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Crowdfunding

Ausschwärmen zum Finanzieren

Crowdfunding © ronstik/GettyImages.de

Vor allem junge Unternehmen setzen auf die sogenannte Schwarmfinanzierung. Was ist rechtlich dabei zu beachten?

Neu ist die Crowdfunding-Idee nicht: Schon im Jahr 1885 finanzierten über 100 000 Menschen mit Kleinstbeträgen den Bau der New Yorker Freiheitsstatue. Der Initiator Joseph Pulitzer versprach dafür, jeden Geldgeber in seiner Zeitung „New York World“ zu nennen. Einen Schub erhielt das Crowdfunding – also das Einsammeln von Geldbeträgen für bestimmte Projekte – jedoch erst durch das Internet und durch spezielle Online-Plattformen für die sogenannte Schwarmfinanzierung. Sie erleichtern die gezielte Ansprache vieler verschiedener Geldgeber und das Einsammeln des Kapitals.

Allein im deutschsprachigen Raum gibt es über 100 dieser Crowdfunding-Plattformen. Sie haben meist eine bestimmte Ausrichtung, z. B. auf Investitionen in Start-ups, in Immobilien oder in nachhaltige Projekte. Unternehmen, die auf diese Weise Kapitalgeber suchen, sollten bei der Wahl der Plattform besonders deren Nutzungsbedingungen beachten und die zu schließenden Verträge genau unter die Lupe nehmen. Deren Inhalt bestimmt wesentlich die rechtlichen Verhältnisse zwischen der Plattform und den Unterstützern. Bei internationalen Plattformen kann es sein, dass ausländisches Recht zur Anwendung kommt.

Beim klassischen Crowdfunding erhalten die Investoren eine Gegenleistung nicht-monetärer Art – oft ist es das Produkt, das mit dem eingesammelten Kapital erst entwickelt werden soll. Unterstützer sind dann zugleich Investoren und Käufer, wobei sie in der Regel Vorzüge wie Preisnachlässe oder Sondermodelle erhalten.

Erwerben Unterstützer eine finanzielle Beteiligung, ist von Crowdinvesting die Rede: Statt Gesellschaftsanteilen erhalten Investoren meist Ansprüche aus partiarischen, also gewinnabhängigen Darlehen. Seltener sind es Wertpapiere. Für das Unternehmen stellen die Mittel Eigenkapital dar. Beim Crowdlending erwerben die Unterstützer dagegen Rückzahlungs- und Zinsansprüche an einem nicht selbst vergebenen Darlehen oder sie vergeben das Darlehen selbst. Das Unternehmen erhält dadurch Fremdkapital. Bei der Crowddonation fehlt eine Gegenleistung, sie gleicht damit einer Spende. Ist der Zweck gemeinnützig, lässt sich diese steuerlich absetzen. Bei den anderen Crowdfunding-Modellen ist das wegen der Gegenleistung nicht möglich.

Schutzrechte beachten 

Durch die Crowdfunding-Kampagne gelangen Ideen früh und detailliert an die Öffentlichkeit. Deshalb muss bereits zuvor sicher sein, dass keine Patente, Gebrauchsmuster, Designs, Marken und Urheberrechte verletzt werden. Sonst drohen Unterlassungsansprüche und das vorzeitige Aus des Crowdfunding-Vorhabens. Ist eine Verletzung ausgeschlossen, gilt es, die eigene Idee frühzeitig schützen zu lassen. Andernfalls könnten Dritte nach Start der Crowdfunding-Kampagne die ungeschützte Idee selbst vermarkten.

Wesentliche Aspekte der Crowdfunding-Kampagne sind ein vorgegebener Mindestbetrag und ein Zeitraum, in dem die Kampagne die festgelegte Investitionssumme erreichen muss. Nur dann überweist die Plattform das Kapital und die Umsetzung kann beginnen. Andernfalls wird das Geld an die Unterstützer zurückgezahlt, es gilt also das Prinzip „alles oder nichts“. Lange Planung im Voraus und ein gutes Marketing sind entscheidend für den erfolgreichen Start. Wie das gelingen kann, zeigt der Weltrekord von Protonet aus dem Jahr 2014: Das Start-up wollte einen persönlichen Server für kleinere Unternehmen und Privatleute entwickeln und sammelte für dieses Projekt über die Plattform seedmatch.de in 133 Stunden drei Mio. Euro ein.

