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Industrie 4.0

Der menschliche Faktor

Business © Robert Churchill/Thinkstock

Die Einbindung des Personals in die digitalisierte Produktion.

Die Automatisierung verändert das Personalwesen. Personenbezogene Daten werden stärker in der Produktion erfasst und verarbeitet.

Große Hoffnungen werden in die „Industrie 4.0“ gesetzt, also in die umfassende Digitalisierung und Vernetzung der Produktionsabläufe. Sie erfasst die gesamte Wertschöpfungskette und damit auch die Zulieferer und die Kunden. Angesichts der Begeisterung über die technischen Chancen geraten aber oft der Faktor Mensch und die Veränderungen von personenbezogenen Prozessen in den Hintergrund. Das ist ein Fehler, denn die Vernetzung bedeutet vielmehr, dass die Mitarbeiter noch exakter als bisher in den Fertigungsprozess integriert werden müssen. Nur so sind rasche Entscheidungen vor Ort in der Produktion möglich.

Das Personalmanagement in vielen Betrieben ist nicht darauf eingestellt, weil personenbezogene Prozesse und Daten traditionellerweise meist zentral bearbeitet werden. Die Herausforderung liegt darin, diese Personalprozesse zu dezentralisieren und weitgehend auf die Fertigungsmitarbeiter zu übertragen. Das gilt insbesondere für die Erfassung aller Daten, die direkt die Mitarbeiter betreffen und die für die Berechnung von Fertigungskapazitäten unverzichtbar sind. Einige Beispiele:

  • Kommen- und Gehen-Buchungen: Gemeint sind hier nicht nur Buchungen, die den Zugang zum Fertigungsstandort betreffen, sondern auch die Arbeit an den Fertigungsinseln (sogenannte Betriebsdatenerfassung BDE).
  • Beantragung von An- und Abwesenheit: einfache, direkte und zeitnahe Erfassung an „Erfassungsinseln“ vor Ort in der Fertigung (z.B. Urlaubsantrag, Feiertags- oder Mehrarbeit)
  • Erfassung von Zutritts- und Zonenberechtigungen

Die Erfassung kann in der Produktion durch die Mitarbeiter selbst über Tablets oder Kiosksysteme erfolgen. Sie ermöglichen es auch, dem Mitarbeiter personalisierte Reportings dezentral zur Verfügung zu stellen. So können beispielsweise Zeitnachweise oder Verdienstübersichten vom Mitarbeiter direkt eingesehen oder ausgedruckt werden, er muss sie nicht mehr über die Personalabteilung abrufen.

Vom Zeit- zum Leistungslohn

Industrie 4.0 bedeutet auch, dass die Produktionsstandorte international vernetzt werden. Löhne werden nicht mehr wie bisher in den nationalen Personalabrechnungssystemen, sondern direkt in den globalen, internationalen Fertigungssystemen berechnet und erst danach an die jeweiligen Personalabrechnungssysteme übermittelt. In Deutschland ist der Trend in den letzten Jahrzehnten vom Einzelakkord über den Gruppenakkord bzw. die Gruppenprämie hin zum Zeitlohn gegangen. Durch Industrie 4.0 dürfte sich diese Entwicklung wieder umkehren und zu einer leistungsbezogenen Bezahlung gehen, vor allem wenn Standorte in anderen Ländern mit einbezogen sind.

Der zentrale Ausgangspunkt eines Leistungslohns ist der Leistungsgrad (erbrachte Leistung dividiert durch die dafür eingesetzte Zeit). Unter Industrie 4.0 werden alle Einflussfaktoren, die zur Berechnung benötigt werden, maschinell ermittelt. Die erbrachte Leistung wird entweder automatisch aus den Fertigungsrückmeldungen ermittelt bzw. manuell und dezentral durch die Produktionsmitarbeiter bzw. die Teamassistenz erfasst (sogenannte Gemeinkostenerfassungen). Die eingesetzte Zeit wird automatisch aus den Ist-Zeiten (Zutrittskontrollsysteme auf Ebene Fertigungsstandort oder Fertigungsinseln) und Abwesenheiten erhoben. Hierbei sind auch Faktoren relevant, die durch die Verleihung von Mitarbeitern innerhalb der Fertigungsbereiche oder -standorte entstehen. Mit diesen automatisierten Datengrundlagen wird der Leistungslohn unter Berücksichtigung von werksspezifischen Betriebsvereinbarungen berechnet und ausbezahlt. In Fertigungsstrukturen gemäß Industrie 4.0 kann eine Berechnung durchgeführt werden, die auf die Besonderheiten eines jeden Werks bzw. eines jeden Landes ausgerichtet ist und die teilweise komplexen Betriebsvereinbarungen abbildet. Wichtiger Nebeneffekt dieser automatisierten und sehr strukturierten Vorgehensweise: Die Mitarbeiter in Fertigungscontrolling und -steuerung haben mehr Informationen zur Verfügung und können damit schnell auf Veränderungen in der Produktion reagieren.

Die Personaleinsatzplanung (in der Fertigung oft Schichtplaner genannt) ist in den meisten Fertigungen eine Insellösung, d.h. Personaldaten (Sollkapazitäten, Arbeitszeitpläne, Abwesenheiten, Vertretungen etc.) werden isoliert vom übrigen automatisierten Fertigungsprozess abgebildet. Unter Industrie 4.0 ist es aber zwingend nötig, dass die Personaleinsatzplanung als integraler Baustein in den Fertigungsprozess eingebunden ist. Die beschriebenen personenbezogenen Daten werden mit den Produktionsdaten (Arbeitsplan) zusammengeführt, sodass sich die zu einer bestimmten Zeit mögliche Produktionskapazität berechnen lässt. Diese „Kann-Kapazität“ ist eine wesentliche Basis für die weitere Produktionsplanung.

Planung der Kapazitäten

Grundlage für eine Kapazitätsbetrachtung ist die Zuordnung des Mitarbeiters zu einem bestimmten Arbeitsplatz sowie die Berechnung seiner „möglichen“ Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitszeitmodelle (insbesondere die Verwendung von betriebs- und arbeitszeitrechtlichen Parametern wie z.B. Ruhezeiten zwischen Arbeitsschichten). Damit wird eine flexible Fertigungsplanung möglich, in die auch eventuell vorhandene externe Ressourcen vor Ort oder eine parallele Fertigung an einem anderen Fertigungsstandort einfließen können.

Produktionsbetriebe, die auf Industrie 4.0 setzen, dürfen sich also nicht auf die „Informatisierung“ der Fertigungstechnik beschränken, sondern müssen diese auch auf die Mitarbeiter in der Produktion und auf deren Daten übertragen. Die Dezentralisierung der Personalprozesse eröffnet dem Personalmanagement die Möglichkeit, sich künftig intensiver auf die wichtigen Aufgaben Ressourcen-Management und Beschaffung von qualifiziertem Personal sowie auf weitere strategische Aufgaben zu konzentrieren. Dies führt in Zeiten umfassender Automatisierung zu deutlich höherer Effizienz und Effektivität und entwickelt sich zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil.

Autor/in: 

Thomas Schwarz ist Geschäftsführer der PROC-IT GmbH in Fürth, die Unternehmen u.a. auf den Feldern Geschäftsprozesse, Personalmanagement und Business Intelligence berät (thomas.schwarz@proc-it.com, www.proc-it.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2015, Seite 40

 
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