsgestaltung

Eine wichtige Anlaufstelle für fachspezifische Fragen von Handelsvertretern ist der CDH. Seinen über 1 650 Mitgliedern in Bayern bietet der Verband zum Beispiel den Service kostenloser juristischer Beratung. "Die Vertragsgestaltung ist ein sehr komplexes Thema mit vielen Fußangeln, die Laien häufig zu spät erkennen", erklärt Norbert Wolff. Der Geschäftsführer des CDH Nordbayern hat als Syndikus jahrzehntelange Erfahrung in der Materie des Handelsvertreterrechts und vertritt Handelsvertreter auch vor Gericht. Häufig geht es bei diesen juristischen Auseinandersetzungen um die sogenannte Ausgleichszahlung (siehe Artikel "Ausgleichende Gerechtigkeit"). Ein weiteres Angebot für Handelsvertreter ist die Internet-Plattform des Verbandes (www.handelsvertreter.de), auf der Handelsvertreter Kontakte zu Unternehmen knüpfen können und umgekehrt.

Gerade ausländische Unternehmen entdecken Deutschland derzeit (wieder) als attraktiven Markt. Für ihre ersten Gehversuche auf diesem Terrain setzen viele auf das Know-how von Handelsvertretern, so die Erfahrung von Michael Rambach. Er empfiehlt seinen Kollegen deshalb auch dringend mehrsprachige Websites, um von der anziehenden Auslandsnachfrage zu profitieren.

Auch die Handelsvertreter spüren den Aufschwung, wie die aktuelle CDH-Konjunkturumfrage auf Bundesebene zeigt: Etwa neun Prozent der Betriebe bezeichnen ihre Geschäftslage als "sehr gut"; im Frühjahr waren es nur 3,6 Prozent. Der Anteil der Befragten, die ihre Geschäftslage als "gut" einschätzen, stieg von rund 31 auf 43 Prozent. Ein ähnliches Bild zeichnete die IHK-Konjunkturanalyse im Herbst 2010: Sie ist von Optimismus geprägt und lässt erwarten, dass die Geschäfte der Handelsvertretungen in den nächsten Monaten sehr gut laufen.

Autor/in: 
Andrea Wiedemann
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2011, Seite 12

 
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