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Keine Regel ohne Ausnahme

Seit dem 21. Dezember 2001 gilt für Anbieter im Internet das so genannte Herkunftslandprinzip. Danach muss ein in Deutschland niedergelassener Internet-Anbieter grundsätzlich nur noch deutsches Recht beachten, auch wenn er in einem anderen EU-Mitgliedstaat Teledienste anbietet. Doch keine Regel ohne Ausnahmen: So gilt das Herkunftslandprinzip nicht für alle Aktivitäten. Zahlreiche Bereiche sind ausgenommen, so dass sich sein Anwendungsbereich letztlich nur auf wenige Felder konzentriert.

Das Herkunftslandprinzip ist in dem neuen § 4 Teledienstegesetz (TDG) geregelt. Für jeden geschäftsmäßigen Anbieter von Telediensten – egal, ob er als deutscher Anbieter Dienste im EU-Ausland erbringt oder als ausländischer Anbieter Dienste in Deutschland – gilt hiernach grundsätzlich nur das Recht seines jeweiligen Herkunftslandes. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Anbieter muss statt 15 verschiedener Rechtsordnungen grundsätzlich nur noch eine Rechtsordnung beachten, und zwar seine eigene.

Zu den Telediensten gehören unter anderem e-commerce-Angebote, Homepages, Suchmaschinen, Navigationshilfen, Telebanking oder Internet-Werbung. Geschäftsmäßig handelt ein Diensteanbieter, wenn er Teledienste aufgrund einer auf Dauer angelegten Tätigkeit erbringt, egal ob mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht. Daher sind auch Teledienste von öffentlichen Bibliotheken oder Museen geschäftsmäßig, private Gelegenheitsgeschäfte per Internet jedoch nicht.

Wer also künftig per Internet von Deutschland aus Produkte oder Dienstleistungen nach Frankreich anbietet, muss daher grundsätzlich nur noch deutsches Recht beachten und nicht mehr wie früher auch französisches Recht. Besonders bedeutsam ist dies für das Wettbewerbsrecht. Ein Anbieter mit Sitz in Deutschland darf also beispielsweise auf seiner Website Teppiche unter Einstandspreis anbieten, weil dies in Deutschland erlaubt ist. Man kann ihn deswegen in Frankreich nicht belangen, obwohl der Verkauf unter Einstandspreis in Frankreich verboten ist. Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt: Anbieter aus dem EU-Ausland müssen grundsätzlich auch nur das Recht ihres jeweiligen Landes beachten und nicht deutsches Recht, wenn sie online Waren oder Dienstleistungen nach Deutschland anbieten. Daher darf ein französischer Anbieter online auch in Deutschland mit einer lebenslangen Garantie werben, auch wenn dies nach deutschem Recht unzulässig ist.

Das Herkunftslandprinzip gilt aber nicht für alle Bereiche. Das Teledienstegesetz enthält eine ganze Reihe von Ausnahmen. Für diese Ausnahmebereiche gilt das Bestimmungslandprinzip, das heißt es gilt das Recht des Staates, in dem der Dienst empfangen bzw. in Anspruch genommen wird.

Nicht erfasst vom Herkunftslandprinzip sind Vorschriften, die die Waren als solche betreffen, wie etwa Sicherheitsnormen, Kennzeichnungspflichten oder Bestimmungen über die Haftung für Waren. Gleiches gilt für Vorschriften, die physisch erbrachte Dienstleistungen und die Lieferung oder Beförderung von Waren beinhalten. Daher unterfällt beispielsweise der Versand von Arzneimitteln nicht dem Herkunftslandprinzip. Eine Internet-Apotheke in den Niederlanden, die apothekenpflichtige Arzneimittel an Händler in Deutschland versenden will, kann also online dafür werben, weil die Werbung unter das Herkunftslandprinzip fällt. Der Versand der Arzneimittel richtet sich dagegen nach den Vorschriften des Bestimmungslandes, also nach deutschem Recht, so dass das deutsche Versandhandelsverbot für Arzneimittel eingreift.

Nicht bei Verbraucherverträgen
Das Herkunftslandprinzip gilt nur im Business-to-Business-Bereich. Bei Verbraucherverträgen im Internet gilt zum Schutz der Verbraucher weiterhin das Bestimmungslandprinzip, das heißt Verbraucher können sich immer auf das Recht ihres eigenen Landes berufen. Für deutsche Verbraucher gelten also weiterhin die §§ 29 ff des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB).

Auch im Business-to-Business-Bereich sind jedoch eine Reihe von Rechtsgebieten vom Herkunftslandprinzip ausgenommen, die in § 4 Abs. 3 und 4 Teledienstegesetz abschließend aufgezählt sind. Dazu gehören beispielsweise das Urheberrecht, das Datenschutzrecht oder das Kartellrecht oder die Formvorschriften bei Grundstücksverkäufen. Auch die hoheitliche Tätigkeit von Notaren oder die gerichtliche Vertretung von Mandanten durch Rechtsanwälte fallen nicht unter das Herkunftslandprinzip. Gleiches gilt für bestimmte Gewinnspiele im Internet oder das so genannte Spamming, also das Zusenden von unaufgeforderter Werbung durch e-mails. Das bedeutet, dass ein deutscher Anbieter, der e-mails in einen anderen EU-Mitgliedstaat versendet, die in diesem Staat geltenden Vorschriften bezüglich der Zusendung von Werbung per e-mail beachten muss. Andererseits können deutsche Behörden aus dem EU-Ausland kommendes Spamming uneingeschränkt verfolgen, da Spamming in Deutschland unzulässig ist.

Autor/in: 
Dr. Ina Maria Pernice, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2002, Seite 38

 
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