Geht es beim Crowdfunding um die Entwicklung eines Produkts, das der Unterstützer als Gegenleistung bekommt, dann entsteht ein Kaufvertrag zwischen Unternehmen und Geldgeber. Umfasst das Projekt auch die Herstellung des Produkts, so kommt ein Werklieferungsvertrag zwischen beiden Seiten zustande. Für beide Vertragsarten gilt Kaufrecht. Die Unterstützer haben also Gewährleistungsrechte, wenn sich das Produkt nicht wie vorgesehen verwenden lässt. Die Hersteller trifft zudem eine Produkthaftung für Schäden, die wegen fehlerhafter Produkte entstehen.

Verbraucher besitzen bei vielen Verträgen ein Widerrufsrecht, insbesondere beim Abschluss im Internet. Das birgt ein besonderes Risiko beim klassischen Crowdfunding: Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt erst zu laufen, wenn der Unterstützer das Produkt erhält. Wird das Produkt erst entwickelt, kann der Widerruf sehr spät erfolgen. Unterstützer können somit über einen langen Zeitraum ohne Angabe von Gründen ihr Geld zurückverlangen. Gerichtsentscheidungen und spezielle Regelungen zum Widerrufsrecht beim Produkt-Crowdfunding fehlen bislang. Anders sieht das beim Crowdinvesting aus: Hier haben Anleger laut Vermögensanlagengesetz ein 14-tägiges Widerrufsrecht nach dem Vertragsschluss und sind darüber deutlich zu belehren.

Grenzen des Crowdinvestings

Weit verbreitet beim Crowdinvesting sind partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen, für die die Kapitalgeber einen gewinnabhängigen Zins erhalten. Allerdings sind diese Darlehen – wie der Name schon sagt – nachrangig, das bedeutet im Falle einer Insolvenz des kapitalsuchenden Unternehmens, dass andere Gläubiger zuerst bedient werden. Für die Kreditgeber bleibt also oft nichts mehr übrig, sodass ein Totalausfall des zur Verfügung gestellten Kapitals möglich ist.

Um den Anlegerschutz zu verbessern, wurden Mitte 2015 gesetzliche Vorgaben für partiarische Darlehen sowie Mitte 2018 für Wertpapiere eingeführt: Privatpersonen dürfen beim Crowdinvesting ohne vorherige Einholung einer Selbstauskunft über ihr Vermögen und Einkommen maximal 1 000 Euro und mit Selbstauskunft bis zu 10 000 Euro investieren. Im Gegenzug sind Anlagen bis zu gewissen Finanzierungssummen von der Prospektpflicht befreit – also von der Verpflichtung, Interessenten in einer ausführlichen Publikation umfassend über Chancen und Risiken zu unterrichten. Bei Darlehen wird von der Prospektpflicht abgesehen, wenn insgesamt maximal 2,5 Mio. Euro über einen Zeitraum von zwölf Monaten eingesammelt werden sollen. Bei Wertpapierangeboten hält der Gesetzgeber eine Prospektpflicht dann für verzichtbar, wenn das Gesamtvolumen der einzusammelnden Anlagen acht Mio. Euro nicht übersteigt.

Informationsblatt für Anleger

Ab einer Vermögensanlage von 250 Euro müssen Investoren jedoch ein Vermögensanlagen-Informationsblatt erhalten. Bei Wertpapier-Emissionen ist ab einem Gesamtgegenwert von 100 000 Euro ein Wertpapier-Informationsblatt vorgeschrieben, das die wesentlichen Eigenschaften der Anlage und die wichtigsten Risiken auf maximal drei DIN-A4-Seiten nennen muss. Die Anforderungen sind damit wesentlich geringer als beim Prospekt. Es ist zudem bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu hinterlegen und den interessierten Investoren vorzulegen. Da die Wertpapiervermittlung zudem der Zulassung durch die Bafin bedarf, arbeiten Crowdfunding-Plattformen meist mit Finanzdienstleistungsinstituten zusammen, die sie bei der rechtlich korrekten Gestaltung der Angebote unterstützen.

Innerhalb der Europäischen Union sind die rechtlichen Bedingungen für das Crowdinvesting sehr unterschiedlich. Grenzüberschreitende Projekte sind deshalb kaum möglich. Die EU-Kommission hat daher im vergangenen Jahr eine Crowdfunding-Verordnung vorgestellt, um die Bedingungen für Crowdinvesting und Crowdlending europaweit zu vereinheitlichen. Nachdem der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments im November 2018 den Abschlussbericht vorgelegt hat, steht nun die weitere Beratung über die Verordnung durch die EU-Kommission und den Rat an.

Autor/in: 

Assessor Christian Günther ist Redakteur bei der anwalt.de Services AG in Nürnberg, die die Rechtsberatungs-Plattform www.anwalt.de betreibt (redaktion@anwalt.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2019, Seite 38

 
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