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Warum Geiz nicht immer geil ist

Prof. Dr. Wolfgang Meinig ist Professor für Automobilwirtschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Außerdem leitet er die Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft FAW. WiM fragte ihn nach der aktuellen Lage dieser Branche sowie nach den Trends bei Autoexport, Technologie und Vertrieb.

Um im Kommunikationsdschungel überhaupt noch wahrgenommen zu werden, setzen Werbetreibende zunehmend auf ungewöhnliche Maßnahmen. Allerdings bereitet die Effizienzbewertung solcher Kampagnen große Probleme. Im Wesentlichen entsteht dies durch die bekannten Phänomene des „Information Overkill“ der Konsumenten. Dadurch erinnern sie sich schlechter an Werbung, weswegen die Effektivität klassischer Werbemaßnahmen abnimmt.

Eine zentrale Aufgabe besteht deshalb darin, sich gegenüber den Wettbewerbern abzugrenzen und zu profilieren, wobei Emotionen im Marketing- und Kommunikationsmix an Bedeutung gewinnen.

Deutsche Unternehmen verlieren oft zunehmend den Kontakt zu ihren Kunden. Die Fähigkeit, Kunden – aber auch Mitarbeiter – langfristig an sich zu binden, sinkt dramatisch. Zu diesem Schluss kommt eine Management-Studie unter Leitung von Lothar Rolke, Professor für BWL und Unternehmenskommunikation an der FH Mainz. Demnach rechnen rund 45 Prozent der deutschen Unternehmen mit einer anhaltenden Abnahme der Kundenloyalität. Ihnen stehen lediglich 22 Prozent gegenüber, die diesbezüglich optimistisch sind. Grund für die Entfernung vom Kunden seien Kommunikations- und Marketingstrategien, die falsche Prioritäten setzen. „Wer Kunden halten will, muss in der Kommunikation auf sie zusteuern“, so Rolke. Auf neuartige Bedürfnisprofile der Kunden reagierten deutsche Unternehmen vor allem mit „blindem Preis-Aktionismus“. „Geiz ist geil“-Strategien verschärften aber das Problem nur noch, weil in der Massenbewegung der kleinen Preise Loyalität nicht gefragt sei. Kundenbindung könne nicht gekauft, sondern nur durch eine Einbindung der Menschen in eine Werte-Welt erreicht werden.

Heute übernimmt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit schon beinahe zur Hälfte Aufgaben der Marketing-Kommunikation, wo hingegen die klassische Werbung voraussichtlich an Budget verlieren wird. Im Marketing-Mix wird die Bedeutung von „Below the line“-Aktivitäten steigen, auch Internet und Direktmarketing sind im Kommen. Bei börsennotierten Unternehmen ist der Kommunikationsaufwand um das 2,4-fache höher – ohne nachweisbar bessere Ergebnisse. Hier dienten heute laut Studie vor allem Analysen und Aktionärsmeinungen (weniger Aktienkurse) als Orientierungsmaßstab. Die Kommunikation mit dem Kunden bleibt dabei auf der Strecke.

Welche Schlüsse lassen sich daraus nun für die Automobilindustrie sowie für die Vermarktung neuer Automodelle ziehen? Der Studie „Die Zukunft des Kundenmanagements in der Automobilbranche“ zufolge, die von Prof. Dr. Michael Ceyp (Private Fachhochschule Wedel) und der Wiesbadener Marketingberatung UGW AG durchgeführt wurde, setzen die befragten Automobil-Händler bei der Kundengewinnung vor allem auf Direktmarketing und Events.

Zwei Drittel der Befragten stuften Events als wichtig oder sehr wichtig ein. Obwohl Events schon eine weit überdurchschnittliche Bedeutung besitzen, wird dieser Stellenwert auch in Zukunft noch weiter steigen. 52,2 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Bedeutung von Kundenveranstaltungen zunehmen wird. Ebenso stellt sich die Situation beim Direktmarketing zur Kundengewinnung dar. Hier gaben 82,8 Prozent der Teilnehmer an, dass Mailings wichtig oder sehr wichtig seien. Offenkundig kommt dem Direktmarketing dabei eine zentrale Zulieferfunktion für die Events zu. Beide Instrumente in Kombination bilden somit für Autohäuser einen zentralen Erfolgsfaktor bei der Gewinnung neuer Kunden.

Veranstaltungen steigern Verkaufsstättenerlebnis und Markenerlebnis gleichermaßen. Dass ein Event von den befragten Automobilhändlern als eines der probatesten Mittel zur Kundengewinnung gesehen wird, gründet sich u.a. auf die Tatsache, dass die Autohäuser dadurch offenbar die nötige Beachtung erhalten und es ihnen dadurch zudem gelingt, diese auch in Verkaufszahlen zu wandeln, was Kommunikations-Instrumenten wie Anzeigen, Plakaten, Internet- und e-mail-Werbung, Radio- und Kinospots nicht gelingt.

Allerdings gaben die Befragten weiterhin an, dass dem „üblichen Standard-Event“ Frühlingsfest mit Hüpfburg, Bratwürsten und der örtlichen Tanzgruppe heute keine Bedeutung mehr zukommt. Die Verantwortlichen haben erkannt, dass solchen Veranstaltungen ein klarer Informationswert, verbunden mit einem erkennbaren Nutzen für den Kunden, zu Grunde liegen muss.

