Telefon: +49 911 1335-1335

EU-Osterweiterung: Staatsregierung will „Verkehrsprogramm Europäische Einigung“

Die schleppende Fortentwicklung der Verkehrsinfrastruktur bereitet der bayerischen Wirtschaft Sorgen. „Vertröstungen und das Prinzip Hoffnung lösen immer häufiger konkrete Zusagen und tatsächliche Baumaßnahmen ab“, kritisierte Dr. Claus Hipp, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), auf der „Verkehrskonferenz Bayern“ in Nürnberg. Zu der Konferenz unter dem Motto „Mobilität sichern – Infrastruktur ausbauen“ hatte der BIHK in die Nürnberger IHK eingeladen. Moderiert wurde die Tagung von Harald Leupold, Geschäftsführer des Nürnberger Hafens und Vorsitzender des IHK-Verkehrsausschusses.

Forderungen der mittelfränkischen Wirtschaft
Nürnbergs IHK-Präsident Hans-Peter Schmidt erklärte, für die Region Nürnberg seien besonders der Bau der ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt – Berlin sowie der Ausbau der Autobahn A 3 vordringlich. „Eine Schande“ sei zudem, dass die Finanzierung für den Lückenschluss der A 6 zwischen Amberg-Ost und Pfreimd in Richtung Tschechische Republik noch völlig offen sei. Schmidt und Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Riesterer überreichten Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig, der ebenfalls zur Verkehrskonferenz nach Nürnberg gekommen war, ein Memorandum mit der Forderung, diesem Projekt „oberste Priorität“ einzuräumen. Bodewig sagte die Fertigstellung bis 2008 zu.

Verkehrsabgaben zweckgebunden verwenden
Die Vertreter der bayerischen Transportwirtschaft forderten übereinstimmend, die Einnahmen aus der Lkw-Maut und aus anderen Verkehrsabgaben zweckgebunden wieder für Verkehrsinvestitionen zu verwenden und nicht im allgemeinen Staatshaushalt untergehen zu lassen. Hans Wormser, 1. Vorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Transportunternehmen (LBT) e.V., und Gerhard Bukowski, Vorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Spediteure (LBS) e.V., forderten zudem eine Harmonisierung der Abgaben für den Straßenverkehr auf europäischer Ebene.

Bei Bayerns Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu, der ebenfalls die Unterfinanzierung wichtiger Straßen- und Schienenprojekte durch den Bund kritisierte, trafen sie mit diesen Forderungen auf offene Ohren. Wie die Verbandsvorsitzenden bezeichnete es Wiesheu als unrealistisch, den Straßenverkehr auf Schiene und Wasser zu verlagern. Man müsste schon froh sein, wenn es gelänge, nur einen Teil der prognostizierten Verkehrszuwächse auf die Schiene zu bringen. Dafür seien umfassende Investitionen nötig, die der Freistaat in einem Zehn-Jahres-Plan mit der Deutschen Bahn realisieren wolle. Die Projekte würden mit konkreten Zeitvorgaben versehen und sollten u.a. die Langsam-Fahrstellen beseitigen, den S-Bahn-Ausbau voranbringen (siehe nebenstehenden Beitrag) und den bislang chronisch unpünktlichen Güterfernverkehr attraktiver machen. Hermann Graf von der Schulenburg, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG für den Freistaat Bayern, kündigte für die nächsten Jahre weitere umfassende Investitionen im Bahnverkehr an: Im Jahr 2002 würden rund eine Mrd. Euro u.a. für verbesserte Kunden-Information, Ausbau von Bahnhöfen und die Erneuerung des Schienennetzes ausgegeben.

Wiesheus Kabinettskollege Dr. Günther Beckstein erklärte, dass sich der Freistaat von Bundesverkehrsminister Bodewig grundsätzlich gut behandelt fühle. Er kritisierte aber den zu geringen Anteil Bayerns am Anti-Stau-Programm der Bundesregierung und die Bevorzugung von Nordrhein-Westfalen bei den neu eingeführten Betreibermodellen im Straßenbau. Zudem würde man beim Bund darauf dringen, dass es nach den „Verkehrsprojekten Deutsche Einheit“ zu einem „Verkehrsprogramm Europäische Einigung“ komme: Nur mit hohen Investitionen könne man die erwarteten Verkehrsströme nach der EU-Osterweiterung bewältigen.

Zusage für Ausbau der A3
Bundesverkehrsminister Bodewig versprach vor der „Verkehrskonferenz“, dass die A3 „bei der zweiten Welle der Betreibermodelle“ dabei sein werde: „Der Ausbau wird kommen.“ Bei den ausgesetzten Bauarbeiten für die ICE-Trasse über Erfurt nach Berlin habe der Bund dafür gesorgt, dass das Baurecht durch die Unterbrechung nicht verfalle. Die S-Bahn nach Forchheim und die führerlose U-Bahn in Nürnberg würden vom Bund „gerne gefördert“. Gleiches gelte für das neue Verkehrsleitsystem in Nürnberg, das den Verkehr im Gebiet um Messe und Stadion flüssiger machen soll und für das Bodewig bei seinem Besuch in Nürnberg den Startschuss gab.

Bodewig verteidigte die Lkw-Maut als notwendig: Diese entfernungsabhängige Pauschale, die wieder für Verkehrsprojekte eingesetzt werde, trage zur Vermeidung von Verkehr bei und schaffe einen Ausgleich für die Schäden, die die schweren Lkw im Laufe der Zeit an den Fahrbahnen anrichten. Neben dem Neubau von Straßen, den die Bundesregierung vorantreibe, dürften nicht die ständig steigenden Kosten für den Erhalt des bestehenden Verkehrsnetzes in Vergessenheit geraten.

Seine Forderungen nach einem gezielten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur untermauert der BIHK mit einem „Leitbild Verkehr“, das auf der Konferenz vorgestellt wurde.

Autor/in: 
bec.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2002, Seite 12

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick