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Produktsicherheit

Heraus aus der Gefahrenzone

Rettung Rettungsring Sicherheit Notfall © FreshPaint - ThinkstockPhotos

Wenn Betriebe für Produktmängel haften müssen, kann das schnell zum Ruin führen. Wie kann man Vorsorge treffen?

Im Prinzip ist alles klar, wenn es um die Produktsicherheit und um die CE-Kennzeichnung geht – davon ist Dr. Elfriede Eberl, die zuständige Expertin vom IHK-Geschäftsbereich Innovation | Umwelt, überzeugt. Egal, ob Toaster, Holzbausteine oder Fahrradhelme: Die Richtlinien der EU und die Entsprechungen in deutschen Gesetzen wie z.B. im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), Medizinproduktegesetz oder Energieverbrauchs-Kennzeichungsgesetz regeln eindeutig die Anforderungen an Hersteller und Inverkehrbringer.

Dennoch kommt es immer wieder zu Rückrufaktionen, wenn zum Beispiel von einem Toaster eine Lebensgefahr durch Stromschlag ausgeht. Auch der Bericht „Gefährliche Produkte 2014“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Produktsicherheit zeigt, dass es noch immer Handlungsbedarf gibt. So wurden zuletzt 203 Meldungen aus Deutschland über gefährliche Produkte ausgewertet, die dem ProdSG unterliegen. Sie flossen in das EU-weite Schnellwarnsystem Rapex (Rapid Exchange = Schneller Informationsaustausch) ein, das alle gefährlichen Konsumgüter erfasst. Ausgenommen sind lediglich Nahrungs- und Arzneimittel sowie medizinische Geräte.

Die seit Jahren kontinuierlich auf 203 gestiegenen Meldungen geben zahlenmäßig keinen Grund zur Entwarnung, denn manche der beanstandeten Produkte kommen in Stückzahlen von zehn- oder hunderttausend oder mehr auf den Markt. Registriert wurden z.B. sieben Verstöße gegen die 1. Produktsicherheitsverordnung (ProdSV) für den Bereich Niederspannung. Sie betrafen fünf LED-Leuchten, ein Elektrohaushaltsgerät und ein elektrisches Spielzeug. Von ihnen ging die Gefahr eines elektrischen Schlages aus, so das BAuA. Knapp ein Drittel der gefährlichen Produkte entfällt auf das Herstellerland China, auf Platz zwei rangieren Produkte aus Deutschland (14 Prozent), gefolgt von den USA (13 Prozent). EU-weit wurde über das 2004 eingeführte Rapex-System rund 2 400 Mal z.B. vor giftigem Spielzeug, Kinderbekleidung mit Strangulationsgefahr oder fehlerhaften Autos gewarnt.

Insgesamt konstatiert Eberl den Unternehmen „große Bemühungen, Produkte rechtskonform sicher zu machen“. Das wurde vor Kurzem auch durch das große Interesse am IHK-Fachforum „Produktsicherheit“ deutlich, zu dem 125 Teilnehmer gekommen waren und das einen Beitrag dazu leisten sollte, den Umgang mit EU-Richtlinien in den Betrieben zu professionalisieren. Immerhin gibt es in diesem Bereich über 30 EU-Richtlinien, die Hersteller und Inverkehrbringer betreffen. Etwa zu Niederspannungsgeräten, die sich zuhauf in privaten und gewerblichen Räumen wiederfinden. Oder die aktualisierte Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, die in Deutschland durch die Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung – 9. ProdSV), eine von insgesamt 14 Verordnungen, in nationales Recht umgesetzt wurde.

Einen Pfad in den Gesetzesdschungel schlug Steffen Wolf vom Bayerischen Verbraucherschutzministerium, Referat für Technischen Verbraucherschutz und Marktüberwachung. Das ProdSG gelte, wenn im Rahmen einer Geschäftstätigkeit Produkte auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder erstmals verwendet werden. Damit ist zwar der gelegentliche, private Verkauf nicht erfasst, aber alle Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt werden. „Auf dem Markt bereitgestellt“ schließt jede Form der entgeltlichen oder unentgeltlichen Abgabe eines Produkts ein. Egal, ob es sich um einen Fön oder einen Bagger handelt – dem ProdSG gemäß ist zu prüfen, ob es sich um europäisch harmonisierte Produkte oder nicht harmonisierte, national geregelte Produkte handelt. Zusätzlich sind für Verbraucherprodukte Informationen über Risiken und die Kontaktdaten des Herstellers anzugeben.

CE-Kennzeichen

Das CE-Zeichen bezeichnete Wolf als „Reisepass“ für Produkte in Europa. Es zeigt für definierte Produkte, dass die wesentlichen Sicherheitsanforderungen der entsprechenden EU-Richtlinien in den Phasen Entwurf, Fertigung, Inverkehrbringen und Inbetriebnahme eingehalten wurden. Mit der CE-Kennzeichnung erklärt der Hersteller somit die „Richtlinienkonformität“. In über 30 Richtlinien ist die CE-Kennzeichnung vorgesehen, etwa in der Maschinen-Richtlinie, der Ökodesign-Richtlinie oder der Richtlinie zur Elektromagnetischen Verträglichkeit. Selbst für Bauteile oder eine Produktkomponente ist als Ausnahme ein CE-Zeichen anzubringen, wenn es sich um ein Sicherheitsbauteil oder um Zubehör direkt für den Verkauf an Endverbraucher handelt. Dieser „Vertrauensvorschuss an die Eigenverantwortlichkeit der Hersteller“ wird durch die Marktüberwachung der Länder kontrolliert. Die Verantwortung für die CE-Kennzeichnung liegt beim Hersteller. Wer tatsächlich im Unternehmen über die Anwendung der Richtlinien entscheidet und die Risikoanalyse und -bewertung vornimmt, ist im Prinzip gleichgültig. „Unterschreiben muss immer der Chef oder der Prokurist“, warnt Wolf vor einem sorglosen Vorgehen. Diese Verantwortung lasse sich nicht einfach delegieren.