Die Unternehmen haben zur Kenntnis genommen, dass der Verbraucher nicht mehr gedankenlos wie vielleicht noch vor zehn Jahren den Werbebotschaften der Industrie folgt. Genau hier setzen Kundenveranstaltungen an. Dabei soll durch die Gestaltung emotionaler Erlebniswerte die wahrgenommene Lebensqualität des Konsumenten gesteigert werden. Als Ausdruck der Suche nach neuen Wegen der Unternehmenskommunikation ist das Eventmarketing zu sehen. Ein Event – als ein besonderes Ereignis – soll dabei als Plattform zur erlebnisorientierten Kommunikation und Präsentation eines Produktes einer Dienstleistung oder eines Unternehmens genutzt werden. Events sind ein Erlebnis für alle Sinne und bleiben demnach entschieden länger im Gedächtnis als etwas, was man entweder nur gelesen, gehört oder gesehen hat.

Wohlstand und Wertewandel bewirken also eine Verschiebung in den Konsumprioritäten der Verbraucher: Konsumerlebnisse werden bedeutsamer als Konsumgüter. Gerade deshalb wird es für die einzelnen Branchen immer zwingender, ihre herkömmlichen Werbemaßnahmen durch Eventmarketing innerhalb ihres jeweiligen Kommunikationsmixes zu ergänzen.

Beispiel: SLK-Präsentation
Die Mercedes-Benz Niederlassung Nürnberg verfolgt nunmehr seit drei Jahren eine jährlich angepasste Strategie von integriertem Eventmarketing, um sich im Wettbewerbsumfeld abzugrenzen. Die Produkteinführungen beziehungsweise die so genannten Facelifts geben den Anlass für dieses Eventmarketing. Zuletzt wurde im April der neue Sportwagen der SLK-Klasse vorgestellt. Dazu wurde unabhängig von der Konzernstrategie eine eigenständige Präsentation in Nürnberg organisiert. Kunden der DaimlerChrysler Niederlassung und speziell die Käufer des neuen Fahrzeuges wurden mit einer gesonderten Einladung bereits in den Farben des Kunden-Abends angeschrieben. Die Bestätigung der Anmeldung erfolgte mit einer personalisierten Eintrittskarte.

Entsprechend wurden die Gäste individuell begrüßt und in den neuen – zu einer VIP-Lounge inszenierten – Verkaufsraum geführt und mit einem farblich abgestimmten Aperitif empfangen. Für den informativen Part des Abends sorgte der verantwortliche Produkt-Manager Reinhard Münster. Die Talk-Runde mit Niederlassungsleiter Armin Mack und Verkaufsleiter Hans-Joachim Böttcher wurde von Barbara Hahlweg (ZDF) moderiert. Um den Spannungsbogen nicht zu überziehen wurden die Gäste in die „Halle des SLK“ geführt. Dort wirkten nur die Fahrzeuge, alles andere wurde optisch in den Hintergrund gestellt. Gleichzeitig gab es zur etwas kühleren Atmosphäre angepasstes Catering. Wem es dort „zu kalt“ war, durfte sich am Nachspeisen-Buffet in der Lounge mit einem Glas Wein verköstigen und den Abend bei guter Unterhaltung und Live-Musik ausklingen lassen. Wichtiger Aspekt bei alledem war, eine Kommunikations-Plattform zwischen Kunde und Mitarbeiter zu schaffen.

Die Raum-Inszenierung in Verbindung mit den Informations-Medien, der Einsatz von effektvollem Licht im Zusammenspiel mit leichten Deko-Stoffen bis zur floralen Gestaltung, spielten zusammen. Das Personal vom Koch bis zum Service wurde speziell für diesen Abend ausgesucht, eigens eingewiesen und ausgestattet.

Insgesamt lassen sich gute Gründe aufführen, (nicht nur) in der Automobil-Präsentation das Event-Marketing mit all seinen Facetten als Kommunikationsinstrument zu nutzen: Events sind ein relativ junges Kommunikationsinstrument, weshalb es sich als innovative und erlebnis-orientierte Form eignet, um Werbebotschaften zu übermitteln. Die steigende Bedeutung begründet sich durch den Wandel der Gesellschaft (von der Arbeits- zur Freizeitgesellschaft) und die Überflutung der Konsumenten mit Informationen.

Die einzelnen Stufen eines Events (Planung, Durchführung und Kontrolle) werden in der Literatur bisher kaum behandelt. Der Weg zu einer qualifizierten Planung und Durchführung von Veranstaltungen (unter Inanspruchnahme von Eventagenturen) wurde 1997 durch das Forum MarketingEventagenturen gezeichnet. Die Kontrolle dieses Instrumentes blieb damals noch weitgehend unberücksichtigt. Doch wird dieser Aspekt immer wichtiger, weil die immer größer werdenden Ausgaben für eine Veranstaltung in irgendeiner Weise in das Unternehmen zurückfließen müssen. Der Rückfluss kann in der Veränderung der Einstellung und im Wissen über das Unternehmen sowie dessen Produkte erfolgen. Die Einstellungsveränderungen sind dann ein wichtiger Faktor für das letztendliche Verhalten des Konsumenten (Kauf von Gütern oder Dienstleistungen).

Stefan Frischeisen, s.frischeisen@eventpiloten.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2004, Seite 18

 
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