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Neuer Trend lässt Tourismus-Regionen und Kurorte durchatmen

Seit der letzten Gesundheitsreform von 1997 kriselt es leicht im Bereich der traditionellen Kuren. Den rund 330 deutschen Kur- und Heilbädern laufen die Gäste, bzw. Patienten zwar nicht direkt davon, jedoch fallen die Zuwächse deutlich geringer aus als früher und die durchschnittliche Aufenthaltsdauer hat sich verkürzt. Die große Hoffnung vieler Kurorte ist, dass auf die ausbleibenden Patienten nun selbst zahlende Gäste über die so genannte Wellness-Schiene folgen, doch das Unterfangen ist nicht unproblematisch.

Auf der einen Seite bieten Kurorte mit ihrer teilweise Jahrhunderte alten traditionellen medizinischen Kompetenz und ihrer gesundheitsförderlichen und touristischen Infrastruktur ideale Voraussetzungen für die Entwicklung des modernen Wellness-Tourismus, andererseits haben Kurorte gerade bei jüngeren Zielgruppen ein eher negatives Image, da sie mit Krankheit, Alter und Strenge in Verbindung gebracht werden. Die Zielgruppe der mehr genuss- und erlebnisbetonten Wellness-Touristen scheint sich an der tatsächlichen oder vermuteten „Krankenkassen- und Reha-Atmosphäre“ der Kur- und Bäderstädte zu stören.

Kritiker befürchten außerdem, dass durch ein zunehmendes Wellness-Angebot eine Verwässerung der klassischen Kur droht, was die Kostenträger noch misstrauischer und restriktiver stimmen könnte. Andere bezweifeln wiederum, dass Wellness überhaupt eine Innovation im Angebot der Kurorte darstellt und sehen darin entweder nur eine moderne Bezeichnung für ein Präventivangebot oder eine Zielgruppenausweitung unter den Vorzeichen der Erlebnisgesellschaft.

Durch diese Diskussion verunsichert, haben sich viele Kurorte in den 90er Jahren mit einem eigenen Wellness-Angebot noch zurückgehalten. Angesichts wiederaufstrebender, günstiger Kurorte im benachbarten Ausland, dürfte sich dies jedoch schnell ändern. Allerdings wird unter dem inzwischen vielfältigen und expandierenden Wellness-Angebot sehr Unterschiedliches verstanden. Diesem Angebot steht zudem eine weitgehend unerforschte Nachfrage gegenüber, wobei lediglich das steigende Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft auf ein großes Nachfragepotenzial schließen lässt.

In der Praxis ist unter Wellness in der Regel eine Unterform des Gesundheitstourismus zu verstehen und umfasst alles, was mit der Erhaltung und Förderung der Gesundheit zusammenhängt. Der Aufenthalt erfolgt dabei in einem spezialisierten Hotel mit umfassenden Leistungsbündeln und individueller Betreuung. Abzugrenzen ist diese Form nach Ansicht von Tourismusfachleuten insbesondere von der klassischen Kur, da es sich hierbei in erster Linie um kranke Menschen mit Gesundheitsstörungen handle, die außerdem in Kliniken beherbergt werden.

In vielen Kur- und Bäderorten mischen sich aber zunehmend beide Formen. So liegen zwar nach Angaben des Deutschen Heilbäderverbandes (DHV), Bonn, keine statistischen Erhebungen über Wellness-Übernachtungen vor. Die spürbare Nachfrage nach diesem Thema hat den Verband allerdings bewogen, das Gütesiegel „Wellness im Kurort“ ins Leben zu rufen, das in diesem Jahr erstmals durch den Verband verliehen wird und Qualitätsstandards sichern helfen soll. Generell plädiert der Heilbäderverband dafür, dass sich das Wellness-Segment in traditionellen Kurorten an der dortigen hervorragenden medizinisch-therapeutischen Kompetenz und Qualität orientieren sollte. Idealerweise, so DHV-Hauptgeschäftsführer Bodo K. Scholz, knüpfe „Wellness im Kurort“ dann an die Geschichte unserer Bäderkultur an und leiste so einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit und für die Volkswirtschaft.

Generell gibt es nach Auffassung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) drei wesentliche Erfolgsfaktoren, um aus Wellness-Tourismus Wertschöpfung zu generieren: Wo Wellness draufsteht, muss auch Wellness drin sein. Es gelten also hohe Qualitätsstandards. Zweitens muss eine moderne Infrastruktur auf- oder ausgebaut werden. Für gesundheitsorientierte Anwendungen sind bestimmte bauliche Voraussetzungen wie Schwimmbäder, Saunen usw. unumgänglich. Drittens müssen professionelle Mitarbeiter aus- und fortgebildet werden. Erst gut ausgebildete Fachkräfte machen die Vermittlung und Betreuung hochwertiger Wellness-Programme zu dem vom Kunden erhofften Erholungs- und damit Erfolgserlebnis. Eine Zielsetzung, die auch der IHK-Zertifikatslehrgang „Wellnessberater“ im Blick hat. Für die Zukunft des Tourismusstandorts Deutschland bietet der Wellness-Tourismus Chancen. Entscheidend wird hierbei sein, dass die Dienstleistungskette stimmig ist.

