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Das Diktat der leeren Kassen

Schmerzhafte Einschnitte drohen dem Schienenverkehr in Nordbayern durch die Kürzungen der öffentlichen Haushalte. Für eine ganze Reihe von Neubaustrecken steht so gut wie Geld zur Verfügung. Dies wurde auf einer gemeinsamen Veranstaltung von IHK und Bayerischem Bauindustrieverband deutlich. Der Vorsitzende des Bezirksverbandes des Bayerischen Bauindustrieverbandes, Dr. Veit Walthelm, mahnte eine deutliche Ausweitung des Investitionsetat für die Bahninfrastruktur an. Die Mitteleinsparungen und -kürzungen führten zu Entlassungen in der Bauindustrie und bei Planungsbüros.

Nach Aussagen von Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der Bahn für Bayern, sowie Jürgen Seiler, Leiter der DB Projektbau, stehen von den ursprünglich vorgesehenen 4,9 Mrd. Euro für 2004 nur noch 3,7 Mrd. Euro zur Verfügung. Ähnlich unzureichend werde der Haushalt in den nächsten Jahren sein. Allein für die Instandhaltung des bestehenden Netzes würden jährlich 2,5 Mrd. Euro benötigt. Somit stünden für Neubaumaßnahmen nur wenige hundert Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung. Deshalb stünden auch Projekte im so genannten vordringlichen Bedarf wie die Strecke Nürnberg-Marktredwitz nur am hinteren Ende der Prioritätenliste. Im Plan sei hingegen die Fertigstellung der ICE-Strecke Nürnberg-Ingolstadt-München: Ein Shuttlebetrieb werde bis zur WM 2006 eingerichtet, der Regelbetrieb starte wie angekündigt zum Fahrplanwechsel 2006/2007.

Nur Maßnahmen, um das Baurecht zu erhalten, seien hingegen für die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt möglich. Wie der IHK Mitte Juli bekannt wurde, misst die Bahn diesem Projekt einen hohen Rang zu. Sie versucht, zusätzliche Mittel für den Aus- bzw. Neubau zu erhalten. Gegenwärtig sind jedoch lediglich 165 Mio. Euro für die Neubaustrecke Ebensfeld bis Erfurt in die Mittelfristplanung (2004-2008) des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege eingestellt.

Nach wie vor auf sich warten lässt der Spatenstich für die S-Bahn Nürnberg-Forchheim. Während Staatsminister Dr. Otto Wiesheu die Finanzierungsvereinbarung bereits im Februar 2004 unterzeichnete, fehlt immer noch die Unterschrift von Bahnchef Hartmut Mehdorn. Auf Grund der Verknüpfung mit den so genannte Anti-Staumitteln ist eine Realisierung abhängig von der ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt. Hier besteht aber mittlerweile Grund zur Hoffnung: So sind im soeben verabschiedeten Schienenwegebedarfsplan zehn Mio. Euro für den Bau des dritten Gleises zwischen Nürnberg und Fürth eingestellt. Dennoch ist dies nur ein Anfang, da für diesen Streckenabschnitt insgesamt 50 bis 80 Mio. Euro benötigt werden.

Wie funktioniert im Nachbarland Schweiz die Planung und Umsetzung von Bahnprojekten? Peter Testoni, Vizedirektor des Schweizer Bundesamtes für Verkehr, erläuterte den so genannten „FinÖV-Fonds“. Dieser eigens für neue Schienenprojekte eingerichtete Fonds habe ein Volumen von 30,5 Mrd. Franken und werde größtenteils aus Mauteinnahmen gespeist. Hinzu kommen Zuwendungen aus der Mehrwertsteuer und der Mineralölsteuer, ein Viertel des Geldes werde über den Kapitalmarkt als Darlehen aufgenommen. Der Fonds diene vor allem zur Finanzierung größerer Bahnprojekte wie dem Lötschbergtunnel und dem Gotthardbasistunnel. Aber auch der Schweizer Fonds ist inzwischen so gut wie ausgeschöpft und die Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen machen Probleme.

Wie die Schweiz trotz knapper Mittel auch deutsche Infrastruktur vorantreibt, machte Testoni an einem Beispiel deutlich: So haben die Eidgenossen der Bundesrepublik Deutschland die Vorfinanzierung des Ausbaus der Bahnstrecke Lindau-Memmingen in einer Größenordnung von 100 Mio. Euro angeboten. Eine Einigung mit dem bundesdeutschen Verkehrsministerium steht bisher noch aus. Der Chefplaner des Lötschbergtunnels, Dr. Peter Hufschmied von Emch & Berger, erläuterte den Umgang mit Ausschreibungen und Kostenermittlung bei Bahngroßprojekten in der Schweiz. Deutlich wurde, dass bei den Ausschreibungen die Qualität des Anbieters anders als in Deutschland eine sehr große Rolle spiele. Sie gehe in die Bewertungen ähnlich hoch ein wie das abgegebene Preisangebot.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2004, Seite 21

 
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