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Unternehmensbewertung

Genau genommen

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Mit welchen Verfahren lässt sich der Wert eines Unternehmens auf nachvollziehbare Weise ermitteln?

Bewertungsfragen gehören zu den schwierigsten betriebswirtschaftlichen Themenkomplexen. Denn die Anlässe für eine Bewertung sind zahlreich und vielschichtig: Sie kann notwendig werden bei der klassischen Unternehmensnachfolge, bei Kauf oder Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen, bei Umstrukturierungen (z.B. Unternehmenszusammenschlüsse, Ausgliederungen oder Abspaltungen) sowie beim Ein- oder Austritt von Gesellschaftern. Vor allem wenn es um Fragen der Erbschafts-, Schenkungs- und Ertragssteuer geht, wird bei kleinen und mittleren Unternehmen immer häufiger eine Bewertung durch einen Gutachter nötig. Sie ist auch bei bilanziellen Fragestellungen erforderlich – beispielsweise um einen Unternehmenskauf korrekt in der Bilanz abzubilden oder um den Wert von Beteiligungen und des Geschäfts- oder Firmenwerts in der Bilanz richtig zu erfassen. In jüngster Zeit gewinnen Angemessenheitsprüfungen von Transaktionen – insbesondere von Kauf- bzw. Verkaufspreisen – an Bedeutung (sogenannte „Fairness Opinion“).

Die Schwierigkeit bei der Bewertung: Obwohl es den eindeutigen Unternehmenswert in der Praxis nicht gibt, muss er doch oft durch eine feste monetäre Größe ausgedrückt werden. Und dabei gibt es ganz unterschiedliche Sichtweisen: Während Unternehmer, die ihr Unternehmen verkaufen wollen, auch die Arbeit sehen, die sie in das Unternehmen investiert haben, denkt der Erwerber daran, was er mit dem Unternehmen in Zukunft erwirtschaften und wie er den Kaufpreis finanzieren kann. Beide kommen daher häufig zu unterschiedlichen Wertvorstellungen. Der Preis für Unternehmen und Unternehmensanteile bildet sich auf freien Kapitalmärkten aus Angebot und Nachfrage. Er wird wesentlich von der Nutzenschätzung der jeweiligen Käufer und Verkäufer bestimmt und kann je nach dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sowie den Einflussmöglichkeiten der Unternehmenseigner auf die Unternehmenspolitik mehr oder weniger stark vom Wert des gesamten Unternehmens abweichen.

Gerade bei der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen können sich Besonderheiten ergeben, wie z.B. bei der Ermittlung der sogenannten übertragbaren Ertragskraft. Im Gegensatz zu großen Unternehmen verfügen Mittelständler oft nicht über ein von den Unternehmenseignern weitgehend unabhängiges Management, sodass der unternehmerischen Fähigkeit der Eigentümer erhebliche Bedeutung zukommt. Außerdem überschneiden sich häufig die betriebliche und die private Sphäre (z.B. Mitarbeit von Familienmitgliedern im Betrieb, die nicht zu marktüblichen Konditionen vergütet wird). Auch die eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten aufgrund fehlenden Zugangs zum Kapitalmarkt sowie die beschränkt aussagefähige Rechnungslegung ohne geprüfte Jahresabschlüsse machen die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen nicht einfacher. Wenn also ein objektiver Unternehmenswert ermittelt werden soll, muss auf folgende drei Aspekte ein besonderes Augenmerk gelegt werden: Abgrenzung des Bewertungsobjekts, Zuverlässigkeit der vorhandenen Daten sowie Bestimmung der übertragbaren Ertragskraft.

Das richtige Vorgehen

Eine rechtlich verbindliche Vorgehensweise für die Unternehmensbewertung existiert nicht. Wissenschaft und Praxis haben daher unterschiedliche Methoden entwickelt, um den Unternehmenswert zu ermitteln. Jedes Verfahren kann nur Anhaltspunkte für die Ermittlung eines Wertes und damit des Preises geben. Zuerst ist zu klären, was Anlass und Gegenstand der Bewertung sind. Davon hängt u.a. ab, welche Aspekte zu beachten sind, welche Informationen erforderlich sind und welche Bewertungsmethode zum Einsatz kommt. Zum Beispiel wird man zur Ermittlung des Unternehmenswertes für einen Börsengang auf eine viel detailliertere Datenbasis zurückgreifen als für die Ermittlung des Unternehmenswertes eines kleinen Betriebes. Dafür wird man bei dessen Bewertung stärker beachten, wie der den Betrieb prägende Eigentümer in den Unternehmenswert einfließt. Oftmals kommen auch mehrere Bewertungsmethoden zum Einsatz, um den ermittelten Unternehmenswert plausibel zu machen.

Anlass der Bewertung

Wichtig für die Bewertung ist also ihr Anlass. Nehmen wir beispielsweise den Austritt aus einer Gesellschaft: Oft gibt es hier Regelungen im Gesellschaftsvertrag, wie der Wert ermittelt werden soll. Wenn jedoch, wie in der Vergangenheit häufig geschehen, eine Abfindung gemäß dem Buchwert vereinbart wurde, kann der Ausscheidende heute dagegen vor Gericht vorgehen, sofern dies zu seiner Benachteiligung führen würde. Dann würde die Bewertung im Gerichtsverfahren vorgenommen und sich an der Berechnung des Ertragswerts orientieren, die an den Bewertungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer angelehnt ist.

