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Kohlendioxid wird Handelsware

Politik und Wirtschaft arbeiten mit Hochdruck für den Start des europaweiten Kohlendioxid-Emissionshandels ab dem 1. Januar 2005. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind immer noch nicht klar. Dennoch bereiten sich in Deutschland ca. 1 750 Unternehmen mit insgesamt ca. 2 400 Anlagen intensiv darauf vor. In Mittelfranken sind in der ersten Phase rund 50 Anlagen betroffen. Niemand kennt genau das Handelsvolumen und den Handelspreis. Wer wird in einer angenehmen Verkäuferposition sein, wer wird Emissionsberechtigungen nachkaufen müssen? Vieles ist noch unklar.

Tausende von Umweltvorschriften machten Deutschland zu einem der saubersten Industriestandorte weltweit. Dies führte aber auch zu Überreglementierungen, überzogener Bürokratie und Überforderung von Vollzug und Unternehmen. Nun soll am Beispiel Kohlendioxid (CO2) alles besser werden. Ab dem 1. Januar 2005 dürfen die betroffenen Unternehmen nur noch CO2-Emissionen ausstoßen, wenn sie hierfür eine entsprechende Anzahl von Emissionsberechtigungen (Zertifikate) an einem festgelegten Stichtag besitzen. Durch den Handel mit diesen Zertifikaten ergeben sich für das Unternehmen alternative neue Optionen. Es kann zum Beispiel durch Investitionen in CO2-ärmere Technologien oder durch Änderung der Energieträger überschüssige Zertifikate verkaufen. Hat das Unternehmen zu wenige Zertifikate, muss es nachkaufen.

Der Weg hin zu den Emissionszertifikaten
Bislang gibt es in Europa keinerlei Erfahrungen mit diesem Instrument. Es wäre auch in absehbarer Zeit nie realisiert worden, wenn dies nicht von der Internationalen Staatengemeinschaft in Kyoto 1997 völkerrechtlich vereinbart worden wäre. Dies bedeutet eine weltweite Reduktion von sechs klimawirksamen Gasen um 5,2 Prozent von 2008 bis zu 2012 auf Basis 1990. Eines dieser Gase ist CO2. Das von Anfang an bestehende politische Misstrauen in dieses neue Instrument führte zu einer Überreglementierung, zu unkalkulierbaren Transaktionskosten und – dies bleibt zu befürchten - einer überzogenen Bürokratie. Bis zum Handelsstart am 1. Januar 2005 wird auf europäischer Ebene und in Deutschland eine Vielzahl an neuen rechtlichen Regelungen verabschiedet sein.

Unterschiedliche nationale Umsetzung in Europa
Die meisten Mitgliedstaaten hoffen, dass ab dem 1. Januar 2005 der Handel ohne allzu viel Improvisation beginnt. Bis zum 31. März 2004 hätten alle Mitgliedstaaten ihre Nationalen Allokationspläne (NAP) der Kommission vorlegen müssen. Bisher erfolgte dies nur von elf der insgesamt 25 Mitgliedsstaaten. Außerdem sind die vorgelegten Pläne, in denen die entscheidenden Zuteilungskriterien für die Emissionsberechtigungen an Unternehmen für die europaweite Handelsperiode 2005 bis zu 2007 festgelegt werden, auf Grund unterschiedlicher Datenstruktur kaum vergleichbar. Dennoch sind Wettbewerbsnachteile vor allem für deutsche Unternehmen bereits jetzt erkennbar auf Grund der gewählten Wachstumsprognose, dem festgelegten Basisjahr, dem definierten Anlagenbegriff und der nationalen Umsetzung der anderen, so genannten flexiblen Kyoto-Instrumente „Joint Implementation (JI)“ und „Clean Development Mechanism (CDM)“. Deshalb wird es Mitte dieser Handelsperiode eine umfassende Überprüfung geben. Die Kommission wird voraussichtlich die Zuteilungskriterien europaweit rechtsverbindlich festlegen.

Ausstehende Hausaufgaben erledigen
Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen Wirtschaft und Politik ist inzwischen das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) als Basisgesetz verabschiedet worden und tritt in Kürze in Kraft. Damit wurde die europäische Emissionshandelsrichtlinie inhaltlich umgesetzt und die Geschäftsgrundlage für die neue bundesweite, am Bundesumweltamt angesiedelte Behörde „Deutsche Emissionshandelsstelle“ (DEHSt) geschaffen. Das für jedes einzelne Unternehmen entscheidendere Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007), mit dem jedes Unternehmen eine bestimmte Anzahl an Emissionsberechtigungen für die EU-Handelsperiode erhält, wird voraussichtlich im August in Kraft treten. Bis Jahresende müssen auch noch mehrere Rechtsverordnungen erlassen werden, zum Beispiel über das europaweite Handelsregister, die Sachverständigen-Regelungen (Verwaltungsvorschrift), Benchmarks für einzelne Anlagentypen/ Branchen und spezifische NAP-Kriterien. Auch die DEHSt wird bis dahin voll funktions- und leistungsfähiger Dienstleister für die deutschen Unternehmen sein, die dort ihre Emissionszertifikate-Zuteilung auf Grundlage eines Emissionsberichtes beantragen und zuvor von Sachverständigen überprüfen lassen müssen.

Zu Recht gilt auch für die Europäische Kommission die EU-Periode als Testperiode. Erst ab der international verpflichtenden Kyoto-Periode (2008 bis 2012) wird es ernst. Dies muss auch in Deutschland erkannt werden. Zumal sich Deutschland im Rahmen des Lasten-Teilungs-Verfahrens verpflichtet hat, innerhalb der von der EU zugesagten Acht-Prozent-Minderung alleine 21 Prozent zu übernehmen. Bereits jetzt kann Deutschland eine Reduktion gegenüber 1990 in Höhe von über 19 Prozent vorweisen. Alle anderen Staaten haben niedrigere Reduktionsquoten und liegen – mit Ausnahme von Großbritannien, Luxemburg und Deutschland – bisher auch nicht auf dem Kurs, ihre Ziele zu erreichen.

Die IHK Nürnberg für Mittelfranken hält für betroffene Unternehmen ein Informationspaket bereit.

Dr. Armin Rockholz, DIHK / Dr. Robert Schmidt, IHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2004, Seite 22

 
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