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Kuba

¡Adiós, socialismo tropical!

Die kubanische Hauptstadt Havanna.

Die Verständigung zwischen Kuba und den USA lässt die Wirtschaft hoffen. Aber die Hürden für Unternehmen bleiben hoch auf der Insel.

Das Jahr 2015 markiert für das sozialistische Land eine historische Zäsur: Die Wiederaufnahme der 1961 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Kuba und dem großen Nachbarn USA beendet einen der längsten kalten Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts. Auf der Trauerfeier Nelson Mandelas im Jahr 2013 trafen Raúl Castro und Barack Obama zusammen, gaben sich die Hände und sprachen einige Worte miteinander. Die Symbolkraft war enorm. Die versöhnliche Geste war eine letzte Friedenstat des großen Südafrikaners, dessen Geist das Verhalten der beiden Staatschefs sicher beeinflusst hat.

Obama zeigt mit der Annäherung nicht zuletzt großen innenpolitischen Mut. Denn die etwa 1,7 Mio. in den USA lebenden Exilkubaner, davon die meisten in Florida, waren lange mehrheitlich gegen die Beendigung der wirtschaftlichen Sanktionen und mehrheitlich republikanisch gesinnt. Das Heranwachsen einer jungen Generation, die in den USA geboren ist, ändert dies erst in jüngster Zeit.

Sollte das Embargo der USA aufgehoben werden, wird es für Unternehmen aufgrund der wegfallenden Sanktionsrisiken leichter, in Kuba zu investieren. Diese vermehrten Investitionen benötigt die kubanische Regierung dringend, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Einen Systemwechsel möchte Raúl Castro dennoch um jeden Preis vermeiden. Es geht ihm und seinem Regierungsapparat nicht um die Überwindung, sondern um die Aktualisierung des bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Castro vermittelt trotzdem den Eindruck, dass sein Land zu einem liberaleren wirtschaftlichen Kurs und zu einer teilweisen Privatisierung der Wirtschaft bereit ist. Darin liegt eine große Chance, die Kuba zu einem echten potenziell dynamischen Markt macht, auch wenn die Veränderung zumindest teilweise von wirtschaftlicher Not getrieben ist.

Staatswirtschaft mit Ausnahmen

Die vorsichtige Öffnung darf insgesamt nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kuba nach wie vor eine nahezu reine Staatswirtschaft ist: Große Privatunternehmen, mit denen man partnerschaftlich zusammenarbeiten kann, gibt es nicht. Jede Ausschreibung, jede Beschaffung, jede Investition und jeder Import muss durch die zuständigen Behörden geprüft, genehmigt und finanziert werden. Das führt dazu, dass ausländische Unternehmen derzeit eher ein Vermarktungs- als ein Investitionsinteresse haben. Mit der Sonderwirtschaftszone Mariel macht Kuba ein Experiment: Es wirbt gezielt um die Ansiedlung von Unternehmen, die unter vergünstigten Bedingungen sowohl für den kubanischen Binnenmarkt als auch für den Export produzieren sollen. Die Akquise von Inves-
toren läuft allerdings schleppend an – das Vertrauen in einen jahrzehntelang abgeschotteten und intransparenten Markt muss erst aufgebaut werden. Ein strategisches Defizit macht die kubanische Regierung mit Blick auf eine wirtschaftliche Liberalisierung zusätzlich verhandlungsbereiter: Kuba ist seit Jahren wirtschaftlich sehr eng mit Venezuela vernetzt. Diese einseitige Abhängigkeit von einem zunehmend instabilen Partner ist gefährlich. Die kubanische Regierung versucht deshalb, ihre Wirtschaftspartnerschaften international stärker zu diversifizieren.

Zwei Währungen, niedrige Kaufkraft

Die kubanische Bevölkerung hat eine extrem niedrige Kaufkraft, die Monatslöhne liegen oftmals unter 30 US-Dollar. Zwar ist ein Grundwarenkorb hoch subventioniert auf Bezugsschein erhältlich, alle anderen Waren, vor allem importierte Güter, sind für die meisten Menschen aber unerschwinglich – es sei denn, sie gehören zur privilegierten Gruppe derjenigen, die Zugang zur „Zweitwährung“, dem sogenannten konvertiblen Peso, haben. Dieser ist etwa 1:1 an den US-Dollar gekoppelt und besteht neben dem kubanischen Peso, der offiziellen Landeswährung. Nur mit ihm können die aufgrund der hohen Importzölle sehr teuren Importwaren, insbesondere Konsumgüter, erworben werden. Der stark beschränkte Zugang zum konvertiblen Peso verringert das Marktpotenzial für alle importierten Produkte erheblich.

Ungeklärte Auslandsschulden

Die Russische Föderation hat der kubanischen Regierung unlängst 90 Prozent der Altschulden, ca. 23 Mrd. US-Dollar, erlassen. An die Mitglieder des Pariser Clubs hat Kuba noch 15 Mrd. US-Dollar zurückzuzahlen – nicht wenig für ein Land mit ca. elf Mio. Einwohnern und der nahezu niedrigsten Pro-Kopf-Kaufkraft in der Region. Allerdings ist eine Einigung mit den Gläubigern auf gutem Weg. Die durch die ungeklärte Schuldensituation bedingte kubanische Finanzschwäche führt dazu, dass nur die nötigsten Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden können. Eine weitere Folge der fehlenden Liquidität ist die Verhandlung mehrjähriger Zahlungsziele seitens der kubanischen Regierung im Außenhandel. So müssen Handelsunternehmen Finanzierungskosten über einen längeren Zeitraum in ihre Produkte oder Dienstleistungen einpreisen.

Chancen für die deutsche Wirtschaft

Trotz aller Schwierigkeiten wächst die kubanische Wirtschaft: Im Jahr 2015 wurde ein Plus von rund vier Prozent registriert, in diesem Jahr wird sogar ein Wachstum von 4,5 Prozent erwartet. Dazu trägt der Tourismus bei, der aufgrund des verbesserten politischen Klimas anzieht, sowie die Investitionen in die marode Infrastruktur des Landes. Deutsche Unternehmen haben nach Beobachtung der IHK-Organisation derzeit offensichtlich großes Interesse an einem Markteinstieg auf Kuba. Unter den EU-Ländern nimmt Deutschland mit einem Handelsvolumen von ca. 224 Mio. Euro (Einfuhr im Jahr 2014: 32,6 Mio. Euro, Ausfuhr: 191,3 Mio. Euro) allerdings bisher keinen vorderen Rang ein. Hier besteht insbesondere im Vergleich zu Spanien und Italien Aufholbedarf. Potenziale sind vor allem in den Sektoren Energie, Maschinenbau, Lebensmittelverarbeitung, Landwirtschaft, Konsumgüter und Tourismus erkennbar.

In welchen Branchen tatsächlich investiert werden kann, hängt letztlich auch vom zukünftigen Kurs der Regierung gegenüber ausländischen Investoren ab. So bietet die vorsichtige Marktöffnung für strategisch wichtige Vorhaben (z.B. Infrastruktur und Energiewirtschaft) bislang noch keine attraktiven Bedingungen für einen Einstieg. Dabei hat Kuba sehr gute Voraussetzungen für eine nachhaltige dezentrale Energieerzeugung – vorausgesetzt, parallel dazu werden die Stromnetze auf den neuesten Stand gebracht. Auf der Prioritätenliste der kubanischen Regierung steht auch eine verbesserte Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion. Deutschland hat in diesem Bereich sowohl Maschinen als auch Know-how anzubieten.

Autor/in: 

DIHK

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2016, Seite 22

 
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