Vier Sparten von Badeorten
Insgesamt verzeichneten die rund 330 deutschen Kur- und Heilorte der vier Bädersparten Mineral- und Moorheilbäder, Heilklimatische Kurorte, Seeheilbäder und Kneippkurorte nach Angaben des Heilbäderverbandes im Jahr 2001 (neuere Zahlen lagen bei Redaktionsschluss nicht vor) fast 17 Mio. Gäste und Patienten, was einem leichten Plus von 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach. Die Gesamtzahl der Übernachtungen belief sich 2001 auf rund 105 Mio. (plus 1,7 Prozent). Allein in den Mineral- und Moorheilbädern stieg die Gästezahl um 135 000 im Vergleich zu 2000. Bei der Gästezahl führen Mineral- und Moorheilbäder mit rund sechs Mio. vor den Seebädern mit rund fünf Mio. Die gleiche Reihenfolge ergibt sich bei den Übernachtungszahlen: Mineralbäder lagen mit rund 42 Mio. Übernachtungen vor Seebädern mit etwa 34 Mio. Allerdings wurden dort die größten Übernachtungszuwächse (plus eine Mio.) gegenüber dem Vorjahr verbucht. Die größten Rückgänge bei Gästezahl und Übernachtungen gleichermaßen hatten die Heilklimatischen Kurorte zu verzeichnen. Hier waren es 2001 fast 200 000 Gäste und über 500 000 Übernachtungen weniger als noch im Vorjahr. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt in deutschen Kurorten bei rund sechs Tagen.

Heilbäder und Kurorte in Bayern
In Bayern sind 52 Heilbäder und Kurorte beheimatet, davon tragen 30 das begehrte, staatlich verliehene Prädikat „Bad“. Ein rundes Dutzend der bayerischen Heil- und Kurorte liegt in Nordbayern. Insgesamt gibt es im Freistaat 28 Mineral- und Moorbäder, 14 heilklimatische Kurorte und zehn Kneipp-Kurorte.

Einziges Bad in Mittelfranken: Bad Windsheim
Mittelfrankens einziges Bad ist seit 1961 Bad Windsheim. Mit der im Jahr 1998 gestarteten Kooperation „Gesundheitspark Franken“ haben die fränkischen Heilbäder und Kurorte eine Initiative begonnen, um die Gesundheits- und damit auch Tourismuskompetenz der Region zu stärken. Mit wenigen Ausnahmen schrieben die fränkischen Heilbäder und Kurorte 2001 wieder schwarze Zahlen und konnten nach Angaben des Tourismusverbandes Franken stabile Zuwächse bei Ankünften und Übernachtungen verzeichnen. Alle Mitglieder haben mittlerweile Pauschalangebote zu Paketen geschnürt und sich so mit Beauty- und Wellness-Angeboten ein zweites Standbein geschaffen. Den Heilbädertourismus sieht der Verband als traditionelles drittes Standbein des Frankentourismus neben dem Städte- und Erholungstourismus.

Weitere Bäder in Mittelfranken?
Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, die landschaftlich begünstigte Gegend der Hersbrucker Alb im Landkreis Nürnberger Land zur „Gesundheitsregion Hersbrucker Land“ auszubauen. Fernziel ist dabei „Bad Hersbruck“. Die lokale Aktionsgruppe ist ein Zusammenschluss von 13 Kommunen, die unter dem Motto „Gesund werden und gesund bleiben“ Gesundheit und Wellness mit den Schwerpunkten Natur, Kultur sowie lokale Produkte und Dienstleistungen fördern wollen. Im Leitungsgremium für das Regionalentwicklungskonzept der Gesundheitsregion Hersbrucker Land ist auch das IHK-Gremium Hersbruck vertreten. Auch in Fürth gibt es unter Mitwirkung des IHK-Gremiums Bestrebungen, die Bäder-Tradition der 20er Jahre wieder aufleben zu lassen. Damals erholten sich u.a. Kriegsversehrte in „Bad Fürth“. In Fürth gab es elf Quellen mit nachgewiesener Heilwirkung, die nach konkreten Plänen bis zum 1 000-jährigen Stadtjubiläum im Jahr 2007 reaktiviert werden sollen. Doch andernorts in Mittelfranken gibt es bereits Thermen, die verstärkt auch das Thema Wellness aufgreifen. So hat etwa in Stein bei Nürnberg ein privater Investor vor eineinhalb Jahren die „Therme Stein“ eröffnet, die das Wasser aus einer mehrere hundert Meter tiefen Quelle bezieht und das u.a. gegen rheumatische Erkrankungen wirkt. Das Thermalbad Treuchtlingen mitten im Naturpark Altmühltal ist schon seit längerem ein staatlich anerkannter Erholungsort mit Heilquellen-Kurbetrieb.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2003, Seite 32

 
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