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Innovation

Querdenker nach vorne!

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Innovationskongress auf der Erfindermesse Iena: Wie fördert man den Erfindergeist der Mitarbeiter?

Ohne innovative Produkte und Dienstleistungen nimmt die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen schnell ab. Aber wie schafft man im Betrieb Raum für Kreativität und Erfindergeist? Diese Frage versuchte der Kongress „Innovationen erfolgreich managen“ zu beantworten, der zum vierten Mal während der Internationalen Erfindermesse Iena im Nürnberger Messezentrum stattfand. Die Veranstaltung, die mit Unterstützung des IHK-Anwender-Clubs „Produkt- und Innovationsmanagement“ organisiert worden war, beschäftigte sich diesmal u. a. mit Netzwerken und strategischen Partnerschaften. Denn marktfähige Innovationen kommen eher selten von privaten Erfindern, sondern überwiegend von Unternehmen. Dort ist das kreative Zusammenspiel von breit aufgestellten Teams und Plattformen ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Für die Kunst, aus der Vielfalt der Ideen die viel versprechenden herauszufinden, sei in den Unternehmen ein „Innovationsfilter“ notwendig, so Dr. Robert Schmidt, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt. Es gehe also darum, die Ressourcen in die Konzepte zu lenken, die die meisten Chancen bieten. Die von der IHK Nürnberg angebotene Qualifizierung zum Innovationsmanager biete die passenden Werkzeuge und Methoden, um mögliche Innovationen systematisch umzusetzen. Wer neue Produkte und Dienstleistungen schaffen wolle, müsse aktuelle Megatrends im Blick behalten. Allerdings könne man auch zu früh dran sein: „Die Zeit muss für Innovationen reif sein“, so Schmidt.

Ob die Zeit reif für ihre Innovation ist, will das oberfränkische Start-up Nuvelos herausfinden, die von dem Kunststoff- und Polymerspezialisten Rehau ins Leben gerufen wurde. Formal ist Nuvelos eine neu geschaffene Abteilung, die unter diesem Markennamen das erste E-Bike aus einem faserverstärkten Kunststoff-Verbundwerkstoff auf den Markt gebracht hat. Wie Rehau-Entwicklungschef Christian Fabian auf dem Kongress berichtete, habe sich das Unternehmen im Jahr 2016 auch vor dem Hintergrund der Megatrends Nachhaltigkeit und neue Mobilitätskonzepte für diese Produktentwicklung entschieden.

„Unorthodox denken“ – dies sei eine Prämisse für die Mitarbeiter im firmeneigenen Lab gewesen, die das E-Bike entwickeln sollten, ergänzte Nuvelos-Direktor Alexander Oelschlegel. Nach Testphasen und Produktionstests kam das E-Bike schließlich in diesem Jahr auf den Markt. Für Rehau sei dies gleichermaßen „eine Produkt-, eine Business- und eine Prozessinnovation“ gewesen. Denn erstmals tritt das Unternehmen, das sich sonst auf Unternehmenskunden konzentriert, direkt an Fahrradfachhändler und Endverbraucher heran, außerdem mussten neue Fertigungsabläufe umgesetzt werden. Nach schneller Entwicklung und Produktionsgestaltung geht es jetzt darum, bei den Verkaufszahlen für das E-Bike „Made in Bayern“ auf Touren zu kommen. Rehau gibt dem internen Start-up nun zwei Jahre Zeit, um die Marktfähigkeit mit den entsprechenden Zahlen zu beweisen.

Schnell zum Innovationsziel

Geschwindigkeit ist auch für Hubert Bauer, Geschäftsführer des Nürnberger Jungunternehmens Evocortex, ein großes Thema. Als er 2015 nach 30 Jahren als Innovationsmanager von Bosch Nürnberg in die Selbstständigkeit wechselte, finanzierte er seine Projekte zunächst aus eigener Tasche. Förderprogramme des Bundes für die Produktentwicklung nahm er nicht in Anspruch, weil diese aus seiner Sicht eine zu lange Antrags- und Laufphase haben: „In fünf Jahren ist die Welt für uns eine ganz andere.“ Deshalb finanziert er sich jetzt über Geber von Risikokapital (Venture Capital).

