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Messe-Geschichte(n)

Glück im Spiel

Die Spielwarenmesse legte die Grundlage dafür, dass Nürnberg heute zu den führenden Messeplätzen Europas gehört.

Nürnberg besitzt als Zentrum der deutschen Spielwarenindustrie den ersten Anspruch auf den Sitz einer Spielwarenmesse.“ Diese Meinung wurde bereits 1912 auf der bayerischen Gewerbeschau in München vertreten, dennoch blieb bis 1949 Leipzig die Gastgeberin der Spielwarenmesse. 1950 fand im Wieselerhaus in der Schoppershofstraße 82 die erste Spielwarenmesse in Nürnberg statt: 351 Aussteller teilten sich 1 800 Quadratmeter auf drei Etagen und zwei Baracken im Hof. Das Wirtschaftswunder ließ das Interesse der Aussteller viel schneller wachsen als die Standflächen. Die Platznot lindern sollte die 1953 eröffnete Messehalle am Berliner Platz, deren Bauherrin die im Jahr zuvor gegründete Messehallen GmbH mit den Gesellschaftern Spielwarenmesse und Stadt Nürnberg war.

Spielwarenmesse wird international

An der „9. Internationalen Spielwarenmesse“ 1958 nahmen bereits 830 Aussteller teil, darunter 60 aus dem Ausland. Diese Premiere kam auf Druck des damaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard zustande. Er hatte den Verantwortlichen der „Deutsche Spielwaren Fachmesse“ – so die Bezeichnung bis 1957 – mit einem persönlichen Boykott gedroht, falls ausländischen Ausstellern weiterhin die Zulassung verwehrt bleiben sollte. Die Internationalisierung wirkte als Katalysator für das Wachstum der Spielwarenmesse. Zwar vergrößerten zahlreiche Zubauten die Ausstellungsflächen rund um den Berliner Platz bis 1970 auf 42 000 Quadratmeter, aber dennoch ging es eng zu während der Spielwarenmesse. Ende der 1960-er Jahre stand die Stadt vor der Entscheidung, ob sie für eine Erweiterung der Messe Teile des Stadtparks opfern oder ein völlig neues Areal suchen sollte, das anders als die Innenstadt-Randlage in Schoppershof eine Option auf Zuwachs bot.

Grundstückssuche

Mehrere Grundstücke kamen damals infrage, zum Beispiel der Wetzendorfer Espan, am Marienberg oder die Zeppelinwiese. Das Rennen machte das Areal an der Münchener Straße: Es war mit seiner Fläche von 375 000 Quadratmetern auf Expansion angelegt, verfügte über Freiflächen und Parkplätze und konnte außerdem mit dem U-Bahn-Anschluss punkten. Dieser Neubau war heiß umstritten: „Das war eine der risikoreichsten Entscheidungen für Nürnberg“, erinnert sich Alt-Bürgermeister Willy Prölß an das intensive Ringen. Schließlich setzten sich die seine Befürworter des Neubaus durch. Neben Prölß kämpften damals Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter, Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni und Afag-Gründer Helmuth Könicke vehement für das Projekt und wurden dabei auch vom bayerischen Wirtschaftsminister Anton Jaumann unterstützt.

In 15 Monaten wurden im ersten Bauabschnitt für eine Investitionssumme von 140 Mio. DM zehn Hallen mit einer Ausstellungsfläche von 61 000 Quadratmetern errichtet. Das Grundstück im Wert von 24,1 Mio. DM bekam die Stadt Nürnberg vom Freistaat Bayern zur Verfügung gestellt. Mit der Spielwarenmesse 1973 ging das neue Messezentrum provisorisch in Betrieb, an manchen Stellen tropfte noch das Regenwasser durch die Hallendächer.

Organisatorische Umstrukturierung

1974 wurde als Nachfolgerin der Messehallen GmbH die NMA Nürnberger Messe- und Ausstellungsgesellschaft gegründet, die heute als NürnbergMesse GmbH firmiert. Nachdem die Spielwarenmesse aus der Messehallen GmbH ausgestiegen war, verblieb die Stadt Nürnberg zunächst als Alleingesellschafterin der NMA. Nach der Devise ihres damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Otto Steiff – „Es ist besser ein guter Mieter zu bleiben als ein schlechter Gesellschafter“ – blieb die Spielwarenmesse eG der Nürnberger Messe jedoch durch langjährige Mietverträge und Zuschüsse zu den Baukosten eng verbunden. 1991 wurde der Freistaat Bayern Gesellschafter – mit 40 Mio. DM „frischen“ Geldes als Einstand. Heute halten die Stadt Nürnberg und der Freistaat Bayern jeweils 49,967 Prozent, die IHK Nürnberg für Mittelfranken sowie die Handwerkskammer für Mittelfranken je 0,033 Prozent der Gesellschafteranteile.

