Telefon: +49 911 1335-1335

Handelsvertreterrecht

Ausgleichende Gerechtigkeit

Auch Handelsvertreter, die nur sogenannte Einmalprovisionen erhielten, können jetzt einen Ausgleichsanspruch geltend machen. Von Norbert Wolff

Wenn ein Vertrag zwischen einem Handelsvertreter und einem Unternehmen endet, gibt es oft Konfliktpotenzial. Denn der Handelsvertreter hat während seiner Tätigkeit einen Kundenstamm aufgebaut, von dem der bisherige Geschäftspartner weiterhin profitiert. Die grundlegende Frage lautet: Wie ist dieser Nutzen nach dem Ende des Handelsvertretervertrages zu vergüten? Die Grundlagen dieses Ausgleichsanspruchs wurden mit der Novellierung des sogenannten Ausgleichsparagrafen 89b HGB (Handelsgesetzbuch) am 5. August 2009 neu geregelt. Damit hat der deutsche Gesetzgeber den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Rechnung getragen.

Dieser hatte nämlich in einer Entscheidung vom 26. März 2009 die in Deutschland übliche Praxis kritisiert, dass die Provisionsverluste, die ein Handelsvertreter durch die Beendigung seines Vertrages erleidet, grundsätzlich dessen Ausgleichsanspruch begrenzen. Die Richter bestätigten damit die Auffassung, die in der Fachliteratur schon über Jahre hinweg einhellige Meinung war: Der deutsche Gesetzgeber habe die EU-Richtlinie 86/653/EWG vom 18. Dezember 1986 nicht ordnungsgemäß umgesetzt und die Latte für die Ausgleichsberechtigung des Handelsvertreters zu hoch gelegt. Provisionsverluste sind nun also nicht mehr in § 89b Abs. 1 HGB als Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch aufgeführt. Weil Provisionsverluste mit der Novelle zum bloßen Billigkeitsmerkmal herabgestuft wurden, können jetzt auch Handelsvertreter ausgleichsberechtigt sein, die während ihrer Tätigkeit nur sogenannte Einmalprovisionen erhielten.

Die Gesetzesänderung, die vielfach noch nicht zur Kenntnis genommen wurde, ist daher in den Bereichen, in denen diese Einmalprovisionen häufig vorkommen, von großer Bedeutung. Das gilt beispielsweise bei Anzeigenvertretern, Absatzmittlern von Strombezugsquellen, TV- und Internet-Diensten sowie Software-Wartungsverträgen. Selbst wenn vertraglich vereinbart wäre, dass ein Geschäft nur einmal zu verprovisionieren ist und keine Folgeprovisionen in der Zukunft beansprucht werden können, kann der betreffende Handelsvertreter jetzt grundsätzlich ausgleichsberechtigt sein.

Über ein Jahr nach der Gesetzesänderung war aber noch nicht geklärt, ob auch die Methode der Ausgleichsberechnung, wie sie in Deutschland seit Jahrzehnten mit einer gewissen mathematischen Scheingenauigkeit vorgenommen wird, dadurch beeinflusst wird. In einem Urteil vom 25. Juni 2010 (Aktenzeichen I-16 U1 91/09) hat nun das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) ausdrücklich klargestellt, was der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 13. Januar 2010 bereits erwähnte: Die Berechnung des Ausgleichsanspruches kann weiterhin wie bisher vorgenommen werden – und zwar mittels einer Zukunftsprognose anhand der Provisionen, die der Handelsvertreter mit dem von ihm geworbenen Kunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat. Das OLG Düsseldorf stellt zudem ausdrücklich fest: Auch in Fällen, in denen der Handelsvertreter beispielsweise für seine Akquisitionstätigkeit nur sehr geringe Provisionen oder auch nur eine Einmalprovision erhalten hat, sind Ausgleichsansprüche nicht von vorneherein ausgeschlossen. Sie können vielmehr gegeben sein, wenn der Unternehmer vom Abschluss solcher Verträge mit den geworbenen Kunden über Jahre hinaus erhebliche Vorteile erzielt.

Dieser Richterspruch ist daher aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung. Zum einen stellt das OLG fest, dass der Ausgleich wie bisher be- und gerechnet werden kann. Zum anderen hebt das Gericht hervor, dass auch Einmalprovisions-Vertreter ausgleichsberechtigt sind. Kurzum: Es gibt keinen Paradigmenwechsel bei der Methode, aber eine Erweiterung der Ausgleichsberechtigung für eine ganze Reihe von Handelsvertretern, die bisher wegen der unzureichenden Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland außen vor geblieben waren.

Externer Kontakt: Rechtsanwalt Norbert Wolff ist Geschäftsführer der Geschäftsstelle Nürnberg des CDH Bayern (norbert.wolff@bayern.cdh.de, www.bayern.cdh.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2011, Seite 14

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick