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High-Tech-Land Bayern besonders betroffen

Als Staatssekretär des für die Abwehr von Spionage zuständigen Innenressorts begrüße ich, dass es sich die bayerischen Industrie- und Handelskammern verstärkt zur Aufgabe machen, den Kampf gegen die Wirtschaftsspionage zu unterstützen. Denn gerade die Industrie- und Handelskammern haben Zugang zu mittelständischen Unternehmen und können sie für die Bedrohung durch Wirtschaftsspionage und den ihnen möglicherweise dadurch entstehenden Schaden sensibilisieren und eine Abwehr mobilisieren.

Wirtschaftsspionage ist Realität
Wirtschaftsspionage ist ein Faktum, das die Verantwortlichen in Unternehmen leider allzu oft aus dem Bewusstsein verdrängen. Mit Wirtschaftsspionage meine ich die von fremden Staaten gelenkte oder gestützte, von deren Geheimdiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben, im Gegensatz zur Konkurrenzspionage oder Industriespionage konkurrierender Unternehmen unmittelbar gegeneinander. Sie ist heute für viele ausländische Geheimdienste gegenüber der politischen und der militärischen Spionage in den Vordergrund getreten.
Um die Bedrohung durch Wirtschaftsspionage richtig einschätzen zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass sich die Interessenlage für hoch entwickelte Industriestaaten deutlich von der technisch und wirtschaftlich weniger entwickelter Staaten unterscheidet. Während für die ersteren die Ausspähung einer konkurrierenden Branche oder bedeutender konkurrierender Hightech-Unternehmen unter Umständen die Möglichkeit eröffnet, wichtige Entscheidungen in der eigenen Außenwirtschafts- und Subventionspolitik zu treffen, um z.B. die eigene Wirtschaft konkurrenzfähiger zu machen bzw. Subventionen als nicht sinnvoll zu streichen, versuchen die anderen durch Wirtschaftsspionage, mit möglichst geringen Kosten technische oder wissenschaftliche Rückstände aufzuholen. Für hoch entwickelte Industriestaaten ist es deshalb wichtig, Absprachen und Verflechtungen von Unternehmen, Entscheidungsstrukturen, Unternehmens- und Marktstrategien, Preisgestaltung und Konditionen, insbesondere bei konkurrierenden Angeboten im Rahmen von Ausschreibungen kennen zu lernen. Weniger entwickelte Staaten versuchen, technisches Know-how zu erlangen, um der eigenen Wirtschaft Kosten für Entwicklung und Lizenzen zu ersparen sowie Fertigungstechniken und Produktexemplare zu beschaffen, die ihnen einen kostengünstigen Nachbau erlauben, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu werden. Insoweit sind vor allem mittelständische Unternehmen mit ihrem oft großen Potenzial an Erfindergeist im Blickfeld.
Nach Medienberichten setzen auch westliche Ländern die Geheimdienste für die Wirtschaftsspionage zugunsten der eigenen Wirtschaft ein. In diesem Zusammenhang darf ich auf die intensive Diskussion über das weltumfassende Abhörsystem Echelon verweisen, das vor allem die USA benutzen sollen, um zugunsten ihrer heimischen Wirtschaft u.a. die deutsche Wirtschaft auszuspähen. Bekanntlich befasst sich auch das Europäische Parlament mit dem Thema Echelon. Der abschließende Bericht steht noch aus. Vorerst gehen wir davon aus, dass die offizielle Erklärung des US-Außenministeriums vom 28. März 2000 an die Europäische Kommission zutrifft. Darin heißt es, die US-Regierung und die Geheimdienste der USA würden es ablehnen, von Privatfirmen in Anspruch genommen zu werden und würden keine geschützten geschäftlichen, technischen oder finanziellen Informationen zum Nutzen privater Firmen sammeln.
Dass gerade Bayern mit seinen bedeutenden Wirtschaftsunternehmen in den Bereichen Luftfahrt, Rüstung, Wehrtechnik, Computertechnik/-software, mit seinen Forschungs- und Entwicklungsbereichen von High Tech-Unternehmen und patentierten und geschützten Technologien besonders gefährdet ist, brauche ich deshalb nicht näher auszuführen. Eine Reihe von Spionagefällen der letzten Jahre bestätigt dies. Die jährlichen Verfassungsschutzberichte Bayerns berichten darüber. Der durch Spionage insgesamt entstehende Schaden kann nicht zuverlässig angegeben werden. Er ist jedenfalls für die jeweils betroffenen Unternehmen auf lange Sicht vor allem unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit gar nicht hoch genug anzusetzen.

