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Aufgebügelt und knitterfrei

Kurzlebige Modetrends, aber globale Herstellungsprozesse: Die Textillogistik muss schnell und weltumspannend sein.

Keine andere Branche lebt so sehr von kurzfristigen Trends wie die Bekleidungsindustrie. Gleichzeitig findet ihre Produktion kaum noch in Deutschland statt. Dadurch sind die textilen Lieferketten zu einer großen logistischen Herausforderung geworden. Offenbar zu groß und zu weit vom Kerngeschäft entfernt, als dass sich die Modebranche noch selbst darum kümmern will. Die Steuerung des Waren- und Informationsflusses „from sheep to shop“ – vom Schaf bis in den Laden – übernehmen stattdessen spezialisierte Logistikdienstleister. Nach Angaben des Bundesverbands des Deutschen Textil-Einzelhandels gaben die Bundesbürger im Jahr 2004 fast 49 Mrd. Euro für Bekleidung aus. Allein die jährlichen Logistikkosten für hängende Ware liegen bei rund 500 Mio. Euro.

Egal ob bei Hennes & Mauritz, Lindex, Mango, C & A oder den meist an eine Einkaufsgemeinschaft angeschlossenen lokalen Textilhäusern: Das Geschäft mit der Mode läuft immer schneller. Genügten früher zwei Kollektionen pro Jahr und jeweils eine Lagerräumung per Schlussverkauf, so wechselt die Branche heute monatlich oder noch häufiger ihre Sortimente. Die spanische Einzelhandelskette Zara bringt es beispielsweise auf bis zu 15 verschiedene Kollektionen pro Jahr. Das Kleid, das Heidi Klum heute über den Laufsteg in Paris trägt, oder die neue Lederjacke von Popstar Robbie Williams gibt es meist schon kurze Zeit später auch in den Fußgängerzonen von Hanau, Herne oder Hildesheim zu kaufen. Natürlich handelt es sich dabei nicht mehr um Designer-Einzelstücke. Zwischenzeitlich haben die Trendmaschinen des Textilhandels deren Ideen aufgegriffen und blitzschnell in Mode umgesetzt, die auch für Kunden mit mittlerem und kleinem Geldbeutel erschwinglich ist.

Bei manchen vertikal organisierten Filialisten dauert es inzwischen nur noch sechs Wochen von der Idee bis in die Geschäfte. Der genau Weg, den die Ware in dieser Zeit zurücklegt, wird zunehmend globaler: Die Schnittmuster entstehen meist noch im Inland, das Material kommt dann aber oft schon aus Fernost, angefertigt wird ebenfalls dort oder in Nordafrika, der Türkei bzw. in einigen Ländern Südosteuropas. Der Grund für die weitgehende Abwanderung der Textilproduktion und -verarbeitung aus Deutschland waren meist die zu hohen Produktionskosten. Zusammengefasst gilt für das Modegeschäft von heute: Zeit ist Geld und Lager kosten Geld. Deshalb finden spezialisierte Textillogistiker zunehmend ihren Markt.

Mehr als nur Transportieren
Die Logistik auf dem Weg ins Geschäft besteht längst nicht nur aus Transportvorgängen. Die Kunden verlangen Betreuung aus einer Hand und leicht zu kalkulierende, das heißt direkt auf das einzelne Teil umzurechnende Logistikkosten. Ginge es nur darum, einen Berg Kleidung von A nach B zu fahren, wären die erzielbaren Frachtraten und damit die Margen der Logistikbetriebe gering. Der Modehandel müsste weiterhin zahlreiche Nebentätigkeiten selbst verrichten. Im Portfolio eines Textillogistikers spielen gerade diese Nebentätigkeiten inzwischen Hauptrollen. Die so genannten „Value Added Services“ umfassen zunächst umfangreiche Qualitätskontrollen nach jedem Produktionsschritt. Stimmen Material, Verarbeitung und Passform? Gibt es auf einzelnen Stücken Flecken, nicht korrekt vernähte Fäden oder fehlt ein Knopf? Diese und viele weitere Prüfungen übernehmen die Logistikdienstleister ebenso wie die Aufbereitung der aus den Erzeugerländern meist in Kartons bzw. im Container angelieferten Kleidungsstücke für den Ort des Verkaufs (Point of Sale POS). Einzelprozesse dabei sind zum Beispiel das komplette Entfernen der Transportverpackungen, das Etikettieren und Anbringen eventueller Diebstahlsicherungen sowie das Aufbügeln.