Das ProdSG gilt auch bei Geräten oder Maschinen, die für den Eigengebrauch konstruiert und gebaut wurden, ergänzte Stefan Rost von der Nürnberger TÜV Rheinland Consulting GmbH. Diese Maschinen benötigen ebenfalls das CE-Zeichen und damit den gesamten Dokumentationsprozess inklusive Risikobewertung und Anleitung sowie die Konformitätserklärung. Gerade mit Blick auf die maschinenbaustarke Wirtschaftsregion Nürnberg machte Rost deutlich, dass dies nicht nur für eigene Sondermaschinen gilt, sondern auch für vorhandene Produktionsgeräte, die massiv umgebaut sind – das mache den Weiterentwickler  zum Hersteller.

Importprodukte

Tücken bei der Kennzeichnung lauern auch, wenn der Hersteller nicht in der EU ansässig ist. Dann sind Name und Anschrift des sogenannten Inverkehrbringers in der EU zwingend notwendig. In der Praxis haftet zuerst der Importeur, auch wenn der wiederum versuchen kann, sich beim Hersteller beispielsweise in Fernost schadlos zu halten, wenn dieser als Hersteller auf dem Produkt genannt wird. Sogar bei Werbegeschenken vom Kugelschreiber bis zum USB-Stick, die in der Regel nur mit dem Name des Werbenden gebrandet sind, wird der „Werber zum Hersteller“.

Rost wies darauf hin, dass im Prozess der Konformitätsbewertung auch externe Prüflabore hinzugezogen werden können. Diese könnten mit der Recherche über Normen und Produktanforderungen beauftragt werden und auch die Prüfungen durchführen. Die Prüfberichte können als Teil der technischen Dokumentation eingesetzt werden. Hersteller sollten aber bei einer Beauftragung genau darauf achten, welche Prüfungen durchgeführt werden. Darüber hinaus können Prüflabore zusätzliche Prüfzeichen, wie das GS-Zeichen für Geprüfte Sicherheit, erstellen. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise geforderte „Kunden- oder Marktanforderungen“ erfüllen und eine unabhängige Prüfung nach außen dokumentieren.

Überwachung

Die Marktüberwachung ist beim Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Mittelfranken angesiedelt. Seit Jahresbeginn ist das dortige Dezernat 4 nicht nur für die Marktüberwachung nach dem Produktsicherheitsgesetz in Mittelfranken, sondern auch in den Regierungsbezirken Unterfranken, Oberfranken und die Oberpfalz zuständig. Dezernats-Mitarbeiter Gunter Schmidt zieht etwa Feuerzeuge aus dem Verkehr, bei denen der Spielzeugcharakter dominiert. Oder er prüft nach Hinweisen Dritter, ob von einem billigen Beil eine Gefahr ausgeht. Außerdem ist das Dezernat 4 alljährlich auf der Spielwarenmesse „beratend und informierend“ tätig, denn EU-weit führen Spielzeugprodukte das Negativ-Ranking von Rapex mit mehr als einem Viertel aller Warnungen an.

In den vergangenen drei Jahren wurden jährlich rund 1 100 Produkte bei Herstellern, Händlern oder Importeuren in Mittelfranken beanstandet. Am häufigsten fielen Verbraucherprodukte wie Laser-Pointer oder Handwerkzeuge auf, für die es keine Richtlinie gibt, aber auch elektrische Betriebsmittel sowie Spielzeug. Fast die Hälfte der beanstandeten Produkte wies Sicherheitsmängel auf, die ein mehr oder weniger großes Sicherheitsrisiko für die Verbraucher darstellten. An jedem zehnten Produkt wurden sogar gravierendere Mängel festgestellt. Die anderen Beanstandungen betrafen nichtkonforme Produkte, die beispielsweise formale Mängel (z.B. fehlende oder unzureichende Kennzeichnung) hatten, von denen aber keine Gefahr für die Verbraucher ausging.

Insgesamt bezeichnet IHK-Expertin Elfriede Eberl die Themen Produktsicherheit und CE-Kennzeichnung als „Daueraufgabe“, die gerade die teils hoch spezialisierten kleinen und mittleren Unternehmen im Sondermaschinenbau besonders fordere. Zumal es zu den Unternehmerpflichten gehöre, auch permanent die Änderungen im Blick zu haben. Wie beispielsweise die Neuauflage der EU-Ökodesign-Richtlinie für energieverbrauchende und energieverbrauchsrelevante Produkte, die im September 2015 in Kraft tritt. Viel Neues kommt im April 2016: Die acht neuen Richtlinien mit den betroffenen Produktbereichen sind bereits seit einem Jahr veröffentlicht. Darin ist auch die Pflicht zur Durchführung und Dokumentation einer umfassenden Risikoanalyse und Risikobewertung im Rahmen der Erstellung der technischen Unterlagen aufgenommen. „Das Thema ist nicht sexy“, weiß Eberl, aber man dürfe es trotzdem nicht vernachlässigen. In manchen Fällen könne ein Rückruf mit Bußgeld für ein kleines Unternehmen das Ende bedeuten.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2015, Seite 12

 
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