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und bayerischen Behörden
Eines steht für mich fest: Die Wirtschaftsspionage kann nur in einem engen Zusammenspiel von Wirtschaft und Verfassungsschutz wirksam abgewehrt und bekämpft werden. Dabei nimmt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mit stets bekundeter politischer Unterstützung der Bayerischen Staatsregierung, insbesondere des Innenministeriums und des Wirtschaftsministeriums, seine Aufgabe sehr ernst. Das Landesamt hat, als sich die Zunahme der Wirtschaftsspionage abzeichnete, die Zusammenarbeit mit der bayerischen Wirtschaft intensiviert. Aufgrund seiner Erfahrung bei der Beobachtung von Personen und Organisationen, bei denen Anhaltspunkte vorliegen, dass sie für fremde Nachrichtendienstes Ausspähung betreiben, bietet es den bayerischen Unternehmen eine intensive Beratung an. Es steht wie in der Vergangenheit auch weiterhin für Informationsveranstaltungen zur Verfügung und berät den Bayerischen Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW), dem rund 150 bayerische Unternehmen angehören. Zudem informiert das Landesamt seinem gesetzlichen Auftrag gemäß Firmen, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass sie ausgespäht werden, und versucht zugleich, sie für verstärkte Abwehrmaßnahmen und eine Zusammenarbeit zu gewinnen.
Entscheidend kommt es nun darauf an, dass auch die bayerische Wirtschaft ihren Part bei der Bekämpfung der Wirtschaftsspionage erkennt und voll übernimmt. Sie muss die aus Wirtschaftsspionage resultierende Bedrohung und deren Gefahren für das einzelne Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt erkennen, dagegen Maßnahmen des Selbstschutzes aufbauen und darf bei Hinweisen auf Spionage im Betrieb diese nicht ignorieren, sondern sollte eng mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten.
An dieser Haltung fehlt es in Teilen der bayerischen Wirtschaft, wie auch der BVSW und alle im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien - zuletzt am 7. März 2001 im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit - feststellen. Oftmals wird momentanen Geschäftsinteressen Vorrang eingeräumt und werden die längerfristigen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit bei Abfluss von Know-how nicht ausreichend gesehen. Entscheidend kommt es auf ein Umdenken der Unternehmensführungen, gerade auch kleinerer und mittlerer Unternehmen an. Die Wirtschaft muss erkennen, dass der Selbstschutz für sie erhebliche Bedeutung hat, um Wirtschaftsspionage abzuwehren.
Ich begrüße es deshalb sehr, dass unsere Zusammenarbeit mit dem BVSW auf der Suche nach Wegen, wie der Selbstschutz der Firmen verbessert und die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz noch intensiver gestaltet werden können, nun ausdrücklich durch die Industrie- und Handelskammern unterstützt wird.
Ich freue mich, dass die Industrie- und Handelskammern an der vom BVSW in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz, Wirtschaftsverbänden und bedeutenden Wirtschaftsunternehmen vorgesehenen und vom Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie und vom Staatsministerium des Innern unterstützten Schutz-Broschüre mitarbeiten. Die Konzeption dieser Broschüre, insbesondere wie sie gestaltet werden soll, um die Unternehmen anzusprechen und zu mobilisieren, ist anlässlich eines
runden Tisches im Mai 2001 erörtert worden. Eine Arbeitsgruppe hat damit begonnen, die dabei entwickelten Gedanken umzusetzen.
Staatsminister Dr. Beckstein und ich sind gerne bereit, anlässlich der Vorstellung dieser Broschüre - wie ich hoffe noch in diesem Jahr - bei einer Veranstaltung mit den von den Wirtschaftsverbänden vertretenen Unternehmen, den Industrie- und Handelskammern, den Sicherheitsbeauftragten bayerischer Unternehmen und den Handwerkskammern, das starke Interesse der Politik am Thema Wirtschaftsspionage deutlich zum Ausdruck zu bringen.
Alle Verantwortlichen müssen zusammenwirken. Letztlich geht es darum, den Wirtschaftsstandort Bayern zu schützen und die Arbeitsplätze zu erhalten.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2001, Seite 14

 
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