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Auslandsgeschäft

Im sicheren Hafen

Rettungsboot © Dar1930/GettyImages.de

Für ausreichenden Versicherungsschutz sorgen: Bei international tätigen Unternehmen ist das eine komplexe Aufgabe.

Export und Import, Produktionsstätten, Vertretungen und Firmenkäufe: Vielfältig sind die Aktivitäten deutscher Unternehmen auf den internationalen Märkten. Dabei geht es oft um große Investitionssummen und auch um hohe Haftungsrisiken. Deshalb stellt sich immer die Frage, wie Risiken im Auslandsgeschäft abgesichert und eventuelle Schäden reguliert werden können. Für Unternehmen mit umfangreichem Außenhandel empfehlen sich sogenannte internationale Versicherungsprogramme – also maßgeschneiderte Konzepte, die genau auf die Risiken in den einzelnen Ländern zugeschnitten sind.

Um ein solches Konzept „wasserdicht“ zu machen, ist großes Fachwissen erforderlich, weil die Haftungsrisiken, die versicherungsrechtlichen Regelungen und die Formen der optimalen Absicherung von Land zu Land stark voneinander abweichen. Deshalb ist es empfehlenswert, so ein Versicherungsprogramm zusammen mit einem international ausgerichteten Versicherungsmakler auszuarbeiten. Idealerweise sollte der Makler mit einem internationalen Partnernetzwerk zusammenarbeiten, sodass die Betreuung vor Ort sichergestellt ist. Der Experte unterstützt bei der Auswahl geeigneter Versicherer und bei der stetigen Anpassung des Programms an Veränderungen in den einzelnen Ländern (z. B. neue gesetzliche Regelungen, Änderungen im Steuerrecht), aber auch bei der Abwicklung im Schadensfall. Grundlage für ein internationales Versicherungsprogramm muss selbstverständlich eine umfassende Risikoanalyse sein, die ebenfalls laufend angepasst werden muss.

Im Folgenden die gängigsten Versicherungsmodelle sowie häufige Kombinationen:

Lokal-Policen: Versicherungspolicen, die in den jeweiligen Ländern angeboten werden, nennt man Lokal-Policen. Sie entsprechen in aller Regel den spezifischen rechtlichen Anforderungen im Gastland. Deutsche Unternehmen sollten hier mindestens den Versicherungsschutz gemäß dem sogenannten „good local standard“ in Anspruch nehmen – also gemäß den im entsprechenden Land geltenden Mindeststandards für eine ausreichende Deckung. 

Europa-Police: Diese Police, die auch unter der Bezeichnung „Freedom of Services Police” (FoS; deutsch: Dienstleistungsfreiheit) bekannt ist, ist ein deutscher Versicherungsvertrag, der für das europäische Ausland gilt – sofern er im jeweiligen Land zulässig ist. Der Vorteil ist die relativ einfache Verwaltung, weil für mehrere EU-Länder nur eine einheitliche Europa-Police abgeschlossen wird (statt mehrerer Lokal-Policen). Dennoch ist diese Form der Absicherung nur eingeschränkt zu empfehlen, denn sie garantiert keineswegs einen problemlosen Versicherungsschutz in allen EU-Ländern. Die versicherungsrechtlichen Regelungen in den EU-Staaten unterscheiden sich nämlich teilweise nach wie vor deutlich, sodass Probleme z. B. wegen unterschiedlicher Deckungsinhalte oder steuerlicher Regelungen vorprogrammiert sind. Hinzu kommt, dass die Europa-Police nur in den EU-Mitgliedsländern gilt, nicht aber in anderen europäischen Ländern wie Norwegen oder der Schweiz.

Master-Cover-Deckungen: Die Lokal-Policen, die in den einzelnen Ländern angeboten werden, bieten häufig nicht alle Deckungsbausteine, die in Deutschland üblich sind und die vom Unternehmen auch auf den Auslandsmärkten gewünscht werden. Diese länderspezifischen Unterschiede bei den Versicherungskonditionen nennt man „Differences in Conditions“ (DIC). Ein Beispiel: In deutschen Policen ist – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – ein sehr weitreichender Versicherungsschutz für Schäden möglich, die sich aus mangelhaften Produkten ergeben. Häufig kommt es auch vor, dass in anderen Ländern nur unzureichende Versicherungssummen möglich sind. Solche Unterschiede werden als „Differences in Limits“ (DIL) bezeichnet.

