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Ungeliebt und unverstanden

Selbstverwirklichung, nicht Gewinnstreben ist nach aktuellen Studien die Hauptmotivation der Unternehmer. Dies entspricht allerdings nicht ihrem Image in der Öffentlichkeit.

Menschen sind liebesbedürftig, Unternehmer machen da mit Sicherheit keine Ausnahme. Doch Anerkennung finden sie hier zu Lande kaum. Im 20. Jahrhundert war dies nur in den 50er Jahren anders, als die Zigarre schmauchenden Firmenkapitäne ein Symbol waren für die Dynamik der Wiederaufbau- und Wirtschaftswundergesellschaft. Umfragen ergeben regelmäßig schlechte Imagewerte für die Unternehmer. Dass der Kapitalismus in Deutschland keine Lobby hat, ist keine larmoyante Klage von Interessengruppen, die nie zufrieden sind. Studien belegen die These, dass Unternehmer häufig als Feindbild herhalten müssen.

Das Commerzbank Ideenlabor hat sein Augenmerk auf die vier Mio. Selbstständigen, Freiberufler, Gewerbetreibenden und Inhaber kleiner Unternehmen gerichtet, die erheblich zur wirtschaftlichen Stabilität des Landes beitragen. Die Forschungsergebnisse belegen, dass es sich bei den meisten Unternehmern wohl weder um „geniale Neuerer“ im Sinne von Joseph Alois Schumpeter noch um „Leistungshelden“ oder um „kalte Rechenmaschinen“ handelt. Prof. Hariolf Grupp, Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung (IWW) an der Universität Karlsruhe (TH) und Direktor des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI), fasst seine Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammen: Unternehmer fühlen sich – anders als viele Manager oder leitende Angestellte – ihrer Profession in besonderer Weise verbunden. Manager fühlen sich der Branche, in der sie arbeiten, nicht so stark verpflichtet und sind auch für Branchenwechsel offener.

Die Inhaber kleiner Firmen betonen ihre gesellschaftliche Verantwortung als Arbeitgeber und grenzen sich von Konzernen ab, denen sie teilweise Hire-and-fire-Politik auf Kosten der Allgemeinheit vorwerfen. Ein weiteres verbindendes Element zwischen den Kleinunternehmern ist das gemeinsame Leiden an der „deutschen Krankheit“, deren Symptome Regulierungswut, Paragrafendschungel und Bürokratiedickicht lauten. Die Mär vom gierigen Kapitalisten wird durch die Forschungsresultate des Ideenlabors ebenfalls widerlegt. „Im Gegenteil – für keinen einzigen der interviewten Unternehmer war beispielsweise Gewinnstreben ein Grund für den Schritt in die Selbstständigkeit. Diese Aussagen finden sich dadurch bestätigt, dass in der Lebensplanung der Befragten die finanzielle Versorgung der Familie oder auch der Berufsausstieg mit 50 Jahren keine Rolle spielen. In ihrer selbstständigen Tätigkeit sahen und sehen alle befragten Unternehmer in erster Linie eine Chance zur Selbstverwirklichung“, so Grupp gegenüber dem „Rheinischen Merkur“.

Doch offensichtlich dringen die deutschen Unternehmer mit ihrem Selbstbild nicht durch. Das Fremdbild, welches ihnen die Gesellschaft anheftet, bleibt negativ. Bei solchen Befunden verwundert es nicht, dass hiesige Debatten über den Kapitalismus wenig sachkundig ausfallen, schreibt Rüdiger Jungbluth, Autor eines Sachbuches über die Wirtschaftsdynastie der Quandts, in einem Beitrag für das Unternehmermagazin Impulse. „Auch nach fast sechs Jahrzehnten mit stetig wachsendem Wohlstand im Westen Deutschlands hat die Marktwirtschaft hier zu Lande weniger engagierte Anhänger als die meisten esoterischen Lehren“, kritisiert Jungbluth. Unternehmertum stehe nämlich für Konkurrenz, Dynamik, Unruhe, Aufstieg und Abstieg. Das ist den meisten Bürgern nicht geheuer, denen eine „atavistische Sehnsucht nach der Ruhe und Ordnung einer geschlossenen Gesellschaft, eine Sehnsucht nach Stillstand und Endgültigkeit, nach einer Welt ohne Wachstum, ohne Wandel und ohne Wechsel von Arbeitsplätzen und Wohnungen“ eigen sei.

Autor/in: 
Ansgar Lange
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2006, Seite 19

 
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