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Insolvenzrecht

Unter dem Schirm

Schirm © ThinkstockPhotos_Eyecandy Images

Die Insolvenz muss nicht das Ende sein: Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren eröffnen die Chance auf eine Sanierung der Firma. Von Alexander Raab

Ein Insolvenzverfahren bedeutet nicht automatisch das endgültige Ende eines Unternehmens: Diese Erkenntnis ist kaum in der Öffentlichkeit verankert, auch bei vielen Unternehmern ist zu wenig bekannt, dass ein Insolvenzverfahren auch Chancen bieten kann. Denn der Begriff „Insolvenz“ ist naturgemäß negativ belegt und wird mit Firmenschließungen, Entlassungen und angeblich gut verdienenden Insolvenzverwaltern verbunden. Dieses Zerrbild trägt dazu bei, dass die Möglichkeiten der Unternehmenssanierung während des Verfahrens aus dem Blick geraten.

Besonders das Eigenverwaltungs- und das Schutzschirmverfahren sind dafür entwickelt worden, um ein Unternehmen während des Insolvenzverfahrens zu sanieren und fortzuführen. Dies kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn der Insolvenzantrag frühzeitig gestellt wird und die Sanierungsmaßnahmen schnell greifen. In der Praxis schrecken Geschäftsführer einer GmbH oder die Vertretungsorgane anderer Gesellschaften jedoch zu lange davor zurück, einen Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen. Damit geht wertvolle Zeit verloren, die für die Neuausrichtung des Unternehmens genutzt werden könnte.

Die Eigenverwaltung ist in der Insolvenzordnung (InsO) in den §§ 270 ff. geregelt. Sie macht den Schuldner sozusagen zum Insolvenzverwalter in eigener Sache, der die Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Sachwalters selbst verwaltet und über sie verfügen kann. Das Insolvenzgericht prüft zwei Voraussetzungen, bevor es eine Eigenverwaltung anordnet: Diese muss erstens vom Schuldner selbst beantragt werden und zweitens dürfen keine Umstände bekannt sein, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen (§ 270 Abs. 2 InsO). Erfahrungsgemäß wird die Einschätzung dieser Nachteile von den Gerichten sehr unterschiedlich gehandhabt. Tatsächlich ist die Bewertung nicht einfach und sie muss sehr sorgfältig vorgenommen werden, damit nicht „der Bock zum Gärtner“ gemacht wird – damit sich der insolvente Unternehmer also nicht einseitig auf Kosten der Gläubiger und Lieferanten saniert. In die Beurteilung des Insolvenzgerichts wird deshalb einfließen, ob der Geschäftsführung in der Vergangenheit eklatante Fehler und Fehleinschätzungen unterlaufen sind.

Sinnvoll kann der Antrag auf Eigenverwaltung bei drohender Zahlungsunfähigkeit sein. Der Vorteil einer Eigenverwaltung gegenüber einem Regelinsolvenzverfahren liegt vor allem in der Außenwirkung. Denn sie ist faktisch ein Insolvenzverfahren, das aber nach außen häufig nicht als solches wahrgenommen wird, sondern als Sanierungsverfahren.

Schutzschirmverfahren

Das Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO stellt eine spezielle Form der Eigenverwaltung dar. Nach der Gesetzeslage muss mit dem Antrag eine Bescheinigung vorgelegt werden, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Zudem muss dargelegt werden, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Wenn das Insolvenzgericht das Schutzschirmverfahren anordnet, setzt es gleichzeitig eine Frist von höchstens drei Monaten, in der ein Insolvenzplan vorgelegt werden muss. Innerhalb dieser Zeit kann das Unternehmen den Insolvenzplan unter einem Schutzschirm erarbeiten, ist also frei von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Zu beachten ist, dass dieses Sanierungsverfahren mit hohen Kosten verbunden ist und deshalb vorrangig für größere Unternehmen in Betracht kommt.

Der Vorteil der Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens liegt im Gegensatz zur Regelinsolvenz eindeutig darin, dass das Unternehmen „außen“ positiver wahrgenommen wird. In der Praxis sind die Erfahrungen mit den Sanierungsverfahren recht gut. Allerdings ist das Regelinsolvenzverfahren dann kaum zu vermeiden, wenn die Zusammenarbeit mit wesentlichen Beteiligten wie z.B. den Lieferanten schon stark belastet und von Misstrauen geprägt ist. Aber auch dann bietet sich die Chance, mit Hilfe des Insolvenzverwalters verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen. Er kann als neutraler Dritter möglicherweise erreichen, dass die Belieferung des insolventen Unternehmens wieder aufgenommen wird und dieses arbeitsfähig bleibt. Zudem kann auch im Regelinsolvenzverfahren ein Insolvenzplan erarbeitet werden, der den Fortbestand des Unternehmens zum Ziel hat. Eine Alternative ist auch die übertragene Sanierung (ein Unternehmenskauf durch einen neuen Rechtsträger) nach der Insolvenzeröffnung.

Entscheidend ist immer, dass der Insolvenzantrag frühzeitig und „ohne schuldhaftes Verzögern“ eingereicht wird. Dann bleibt in vielen Fällen ein Zeitfenster offen, in dem alle Beteiligten zusammenwirken können, um die überfälligen Schritte zur Sanierung und Neuausrichtung des Unternehmens zu gehen.

Autor/in: 

Alexander Raab ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Raab & Kollegen Rechtsanwälte in Fürth (fuerth@rechtsanwalt-raab.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2015, Seite 34

 
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