Die Anfänge in Langwasser lehrten die Nürnberger Messe jedoch eine harte Lektion: Neue Messehallen allein machen erstens noch kein Konzept und wollen zweitens auch außerhalb der Spielwarenmesse gefüllt sein. Der Start des Newcomers unter den deutschen Messeplätzen verlief nicht gerade beschwingt: Das Geschäftsjahr 1974 wies einen Umsatz von fünf Mio. DM aus bei einem Bilanzverlust von zwölf Mio. DM. Noch wartete man vergeblich auf den „Zustrom an neuen Messen“ in die Noris. Die Schwierigkeit für die NürnbergMesse bestand darin, ein Programm für Eigenveranstaltungen zu entwickeln und gleichzeitig zusätzliche Veranstaltungen nach Nürnberg zu holen. Hinzu kam die Herausforderung einer Doppelrolle – als aktive Durchführungsgesellschaft einerseits und als zuverlässiger Partner für Veranstalter von Gastmessen andererseits. Schon damals war der Messeplatz Nürnberg von einer „polyzentrischen Struktur“ geprägt, wie die NürnbergMesse in ihrer Broschüre zum 20. Jubiläum schreibt: Die Spielwarenmesse eG zeichnet für das „Flaggschiff“ des Messeplatzes verantwortlich, die Afag für zahlreiche Verbrauchermessen.

Weltleitmessen in Nürnberg

Der NürnbergMesse ist es unter diesen Bedingungen dennoch gelungen, sich ein eigenes Profil zu erarbeiten und zahlreiche Fach- und Leitmessen nach Langwasser zu holen. Den Anfang machte 1975 die IWA Internationale Fachmesse für Jagd- und Sportwaffen. Inzwischen umfasst das Portfolio der NürnbergMesse rund 120 internationale Fachmessen und Kongresse. Heute setzt die Gesellschaft über 200 Mio. Euro um und zählt zu den 20 größten Messegesellschaften der Welt und zu den Top Ten in Europa.

Die Expansion der letzten vier Jahrzehnte hat allerdings dazu geführt, dass die Raumnot auch in Langwasser zu einem Dauerthema geriet. Seit der Eröffnung 1973 ist die Ausstellungsfläche von 61 000 auf 160 000 Quadratmeter gewachsen. Spektakuläre Ergänzungs- oder Umbauten – etwa die Frankenhalle 1984, der Westflügel mit dem Kongresszentrum CCN West 1997, die Halle 7A im Jahr 2000 und zuletzt die „Neue Mitte“ – haben das heutige Gesicht des Messezentrums gestaltet.

Verbrauchermessen

In die Messehallen strömen nicht nur Fachbesucher, sondern auch „Normalsterbliche“ aus Nordbayern. Seine Popularität in der Region verdankt das Messezentrum maßgeblich den Verbraucherausstellungen, die hier dank der Afag (Arbeitsgemeinschaft für Messen und Ausstellungen GmbH) eine lange Tradition haben. Die „Consumenta“ ist seit Jahrzehnten ein Besuchermagnet, der alle Jahre wieder im Spätherbst rund 150 000 Zuschauer anzieht. Unter dem Namen „Nürnberger Herbstausstellung – die Einkaufstasche“ hatte sie 1952 Premiere. Das Konzept stammt von Afag-Gründer Helmuth Könicke, unter dessen Regie sich die Gesellschaft zu einem der führenden privaten Messeveranstalter in Deutschland entwickelte. Heute wird die Afag von Heiko und Hermann Könicke geleitet, den Söhnen des Firmengründers. Die Afag hat die Entwicklung des Messestandorts Nürnberg wesentlich vorangetrieben. Als einer der wichtigsten Kunden der NürnbergMesse führt sie im Messezentrum neben der Consumenta mit der Erfindermesse Iena und der Faszination Pferd die Freizeit Messe durch.

Autor/in: 
Andrea Wiedemann
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2011, Seite 30

 
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