Im Falle einer Schenkung verhält es sich jedoch wieder anders: Sofern der Unternehmenswert nicht durch einen Börsen- oder Marktpreis bestimmt werden kann und wenn es in zeitlicher Nähe keine vergleichbaren Verkäufe unter fremden Dritten gab, die eine Bewertung ermöglichen würden, wird der Wert meist durch ein Ertragswertverfahren bestimmt. Als Wertuntergrenze gilt hierbei der Substanzwert – also die Geldsumme, die mindestens aufgewendet werden müsste, um ein gleichwertiges Unternehmen zu errichten.

Wahl des geeigneten Verfahrens

In der Regel werden Ertragswert- oder das Discounted-Cash-Flow-Verfahren verwendet. Maßgebend ist seit Jahren das Ertragswertverfahren, das vom Institut der Wirtschaftsprüfer in dem Standardwerk „IDW -S1: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ beschrieben wird. Bei Unternehmensverkäufen sind Multiplikatorverfahren beliebt: Vereinfacht gesagt wird der Unternehmenswert als Produkt aus einer Erlös- oder Ertragsgröße – z.B. Umsatz, Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) oder Jahresüberschuss – und einem darauf anzuwendenden Faktor ermittelt.

Bei steuerlichen Bewertungsanlässen werden teilweise zusätzliche Verfahren angewendet. Hier wird oft der Substanzwert als untere Grenze des Unternehmenswertes angewendet. Anders als der Liquidationswert wird der Substanzwert grundsätzlich nicht um die Kosten der Schließung oder Liquidation gemindert, sondern es wird auf eine Fortführung des Unternehmens abgestellt. In Einzelfällen wird der Unternehmenswert auch aus Börsenwerten oder zeitnahen Verkäufen von Anteilen unter fremden Dritten abgeleitet.

Substanzwert nicht vergessen

Wenn der Unternehmenswert aus steuerlichen Gründen ermittelt wird, legt die Finanzverwaltung zumeist einen sehr hohen Substanzwert fest, der nicht durch Liquidationskosten oder andere Kosten belastet wird. Dies ist nicht nur bei Schenkungen oder sonstigen unentgeltlichen Übertragungen wichtig. Denn selbst wenn Entgelte bei Transaktionen zwischen nahestehenden Personen oder auch fremden Dritten gezahlt werden, vermutet das Finanzamt bisweilen, dass es sich in Wirklichkeit um eine Teilschenkung handeln könnte und setzt deshalb entsprechende Schenkungssteuer fest.

Viele Unternehmer versuchen zunächst, ihr Unternehmen selbst zu bewerten. Ob das ratsam ist, kommt natürlich auf den Bewertungsanlass an, jedoch ist ein externer Spezialist oft objektiver und erfahrener. Der Unternehmensbewerter behält auch den Überblick über alle Vorgänge, die mit der Bewertung und dem Bewertungsanlass im Zusammenhang stehen. Denn neben der eigentlichen, oft umfangreichen Bewertung ergeben sich je nach Anlass weitere wichtige Themen. Zum Beispiel ist bei Unternehmenskäufen die rechtliche und wirtschaftliche Situation beider Seiten zu prüfen. Ebenso gehört die Gestaltung der Kaufverträge in professionelle Hand, damit bei der Geltendmachung von Garantien oder dem Ausschluss von Haftungen keine bösen Überraschungen drohen.

Der von der Deutschen Bundesbank ermittelte Basiszinssatz für das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Bewertung von Unternehmen liegt im Jahr 2015 bei 0,99  Prozent. Im Jahr 2014 lag dieser noch bei 2,59  Prozent. Der Rückgang orientiert sich an der Zinsentwicklung für langfristige Staatsanleihen. Das vereinfachte Ertragswertverfahren dient insbesondere der Ermittlung der Unternehmenswerte für die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Unternehmenswerte werden errechnet, indem die Betriebsergebnisse, die durchschnittlich in den letzten drei Jahren erzielt wurden, mit einem Vervielfältiger multipliziert werden. Der Vervielfältiger leitet sich aus dem Basiszins und einem Risikozuschlag von 4,5  Prozentpunkten ab. Die Reduzierung des Basiszinssatzes auf 0,99  Prozent hat zur Folge, dass der genannte Vervielfältiger auf rund 18,2 steigt, nach ca. 14,1 im Jahr 2014. Folglich erhöhen sich die entsprechend errechneten Unternehmenswerte um ca. 29  Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Einschaltung eines Gutachters

In Literatur und Praxis wird vielfach kritisiert, dass dieses pauschale Ermittlungsverfahren zu überhöhten Unternehmenswerten und damit auch zu überhöhten Erbschafts- bzw. Schenkungssteuern führt. Dementsprechend ist die Erstellung von Unternehmensbewertungen durch einen Gutachter empfehlenswert, die in vielen Fällen niedrigere Werte ergibt. Diese können als Nachweis dafür dienen, dass die Ergebnisse des vereinfachten Ertragswertverfahrens offensichtlich unzutreffend sind. Auf diese Weise lässt sich die Belastung mit Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer verringern.

Autor/in: 

Dr. Stefan Lütke ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner der Nürnberger Steuerberatungsgesellschaft HLB Dr. Stürzenhofecker, Hacker und Dr. Hußmann (stefan.luetke@shh.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2015, Seite 16

 
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