In diesen Fällen kommt die sogenannte Master-Cover-Police ins Spiel: Sie wird in der Regel von der Muttergesellschaft als Rahmenvertrag für die Standorte im Ausland abgeschlossen und ergänzt die Lokal-Policen. Auf diese Weise können beispielsweise hohe Risiken bei der Produkthaftung besser abgesichert werden. Oder die Kombination aus Lokal- und Master-Cover-Versicherung stellt sicher, dass die Versicherungssumme insgesamt ausreicht.

Organisationsformen

Beide Komponenten richtig zu verbinden, ist in der Praxis aus mehreren Gründen ein aufwändiges und anspruchsvolles Unterfangen. Zu beantworten ist zunächst eine grundsätzliche organisatorische Frage: Sollen die Niederlassungen im Ausland weitgehende Freiheit beim Abschluss der Versicherungen haben oder soll es eine Abstimmung mit dem deutschen Stammsitz geben? Häufig werden die Policen in der Praxis von den Auslandsgesellschaften eigenständig abgeschlossen, sodass der Versicherungsschutz im Gesamtunternehmen nicht koordiniert ist. Besser ist sicher ein abgestimmtes Vorgehen, bei dem die ausländischen Töchter den Versicherungsschutz nach gewissen Vorgaben vor Ort einkaufen dürfen und das Mutterhaus durch Master-Cover-Policen für einen insgesamt ausreichenden Deckungsumfang sorgt.

Optimal wäre ein integriertes Versicherungsprogramm: Das Mutterhaus verhandelt und vereinbart – meist von einem Makler unterstützt – zentral den Deckungsumfang und die Konditionen für alle Risiken sowie den erweiterten Versicherungsschutz durch eine Master-Cover-Police. Die Vorteile eines solchen integrierten Konzepts liegen auf der Hand: zentrale Steuerung und zentrales Reporting, guter Überblick über Prämien und Inhalte, außerdem ein international nahezu einheitlicher Versicherungsschutz und eine einheitliche Steuerung der Schadensbearbeitung.

Bei der Auswahl der Versicherungsunternehmen gibt es in vielen Ländern allerdings zahlreiche Einschränkungen, die auch Einfluss auf die genannten Organisationsformen haben: Zum einen darf die Lokal-Police im jeweiligen Land nur von einem Erstversicherer ausgestellt werden, der dort zugelassen ist. Zum anderen muss auch der deutsche Versicherer, der den Master-Cover übernehmen soll, in dem gewünschten Land Leistungen erbringen dürfen. Einschränkungen kommen recht häufig vor, denn lang ist die Liste sogenannter Verbotsländer, in denen auswärtige Versicherer nicht zugelassen („non-admitted“) sind: Zu den weltweit rund 140 „Verbotsstaaten“, die damit ihre landeseigene Versicherungswirtschaft vor Konkurrenz schützen, zählen so wichtige Wirtschaftspartner wie Brasilien, Russland, Indien, China (Bric-Staaten), Schweiz, Türkei, Mexiko, Japan, Malaysia, Thailand und Hongkong.

 

Das Problem in diesen Ländern liegt auf der Hand: Die Muttergesellschaft kann einen unzureichenden Versicherungsschutz in dem jeweiligen Land nicht durch eine Master-Cover-Police eines deutschen Versicherers ausgleichen. Das kann im Schadensfall natürlich erhebliche Auswirkungen haben, wenn sich die Deckungslücken als zu groß und die Versicherungssummen als zu niedrig erweisen.

 

Ist die Master-Cover-Police der Muttergesellschaft nicht auf alle gewünschten Länder anwendbar, gibt es dennoch eine Möglichkeit, diese Versicherungslücke zu schließen: Es kann nämlich ein Zusatzschutz in den Master-Cover-Versicherungsvertrag integriert werden – der sogenannte „Financial Interest Cover“ (Finc). Mitversichert ist dann der finanzielle Verlust, den die Muttergesellschaft durch einen Schaden bei einer Auslandstochter erleidet, weil dort die Deckung nicht ausreicht. Diese Finc-Klausel stellt eine inländische Zusatzversicherung dar, durch die nicht in die Sphäre des „Verbotslandes“ eingegriffen wird. Dieser Zusatzschutz ist empfehlenswert, wenn die Bilanz der Muttergesellschaft nicht durch eine Unterversicherung der Auslandsaktivitäten belastet werden soll.

Autor/in: 

Harald Hofmann ist bei der Nüras Versicherungsmakler GmbH in Nürnberg verantwortlich für die Fachbereiche International und Haftpflicht (www.artus.ag/nueras, hh-nueras@artus-gruppe.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2019, Seite 34

 
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