Evocortex ist ein Entwicklungs-, Dienstleistungs- und Ingenieurbüro und beschäftigt sich mit Lokalisations- und Navigationstechnik für hoch flexible Roboter, die beispielsweise für den autonomen Transport in Lagern oder Werkshallen zum Einsatz kommen. Während etwa neue Logistikzentren um die Robotertechnik herum gebaut werden, kann Bauers System schnell in einen bestehenden Betrieb integriert werden. Sein Roboter fährt unter die zu transportierenden Warenkästen, hebt diese an und bringt sie zum gewünschten Ziel. Auf diese Weise lassen sich bis zu 120 Kilo Transportlast auf einer Fläche von einem Quadratkilometer bis auf einen Millimeter genau positionieren. Für Ingenieur Bauer geht es aber weniger um Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen, sondern um Lösungen, die „vom Kunden her gedacht werden“.

Über die Innovationskultur beim Erlanger Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB berichtete Dr.-Ing. Martin Schellenberger, Gruppenleiter für Geräte und Prozesskontrolle. „Ich kann nicht nur coole Ideen haben, sondern muss sie auch verkaufen“, sagte der IISB-Innovationsmanager. Beim Fraunhofer-Institut kommt eine personelle und organisatorische Herausforderung hinzu: Weil dort viele Mitarbeiter nur befristete Arbeitsverträge haben, ist ein effizientes Wissensmanagement unabdingbar, sodass Innovationsprojekte beim Ausscheiden wichtiger Know-how-Träger problemlos weiterlaufen können. Außerdem wird von den beteiligten Wissenschaftlern und Technikern eine hohe Eigenverantwortung und Entscheidungskompetenz gefragt.

Aus einer Zusammenarbeit über mehrere Abteilungen des IISB hinweg ist beispielsweise das Konzept „Dr. Production“ entstanden: Es soll Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Fertigungsdaten noch umfassender zu nutzen. Die Experten des Instituts unterstützen dabei, die Fertigung schrittweise und datenbasiert zu optimieren. In einem zweiten Schritt sammelt, analysiert und bewertet „Dr. Production“ Fertigungsdaten, um beispielsweise Wartungsarbeiten vorherzusagen oder durch das sogenannte Predictive Probing die Qualitätskontrolle zu verschlanken.

Fachfremde Personen einbeziehen

Schellenberger plädiert auch dafür, Innovationen durch die sogenannte Citizen Science voranzubringen: Dabei werden fachfremde Personen – manchmal einfache Bürger (Citizens) – gebeten, die Ideen mit unverstelltem Blick zu beurteilen und die Innovation damit hinsichtlich des Kundennutzens immer weiter zu verbessern. Dieses Verfahren wird beispielsweise im offenen Innovationslabor „Josephs“ in Nürnberg angewandt, das vom Fraunhofer-Institut mit getragen wird (www.josephs-innovation.de). Darüber hinaus zapft das IISB über eine Forschungs- und Entwicklungsplattform für das Open-Source-Batteriemanagement (BMS) das Expertenwissen Dritter an. Hierfür wurden die Daten über nötige Hard- und Software sowie Dokumentationsdaten für mobile und stationäre Batteriesysteme veröffentlicht. So können sich beispielsweise andere internationale Forschungseinrichtungen an der Weiterentwicklung beteiligen.

Bekanntes neu kombinieren

„Assoziation und Kombination führt zu etwas Neuem“: Diese Gleichung formulierte auf dem Innovationskongress Johannes Hoyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Technologietransfer-Zentrums für den Mittelstand (TZM) der Hochschule Ansbach. Kreativität schaffe man, indem man zwei Dinge verbinde, die eigentlich nicht zusammengehören. In armen Ländern stoße man zum Beispiel immer wieder auf das Rad eines Fahrrads, das zu einem Spinnrad umfunktioniert wird. Dem US-Konzern Apple sei es gelungen, am Markt vorhandene Technik neu zu kombinieren und damit den iPod und das iPhone zu erschaffen.

Als wichtige Antriebskraft für Kreativität sieht Hoyer auch, dass ein Problem oder eine „Not“ erkannt wird und man dafür mit „Leidenschaft und Wunsch“ nach einer Lösung sucht. Genügend Zeit und die Möglichkeit, spielerisch und angstfrei an die Aufgabe heranzugehen, seien dann weitere Voraussetzungen für Innovation. Hier gebe es noch großen Nachholbedarf in vielen Unternehmen, in denen der Innovationsprozess durch uniformes betriebswirtschaftliches Denken und eine Angstkultur behindert werde, so Hoyer: „Gibt man den Mitarbeitern aber genügend Raum, müsste jede Firma vor Kreativität explodieren.“

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2019, Seite 14

 
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