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Risiken für die Kfz-Branche

Prof. Dr. Wolfgang Meinig ist Professor für Automobilwirtschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Außerdem leitet er die Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft FAW. WiM fragte ihn nach der aktuellen Lage dieser Branche sowie nach den Trends bei Autoexport, Technologie und Vertrieb.

Mit der Schaffung des Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 sind innerhalb der Europäischen Union die Steuergrenzen und Grenzkontrollen weggefallen. Exporte deutscher Unternehmen an Unternehmen, die in einem anderem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, sind seitdem grundsätzlich steuerfrei. Korrespondierend zu der Steuerfreiheit in Deutschland unterliegt diese Lieferung jedoch der Besteuerung im Bestimmungsland der Ware. Die Überprüfung der Einhaltung dieser Vorschriften findet durch den Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedsländern statt. Nach über zehn Jahren EU-Binnenmarkt hat sich jedoch gezeigt, dass dieses System sehr anfällig für Missbrauch ist. Unredliche Unternehmer nutzen hierbei die Schwächen des Kontrollsystems aus, indem sie so genannte „Umsatzsteuerkarusselle“ installieren und somit den Finanzbehörden Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe zufügen.

Ehrliche Unternehmen betroffen
Im Zusammenhang mit diesem innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug zählt jedoch nicht nur der Fiskus zu den Opfern. Auch redliche Unternehmer sind in zunehmendem Maße von diesen betrügerischen Machenschaften betroffen. Aufgeschreckt durch die immensen Steuerausfälle verweigern Finanzämter, gestützt auf entsprechende Verfügungen der Oberfinanzdirektionen (OFD), die Gewährung der beschriebenen Steuerbefreiung, vor allem mit der Begründung, bei dem Abnehmer handele es sich um einen so genannten Scheinunternehmer („Missing Trader“). Neben dem Handel mit Computerbauteilen und Handys wird vor allem der innergemeinschaftliche Handel mit Pkw von den Finanzbehörden unter die Lupe genommen. Wurde diese Problematik Anfangs noch durch Betriebsprüfungen oder Umsatzsteuersonderprüfungen aufgegriffen, werden nunmehr vermehrt Fälle bekannt, in denen der Kfz-Handel ins Visier der „Steuerfahndung“ geraten ist. Aktionen der Fahndungsstellen führen regelmäßig zu umfangreichen Durchsuchungsaktionen, verbunden mit einer Arrestierung des Vermögens der betroffenen Unternehmer. Auf Grund dessen lohnt es sich, einen Blick auf die wichtigsten Anforderungen der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu werfen:

Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung:
? Der Unternehmer (z. B. Kfz-Händler) oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung (z. B. Pkw) in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet (§ 6 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz UStG).
? Der Abnehmer im EU-Mitgliedsland hat den Gegenstand für sein Unternehmen erworben (§ 6 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a UStG).
? Der Erwerb des Gegenstandes unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedsland der Umsatzbesteuerung, so genannte Erwerbsbesteuerung (§ 6 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

Durch die bloße Verwendung, also der Mitteilung seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID-Nr.), bringt der Erwerber das Vorliegen dieser Verwendungsabsicht zum Ausdruck. Der Gesetzgeber hat zudem dem Lieferanten auferlegt, diese Voraussetzungen im Rahmen des so genannten Buch- und Belegnachweises entsprechend der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) zu dokumentieren. Besondere Bedeutung hat dabei § 17 a Abs. 1 UStDV, demzufolge der inländische Unternehmer verpflichtet ist, sich die Richtigkeit der USt-ID-Nr. des Abnehmers über eine Abfrage beim Bundesministerium für Finanzen in Saarlouis bestätigen zu lassen (so genannte qualifizierte Bestätigungsabfrage). Nach § 6 a Abs. 4 UStG ist eine Lieferung auch dann steuerfrei, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen zwar nicht vorliegen, die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung aber auf unrichtigen Angaben des Empfängers beruht und der leistende Unternehmer die Unrichtigkeit auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte.

Betrachtet man die Regelung des § 6 a Abs. 4 UStG, so denkt man, der deutsche Unternehmer würde vor betrügerischen Abnehmern geschützt. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese so genannte „Vertrauensschutzregelung“ in zunehmendem Maße unterlaufen wird. Die durchgeführten Prüfungen führen immer häufiger zu der nachträglichen Aberkennung der in Anspruch genommenen Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen und der nachträglichen Festsetzung von Umsatzsteuer. Dies wird in der Regel damit begründet, dass durch Kontrollmitteilungen des für die Erwerbsbesteuerung zuständigen Mitgliedstaates die Unternehmereigenschaft des Abnehmers verneint wird (so genannter „Scheinunternehmer“).

Liegt somit eine Lieferung an einen vermeintlichen „Missing Trader“ vor, folgert der Fiskus, dass der deutsche Exporteur nicht die USt-ID-Nr. des tatsächlichen Abnehmers, sondern die des Scheinunternehmers aufgezeichnet hat mit der Folge, dass somit der oben genannte Buchnachweis nicht erfüllt ist und die Lieferung steuerpflichtig zu behandeln ist. Die Berufung der Unternehmer auf den Vertrauensschutz wird von den Finanzbehörden nicht anerkannt. Auf allgemeine Regelungen, wie sich der redliche Unternehmer schützen kann, wartet man vergebens. Für die Praxis bedeutet dies ein enormes Risiko, da Prüfungen der Finanzverwaltung teilweise zu Steuernachforderungen in Millionenhöhe führen und existenzbedrohende Ausmaße annehmen können. Die wichtigste Frage, die sich hierbei stellt, ist wie sich der Unternehmer vor derartigen negativen Folgen schützen kann:

Eine der Empfehlungen der Finanzbehörden lautet, dass sich ein sorgfältiger Kaufmann über die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Kunden vor Ort erkundigen muss. Hierbei wird unter anderem die Einholung einer Wirtschaftsauskunft über den Abnehmer vorgeschlagen. Stellt sich jedoch durch Nachforschungen ausländischer Behörden in der Nachschau heraus, dass trotz vorheriger positiver Auskunft ein „Missing Trader“ vorgelegen hat, fällt laut Auffassung verschiedener Oberfinanzdirektionen die nachträgliche Inanspruchnahme des leistenden Unternehmers unter das allgemeine Umsatzsteuerrisiko. Für betroffene Unternehmer ist es deshalb notwendig, eventuelle Verfahren unter Ausschöpfung aller Mittel offen zu halten, bis eine unternehmerfreundliche und pragmatische höchstrichterliche Rechtsprechung ergeht. Eines der wenigen positiven Urteile erging vor einiger Zeit vom Finanzgericht München (Urteil vom 31. Juli 2003, Az. 14 K 4876/02). Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof dem Finanzgericht München beipflichtet.

Markus Baumgartner, markusBaumgartner@kpmg.com
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2004, Seite 20

 
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