Das Aufbügeln sorgt für einen optisch perfekten, knitterfreien Zustand der Textilien. Das geschieht, wenn Kunden und Ware es erlauben, halb- oder vollautomatisch in so genannten Tunneln oder auf speziell angefertigten Druckluftpuppen. Wenn nötig, muss der Logistiker aber auch das Bügeln von Hand organisieren. Anschließend werden viele Teile nochmals aufgebügelt, nämlich auf die Kleiderbügel, auf denen sie wenig später an den Displayständern des Einzelhandels hängen. Die weitere Lagerung dieser Teile beim Logistikdienstleister sowie schließlich ihr Transport in die Geschäfte erfolgen bereits als Hängeware. Trotz ausgeklügelter Schienenkonstruktionen im Lager und auf den Lkws kostet diese Versandart mehr Platz und ist teurer als der Transport in Kartons. Unter dem Strich rechnet es sich für den Händler trotzdem, denn die Mitarbeiter im Geschäft gewinnen dadurch mehr Zeit für ihre eigentliche Kernaufgabe, das Verkaufen.

Erfolgsfaktor Informationstechnik
Aktuelle Modeartikel werden zunächst nach dem Push-Prinzip in den Handel gedrückt. Um anschließend übergroße Lagerbestände in den Geschäften zu vermeiden, erfolgt die weitere Versorgung nach dem Pull-Prinzip. Das einzelne Geschäft hat also eine „Holschuld“ gegenüber dem Logistiker. Zusätzlich benötigte Ware wird, solange sie aktuell und damit noch verfügbar ist, vom Geschäft angefordert. Die hierfür notwendigen IT-Anbindungen werden häufig ebenfalls von Logistikdienstleistern betreut. Darüber hinaus gehören so genannte Tracking & Tracing Systeme auch in der Textillogistik zum Standard. Der Kunde muss und will schließlich genau wissen, wo sich seine dringend erwartete Lieferung gerade befindet.

Neue Möglichkeiten durch RFID-Funkchips
Gegenwärtig denkt auch die Bekleidungsbranche intensiv über Einsatzmöglichkeiten für RFID-Smartlabels (Radiofrequenzidentifikation) nach. Die Informationen der RFID-Chips werden über elektromagnetische Wellen, also quasi berührungslos, ausgelesen. Die mit einem solchen Chip ausgestattete Bluse oder das Jackett sagen also nach ihrem Abverkauf automatisch „Servus“ beim Zentrallager und sorgen so für schnellen Ersatz in den Auslagen.

Durch RFID lassen sich auch zahlreiche Kontrollen deutlich schneller als bisher durchführen. Um genau festzustellen, ob etwa in einem bestimmten Karton auch wirklich 200 Hemden liegen, musste bisher im Zweifelsfall von Hand gezählt werden. Mit RFID auf der Ware genügt dafür in Zukunft die Durchfahrt durch einen Scanner. Dieser fängt die Funksignale der Hemden in Sekundenbruchteilen auf und wertet sie aus. Bisher lassen eine Reihe von Kinderkrankheiten sowie der noch immer relativ hohe Preis der Chips zwar viele Akteure der Bekleidungsbranche vom flächendeckenden RFID-Einsatz absehen. In spätestens fünf Jahren, so die einhellige Meinung aller Experten, wird sich das System jedoch durchgesetzt haben.

Externer Kontakt: Heinrich Langkopf, langkopf@osnabrueck.ihk.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2006, Seite 44

 
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