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Tagungs-Hotels

Was erwarten die Gäste?

In Nürnberg fehlen Kapazitäten für Tagungen. Außerdem müssen die Hotels mehr bieten als einen ansprechenden Versammlungsraum.

Fast jede zweite Kongress-Anfrage endet in Nürnberg mit einer Absage.“ Dieses Defizit hat Prof. Dr. Michael-Thaddäus Schreiber, Chef des Europäischen Instituts für TagungsWirtschaft (EITW), bei einer Untersuchung ausgemacht. Aus der Studie „Der Kongress- und Veranstaltungsmarkt Nürnberg“ geht hervor, dass dem Tagungsstandort Nürnberg Kapazitäten fehlen und dass hauptsächlich aus diesem Grund Tagungen in anderen Städten abgehalten werden. Während das Angebot für kleinere Tagungen bis 250 Teilnehmer gut abgedeckt werden kann, klafft im Segment 500 bis 1 000 Personen eine Lücke.

Diese Erkenntnis dürfte ein Anreiz sein, um weitere Tagungshotels in Nürnberg anzusiedeln. So könnten die Grundig-Twin Towers, die einen Steinwurf vom Nürnberger Messeareal entfernt als Hotel wiederbelebt werden sollen, durch eine ebenerdige Verbindung künftig einen Tagungssaal für 1 000 Teilnehmer bieten. Nach wie vor nicht vom Tisch ist zudem der Hotel-Tower auf der Nordwestseite des Messeareals, das bereits als architektonische Besonderheit mit 113 Metern geplant war – es fehlt bislang allerdings ein internationaler Investor. Aber auch das halbrunde Gebäude am Bahnhofsplatz oder das wbg-Areal am Ende der Großen Straße gelten als Favoriten für einen Hotelneubau.

Denn ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt, dass sich der Nürnberger Tagungs- und Kongressmarkt als eigenständiger Wirtschaftszweig etabliert. Laut Studie fanden in Nürnberg 2009 rund 26 000 Veranstaltungen statt, an denen circa 1,3 Mio. Kongress- und Tagungsbesucher teilnahmen. Die Veranstaltungsgäste sorgten insgesamt für einen Umsatz von rund 480 Mio. Euro.

Der größte Teil der Ausgaben fließt in Gastronomie und Hotels, danach folgen Transportkosten. Der Einzelhandel partizipiert mit rund 46 Mio. Euro Umsatz. Vom Tagungsmarkt Nürnberg könnten rein rechnerisch 10 600 Personen ihren Lebensunterhalt in Höhe eines durchschnittlichen Nürnberger Einkommens bestreiten. Prof. Schreiber: „Schon heute zählt Nürnberg zu den Top-Drei-Veranstaltungsdestinationen in Deutschland. Aus Sicht der Befragten, davon die Hälfte Bestandskunden, lautet das Ranking: Berlin – Nürnberg – München. Nürnberg hat das Potenzial für die Champions-League.“

Vom Tagungstrend in der Noris profitiert auch das CCN CongressCenter Nürnberg, ein Geschäftsbereich der NürnbergMesse. Hier verdoppelte sich der Umsatz seit 2004 von 5,4 Mio. Euro auf elf Mio. Euro im Jahr 2010. „Das CongressCenter Nürnberg hat sich in den letzten Jahren einen Spitzenplatz in Deutschland erarbeitet – vor allem mit großen Kongressen“, sagte CCN-Chef Friedhelm Lenz, einer der Väter der Kongress-Initiative Nürnberg. Von Seiten der Stadt wurde für ein intensiveres Kongress-Marketing ein „Convention Sales Manager“ bei der Congress- und Tourismus-Zentrale eingestellt.

Das künftige Potenzial wird auch aus der Veranstalterbefragung der Studie deutlich. Demnach halten drei Viertel das Angebot an Veranstaltungsstätten in Nürnberg „für ausbaufähig“. Und immerhin die Hälfte stuft das Angebot an Hotelbetrieben als „absolut wettbewerbsfähig“ ein. Denn anders als ein Messegast verweilt ein Tagungs- und Kongressbesucher schon einmal drei bis vier Tage in der Stadt und gibt etwa dreimal mehr Geld aus.

Darauf muss sich auch die Hotellerie einstellen. „Kongressbesucher lieben es, etwas von der Stadt zu sehen, einzukaufen und das kulturelle Angebot der Stadt zu nutzen“, unterstreicht CCN-Sprecher Geoffrey Glaser. „Dafür wird vermehrt interkulturelle Kompetenz und Mehrsprachigkeit erwartet“, ergänzt Frank-Ulrich John vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband. „Eine internationale Branche wie die Hotellerie braucht internationale Mitarbeiter.“

John rät den Häusern, sich mindestens nach dem 1 bis 5 Sterne-System klassifizieren zu lassen. Bislang seien erst knapp 20 Prozent der bayerischen Hotels mit einem Klassifizierungsgrad ausgestattet. Aber kaum ein größerer Tagungsveranstalter verzichtet auf diese objektiv messbare Ausstattung des Veranstaltungsortes.

Als zweites empfiehlt der Verbandsvertreter, sich nach dem dreistufigen System „ServiceQualität Deutschland“ zertifizieren zu lassen. „Mit geschulten Service-Coaches soll man die Abläufe im Haus aus Kundensicht überprüfen.“ Drittens kann sich eine Tagungsherberge mit individuellen Noten profilieren: Neben der Sprachkompetenz kann das eine Gourmetküche sein, ein „Wahnsinns-Wellenessbereich“ oder ausgearbeitete Jogging-Routen. „Jedes gute Haus muss seinen eigenen Stil entwickeln“, sagt John und denkt dabei auch an eine Spezialisierung auf die Anforderungen arabischer oder jüdischer Gäste, die zum Tagen nach Nürnberg kommen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2011, Seite 56

 
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