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Standortschließung wegen Branchenkrise

Schlechte Nachrichten kommen derzeit aus der Informations- und Kommunikationswirtschaft (IuK), dem wichtigsten Kompetenzfeld der Region Nürnberg. So soll der gesamte Ericsson-Standort in Nürnberg aufgelöst werden. Der Konzernbeschluss direkt aus der schwedischen Zentrale sieht die komplette Schließung zum Jahresende 2003 vor.

Größter Forschungs- und Entwicklungsbereich sind in Nürnberg die Sparten UMTS-Produkte und -Anwendungen sowie Infrastrukturtechnik für Mobilfunknetze, also etwa Basisstationen. Daneben wird derzeit in der Forschungsfabrik Nordostpark aber auch noch in den Segmenten Funkzugangstechniken, Sprachcodierung und Spracherkennung gearbeitet.

Mit diesem Kostenschnitt ist nun das Ende der rund 350 Arbeitsplätze, rund 95 Prozent davon sind hochqualifizierte Elektroingenieure und Nachrichtentechniker, des Ericsson Eurolab Deutschland in Nürnberg besiegelt. Bereits im September wurde der Eurolab-Standort in Hildesheim mit über 200 Mitarbeitern geschlossen. Auch der niederländische Standort Enschede, noch etwas größer als Nürnberg, soll noch im laufenden Jahr schließen. Lediglich das deutsche Eurolab in Herzogenrath bei Aachen soll nach jetzigem Kenntnisstand ungeschoren davonkommen. Außerdem wird die deutsche Ericsson GmbH, zuständig für Vertrieb, Marketing und Service von Mobilfunknetzen, Festnetzen und Anwendungen, unangetastet bleiben.

Mit den Einschnitten reagiert der schwedische Telekomausrüster Ericsson auf die trübe Auftragslage im globalen Telekommunikationsmarkt. Der Mobilfunkstandard UMTS, für deren Lizenzen allein in Deutschland sechs Anbieter 50 Mrd. Euro hinblätterten, scheint sich für einige Anbieter zum Milliardengrab zu entwickeln. Lizenzhalter Quam gab Mitte Oktober den Rückzug aus dem Mobilfunkgeschäft in Deutschland bekannt, Lizenzhalter Mobilcom konnte nur mit einer Bundesbürgschaft am Leben erhalten werden.

Ericsson als führender Netzausrüster kämpft derzeit mit einem um 35 Prozent geschrumpften Auftragsbestand, für das Gesamtjahr wird ein Umsatzrückgang von 15 Prozent erwartet. Der Branche geht es nicht besser: Der einstige Marktführer Lucent ist schwer angeschlagen und auch Siemens, Nortel und Alcatel haben ihre Erwartungen drastisch nach unten geschraubt. Anfang 2001 hatte der Branchenprimus Ericsson noch weltweit 107 000 Beschäftigte in mehr als 140 Ländern auf der Gehaltsliste stehen, im Sommer 2002 waren es nur noch 76 000. Ende 2003 sollen es dann nur noch 60 000 Mitarbeiter sein.

Wie unvorbereitet man bei Ericsson in Nürnberg getroffen wurde, belegt auch die Tatsache, dass nach der Bekanntgabe des bevorstehenden Aus eilig mit der Gründung eines Betriebsrates begonnen wurde. Noch im April hieß es, der konzernweite Abbau von 10 000 Arbeitsplätzen werde in Deutschland keine Auswirkungen haben. Vier Wochen später hatte sich der Sparzwang so verschärft, dass in Nürnberg rund 50 Mitarbeiter entlassen werden mussten. Mit diesem Personalschnitt schien für den Nürnberger Standort das Schlimmste überstanden zu sein, es wurde das Ende von Hildesheim beschlossen.

Jetzt sieht es so aus, als wäre die Verbindung Nürnberg – Ericsson nur eine kurze Episode. Der Startschuss für den Nürnberger Forschungs- und Entwicklungs-Standort von Ericsson wurde 1994 mit sieben Mitarbeitern im Erlanger Gründerzentrum gegeben. Nach dem Umzug in den Nürnberger Nordostpark legte die Mitarbeiterzahl jährlich um 70 bis 80 zu – mit steigendem Tempo auf einen Spitzenwert von rund 420 Personen.

Zukunft der Nachwuchsförderung unklar
Auch der vorbildlichen Nachwuchsarbeit in der Region wurde ein Stoß versetzt. Ericsson war 1999 eines der Gründungsmitglieder des Nürnberger Vereins ICS (International Cooperative Studies), der in enger Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nürnberg einen konkreten Beitrag gegen den Ingenieurmangel leistet. Das Modell des Bachelor of Telecommunication sieht ein gegenüber dem üblichen Ingenieurabschluss beschleunigtes Studium vor, bei dem die Studenten von Beginn an bei einer Partnerfirma unter Vertrag stehen. Diese finanziert nicht nur das Studium, sondern bietet in den Semesterferien eine Mitarbeit im Unternehmen an. Außerdem werden die Absolventen per Vertrag an das Förderunternehmen gebunden.

ICS-Chef Thomas Schauer: „Das ist ein großer Schock“, zumal mit Ericsson ein konstruktiver Partner wegbreche. Dabei werden im Frühjahr drei weitere Stipendiaten ihren Bachelor erreichen, die eigentlich auf einen Berufseinstieg bei Ericsson gesetzt hatten. Vier weitere sind erst im dritten Semester, ein Bachelor-Anwärter hat gerade erst zum Wintersemester sein Studium begonnen. Wie es mit den Studenten weitergeht, ist derzeit noch völlig offen. Und Unternehmenssprecher Jens Kürten wiegelt erst einmal ab: Im Moment laufe alles weiter, das müsse man später klären.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2002, Seite 48

 
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