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IHK-Konjunkturklima

Vor stürmischen Zeiten

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Noch ist die Geschäftslage in Mittelfranken überraschend gut, aber der Pessimismus greift in allen Branchen um sich.

Ist es die Ruhe vor dem Sturm? Diese Befürchtung lässt die Lektüre der Ergebnisse der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage aufkommen. Denn noch äußern sich die mittelfränkischen Unternehmen sehr zufrieden mit der aktuellen Geschäftslage – die Auftragslage sei sehr gut und die Nachfrage sehr hoch. Mit Sorge sehen die mittelfränkischen Unternehmen allerdings auf die nächsten Monate, besonders in Industrie und Bauwirtschaft stürzen die Erwartungen ab. „Die Unternehmen, die sich gerade erst langsam von Corona erholen, werden nun schwer von zwei weltwirtschaftlichen Ereignissen getroffen: dem Krieg in der Ukraine und der Situation in China. Vor allem die Lieferengpässe sowie die Kosten- und Preisentwicklung tragen dazu bei, dass sich die Unternehmen fast aller Branchen pessimistisch über die weiteren Aussichten im Jahresverlauf äußern. Zahlreiche Betriebe legen deshalb ihre Investitionspläne auf Eis“, so IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann.

Die Unternehmen Mittelfrankens trotzen aber derzeit noch diesen Widrigkeiten, sodass sich der IHK-Konjunkturklimaindex – zwischen der aktuell guten Lage in Handel und Gastronomie auf der einen und den negativen Erwartungen in der Industrie auf der anderen Seite – im Frühjahr stabilisiert hat. Er verzeichnet mit einem Wert von 113,3 ein leichtes Plus von vier Punkten.

Aktuelle Geschäftslage

In den ersten Monaten dieses Jahres erholte sich die mittelfränkische Wirtschaft noch deutlich. Vor allem der Handel sowie die Gastronomie und die anderen verbrauchernahen Dienstleistungen konnten zunächst tief durchatmen, weil die Corona-Restriktionen ausliefen. Zudem konnten die Unternehmen die gestiegenen Kosten in Form von Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergeben, sodass sich die Umsätze zufriedenstellend entwickelten. Über alle Branchen der mittelfränkischen Wirtschaft hinweg erreicht die Geschäftslage einen guten Wert und sogar einen neuen Höchstwert seit Pandemiebeginn. Im Frühjahr 2022 zieht der Saldo auf plus 27 Punkte an (Zuwachs von 22 Punkten). Lediglich die Baubranche verzeichnet einen Rückgang, dagegen zeigt sich die aktuelle Lage in allen anderen Wirtschaftszweigen wegen der weggefallenen Corona-Restriktionen deutlich verbessert.

Geschäftserwartungen

Nun trübt sich die Stimmung aber wieder spürbar ein, weil der Krieg in der Ukraine die angespannte Lage angesichts von gestörten Lieferketten und von hohen Energie- und Rohstoffpreisen nochmals deutlich verschärft. Beim Blick auf die erwartete Entwicklung in den kommenden Monaten ergibt sich deshalb ein deutlich anderes Bild als bei der aktuellen Geschäftslage: Der Saldo sinkt um 13 Punkte auf einen Wert von plus 1. Auch verglichen zum Vorjahreszeitraum blickt man pessimistischer auf die kommende Entwicklung im Jahr 2022. Industrie und Baugewerbe verzeichnen den größten Rückgang, nur die verbrauchernahen Dienstleistungen erwarten bessere Geschäfte.

Investitions- und Beschäftigungspläne

Die gedämpften Aussichten für die kommenden Monate schlagen sich auch in den Investitionsabsichten nieder: Nur die verbrauchernahen Dienstleister wollen etwas mehr investieren, alle anderen Branchen ihre Investitionen dagegen teilweise deutlich zurückschrauben. Der Hauptgrund ist die Unsicherheit wegen der stark anziehenden Preise für Rohstoffe.

Die Beschäftigungspläne bewegen sich auf ähnlichem Niveau wie zu Jahresbeginn, jedoch zeigt sich in Industrie und Baubranche ein klarer Abwärtstrend. Die andere Seite der Medaille ist der Mangel an geeigneten Fachkräften.

Bereits jetzt zeichnet sich in einigen Branchen ab, dass die steigenden Preise für Energie und Rohstoffe sowie die Lieferkettenprobleme einen dramatischen Einfluss auf die Planungssicherheit der Unternehmen haben. 

 

IHK-Konjunkturklima 2015 - 2022

Das zeigt sich auf bei der Frage, welche wirtschaftlichen Risiken aus Sicht der Unternehmen die höchste Brisanz haben: Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise werden nun von 77 Prozent der Befragten als Risiko gesehen (zu Jahresbeginn erst 62 Prozent). Damit einher geht die Sorge, dass dadurch auch die Arbeitskosten spürbar steigen (ca. 50 Prozent der Befragten). Der Mangel an Fachkräften treibt unverändert viele Unternehmen um (59 Prozent der Betriebe). Jeweils rund 50 Prozent der Unternehmen sorgen sich wegen einer verhaltenen Inlandsnachfrage und wegen der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die von vielen als unzureichend empfunden werden.

