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Mit Tempo 300 durch Bayern

In einer Stunde mit dem ICE von München nach Nürnberg: Dieser Traum wird mit der neuen Hochgeschwindigkeitstrasse Realität.

Nach achtjähriger Bauzeit haben Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Bahnchef Hartmut Mehdorn und Bayerns Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber die Trasse am 13. Mai offiziell für den Verkehr freigegeben. In Spitzenzeiten waren bis zu 1 800 Personen gleichzeitig an der insgesamt 171 Kilometer langen Trasse tätig, die nun die bayerischen Metropolen Nürnberg und München näher zusammenbringt: Seit 28. Mai sind die ICE-Züge auf der Strecke unterwegs, die sie derzeit noch in 78 Minuten zurücklegen. Wenn am 10. Dezember der neue Fahrplan in Kraft tritt, sind beide Städte nur noch 60 Minuten auseinander. Bisher waren die Reisenden 100 Minuten unterwegs.

Auf dem 89 Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen Nürnberg und Ingolstadt, der neu gebaut wurde, fahren die ICE seit Ende Mai bis zu 300 Stundenkilometer, die 82 Kilometer lange Bahnlinie von Ingolstadt nach München wird für Geschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometer ausgebaut. Diese Beschleunigung kommt nicht nur dem innerbayerischen Verkehr zugute, so Mehdorn, schneller werden auch die Fahrten von München beispielsweise nach Köln, Frankfurt am Main, Berlin oder Hannover.

Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der schnellen Strecke zwischen München und Nürnberg erweitert die Bahn ihr Platzangebot. Ab 28. Mai werden die bisher zum Teil in Nürnberg endenden ICE-Züge aus Dortmund bis München weitergeführt und somit ein durchgehender Zweistunden-Takt angeboten. Da die Nachfrage schon heute sehr groß ist, erweitert die Bahn die Platzkapazitäten auf dieser Linie von 440 auf 880 Plätze pro Zug.

Schnellster Regionalverkehr
Bei der Festlegung des Streckenverlaufs wurde nach Angaben der Deutschen Bahn insbesondere darauf geachtet, dass die Baumaßnahme die Natur- und Siedlungsräume der Region nicht über Gebühr belastet. Daher wurde die Strecke zum Teil parallel zu bestehenden Bahntrassen, größtenteils jedoch parallel zur Autobahn A 9 geführt. In Allersberg, Kinding und Ingolstadt-Nord entstanden auf Wunsch des Freistaats Bayern zudem drei neue Regionalbahnhöfe, wodurch auch die Region optimal an die Bayernmetropolen angebunden wird. Ab Dezember wird es auf der Strecke erstmals in Deutschland einen Regionalverkehr mit maximal Tempo 200 geben.

Im Stundentakt geht es von Allersberg nach Nürnberg – für Pendler ein überaus attraktives Angebot, denn die Fahrzeit beträgt nur 14 Minuten. An den Bahnhöfen Allersberg und Kinding werden große Park-and-Ride-Anlagen eingerichtet, um Pendlern aus den Landkreisen Roth und Neumarkt ein Umsteigen auf die Bahn zu ermöglichen. Von Nürnberg nach München verkehren die Regionalzüge im Zweistundentakt: Eindreiviertel Stunden dauert die Fahrt zwischen den bayerischen Metropolen, das entspricht der bisherigen Fahrzeit der ICE-Züge über Augsburg.

Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Eisenbahnstrecke von Ingolstadt nach München wurde für Geschwindigkeiten von 160 bis 200 Stundenkilometern ausgebaut. Dazu wurden neben dem viergleisigen Ausbau einzelner Streckenabschnitte beispielsweise auch Kurvenradien erweitert, Brücken und Unterführungen saniert und angepasst oder Bahnübergänge aufgehoben. Diese Baumaßnahmen erfolgten sozusagen unter dem rollenden Rad, also bei laufendem Betrieb, die Restarbeiten werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Vor allem der Streckenneubau über die Fränkische Alb bedeutete eine große Herausforderung für die Planungs- und Bauingenieure. Da Steigungen und Neigungen bei Eisenbahnstrecken deutlich geringer sind als beim Straßenbau, mussten Berge „begradigt“ und Täler „angehoben“ werden, so dass die maximale Steigung bei zwei Prozent liegt. Dies illustriert die Anzahl der Tunnel und Brücken: Auf der Neubaustrecke fahren die Züge zu einem Drittel oder auf rund 27 Kilometern unterirdisch. In den Tunneln wurden alle 1 000 Meter Notausgänge gebaut, die in Rettungsstollen oder senkrechten Rettungsschächten münden. Die beiden längsten Tunnel bei Euerwang und Irlahüll sind 7,7 bzw. 7,3 Kilometer lang. Außerdem mussten 148 Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie zahlreiche Dämme und Einschnitte neu gebaut werden.

Eine weitere technische Höchstleistung erbrachten die Ingenieure der Bahn beim Umgang mit der so genannten Karstproblematik. Karst ist der geologische Fachbegriff für unter- und oberirdische Hohlformen, die sich in kalksteinhaltigen Gebirgen wie der Schwäbischen oder Fränkischen Alb bilden. Daher wurde beim Bau der Tunnelröhren das Gestein ringsum mit Hilfe geophysikalischer Methoden wie Ultraschallmessung oder Echolot erkundet. Bei Bedarf wurden die Hohlräume aufwändig verfüllt und damit gefestigt.

Auf festen Untergrund baute man auch beim Schienenweg selbst. Die Neubaustrecke wurde mit der so genannten „Festen Fahrbahn“ ausgestattet. Dazu werden Schwellen und Gleise anstelle des üblichen Schotteroberbaus in einem festen Betonbett mit einer Genauigkeit von 0,1 Millimetern verlegt. Dies hat den Vorteil, dass die Gleislage über Jahrzehnte stabil bleibt und somit ein geringerer Aufwand für die Instandhaltung entsteht. Die Fahrgäste profitieren von der Technik, weil die Züge mit großer Laufruhe fahren.

Die Steuerung der Züge erfolgt mit Hilfe Elektronischer Stellwerke (ESTW), die in Nürnberg-Fischbach, Ingolstadt-Nord und Petershausen neu gebaut wurden. Diese werden zentral über die Betriebszentrale in München bedient.

Die Inbetriebnahme der Neu- und Ausbaustrecke erfolgt schrittweise und ist von zahlreichen Tests begleitet. So wurden die Schienen bereits vor Fertigstellung der Leit- und Sicherungstechnik auf Materialfehler überprüft, indem ein Ultraschall-Messzug die Gleise abfuhr. Aber auch die Tunnelwände wurden hinsichtlich etwaiger Schwachstellen gescannt, die Aerodynamik bei Zugbegegnungen in Tunneln geprüft. Bereits Ende letzten Jahres fuhren bei den so genannten Hochtastfahrten die ersten ICE mit bis zu 330 Stundenkilometer über die Neubaustrecke.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2006, Seite 30

 
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