Konjunkturklima nach Wirtschaftssektoren

Über den Winter hinweg haben sich bereits entgegengesetzte Entwicklungen angebahnt: Die Corona-Restriktionen trafen besonders hart den Tourismus, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie den Einzelhandel und bestimmte verbrauchernahe Dienstleistungen. Als sie nun weggefallen sind, hat sich in diesen Branchen die Lage sofort deutlich verbessert. Anders in der Industrie: Hier wurden seit Jahresbeginn die Gefahren, die sich aus Preissteigerungen und Lieferengpässen ergeben, immer deutlicher. So entsteht ein sehr gemischtes Bild über die verschiedenen Branchen hinweg.

Industrie: Die Geschäftslage der Industrie hat sich im Frühjahr weiter erholt und zeigt sich konstant positiv. Trotzdem sinkt der Konjunkturklimaindex wegen der schlechten Aussichten insgesamt deutlich ab. Steigende Preise für Energie und Rohstoffe und Probleme bei den Lieferketten verursachen noch keine nachhaltigen Schäden, dämpfen die Aussichten aber sehr: Lag der Index bei den Erwartungen im Januar noch bei plus 20 Punkten, zeigt das Barometer jetzt minus 21 Punkte an. Beschäftigungsabsichten und geplante Investitionen rücken dementsprechend zunächst in den Hintergrund.

Bauwirtschaft: In der Baubranche zeigt sich die Entwicklung des Konjunkturklimas wesentlich dramatischer. Der frühere Spitzenreiter stürzt regelrecht ab und präsentiert sich mit einem Minus von 57 Punkten im Frühjahr als Schlusslicht der Branchen. Während an Investitionsvorhaben noch festgehalten wird und diese nur leicht zurückgefahren werden, brechen die Beschäftigungspläne ähnlich ein wie die Geschäftserwartung. Neben den Preissteigerungen setzen dem Gewerbe besonders der Mangel an qualifizierten Fachkräften und die stark rückläufige Nachfrage zu.

Handel: Nach einem leichten Rückschlag hat sich die Situation im Handel leicht stabilisiert. Der IHK-Konjunkturklimaindex der Branche steigt ganz leicht an, wobei die kräftige Erholung der Geschäftslage durch den erheblichen Rückgang der Erwartungen getrübt wird. Zunächst kam der Aufwind durch das Ende der Corona-Maßnahmen, dann kamen die Sorgen wegen der Preissteigerungen und wegen der Material- und Rohstoffknappheit. Sie treffen den Großhandel und die Handelsvermittlungen stärker als den Einzelhandel. Dennoch weisen diese sowohl bei der Geschäftslage als auch bei der erwarteten Geschäftslage bessere Werte auf. Immerhin bleiben im gesamten Handelssektor die Investitions- und Beschäftigungspläne nahezu konstant.

In den unternehmensnahen Dienstleistungen hat sich das Konjunkturklima leicht eingetrübt. Insgesamt präsentiert sich die Branche jedoch als die stabilste in Mittelfranken mit einer weiter verbesserten Geschäftslage, die zu einem weiterhin hohen Personalbedarf führt. Aber die Preissteigerungen führen auch bei den unternehmensnahen Dienstleistern dazu, dass die Erwartungen und die Investitionen etwas zurückgeschraubt werden.

verbrauchernahe Dienstleistungen: Nachdem die Corona-bedingten Einschränkungen weggefallen sind, können die Unternehmen der Branche etwas aufatmen – Geschäftslage und Erwartungen weisen starke Zuwächse auf. Ausgehend von einem niedrigen Niveau macht die Branche im IHK-Konjunkturklima-Index einen gewaltigen Satz nach oben (plus 30 Punkte), die Beschäftigungs- und Investitionsplanungen werden entsprechend ausgeweitet. Besonders Hotel- und Gaststättengewerbe sowie Tourismus profitieren von den neuen Bedingungen, kämpfen sich zurück und blicken optimistisch in die kommenden Monate.

Der kurzzeitigen Erholung der Wirtschaft, die sich über die weggefallenen Corona-Restriktionen freuen konnte, folgt nun schon fast nahtlos die Ernüchterung: Der Gegenwind wird aufgrund vielfältiger Herausforderungen immer größer. Besonders die stürmische Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise setzt den mittelfränkischen Unternehmen stark zu. Die Sorgen vor den Auswirkungen der Preissteigerungen nehmen deutlich zu, sodass die Geschäftserwartungen wesentlich schlechter als zum Jahresbeginn eingeschätzt werden. Dazu sehen sich Mittelfrankens Unternehmen in der aktuellen Lage mit einer Reihe weiterer Risiken konfrontiert, u. a. schwache Inlandsnachfrage, unbefriedigende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Beschaffungsprobleme, steigende Arbeitskosten und Fachkräftemangel. Über 80 Prozent der Unternehmen wollen Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben. Dadurch werden die Reallöhne und die Kaufkraft der Verbraucher sinken, was sich bald negativ auf die Nachfrage auswirken könnte.

Durch den Krieg in der Ukraine sind auch die Unternehmen Mittelfrankens zusätzlich betroffen. Deshalb fordert IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann: „Wichtig ist, dass die Politik die hohen Steuereinnahmen der letzten Jahre dazu nutzt, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sicherzustellen. In der jetzigen kritischen Lage brauchen wir eine verlässliche Steuerpolitik, die Investitionen nicht verhindert, sondern unterstützt – dazu gehört die Verlustverrechnung auf fünf Jahre und bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Betriebe.“

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2022, Seite 22

 
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