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Technologiepolitik ist das Zukunftsthema

Die Veranstaltungsreihe „Visionen – Innovationen – Märkte“ in der Forschungsfabrik Nürnberg im Nordostpark hat sich zu einem aktuellen Diskussionsforum über technologische Entwicklungen und ihren Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaftspolitik entwickelt. Thema der jüngsten Veranstaltung im Mai 2006 war die Technologiepolitik des Bundes und ihr Einfluss auf die Metropolregion Nürnberg. Mit Dagmar Wöhrl, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie diskutierten die Professoren Klaus Feldmann, Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Uni Erlangen-Nürnberg, und Heinz Gerhäuser, Leiter des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen, Nürnbergs Wirtschaftsreferent Dr. Roland Fleck, sowie die Unternehmer Christian Rödl, Geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung Rödl & Partner und Dr. Arnold Herp, Heitec Innovations GmbH.

Wenn durch die Verlagerung von Produktionsstätten zunehmend auch die damit zusammenhängende Entwicklungsarbeit ausgelagert wird, entsteht ein Trend, der auch für die Metropolregion Nürnberg  fatale Folgen haben  könnte. Ist dieser Trend umkehrbar? Können Technologiepolitik und  Forschungsförderung den Standort Deutschland sichern?

Für Dagmar Wöhrl ist die Frage, wie innovationsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden können, „das“ Zukunftsthema für den Standort Deutschland überhaupt – und damit auch für die Stadt und die Region Nürnberg. Deshalb unterstütze sie jedes Engagement in dieser Sache. Deutschland sei laut EU-Innovationsanzeiger eines der innovativsten Länder in der Europäischen Union und hole bei privaten und öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben die meisten neuen Produkte und Patente heraus. Nachholbedarf gebe es aber in den Bereichen Bildung, Risikokapital für junge Unternehmen und Aufgeschlossenheit der Bevölkerung für neue Technologien. Hier liege Deutschland deutlich hinter den Spitzenreitern Finnland und Schweden. „In der Bundesregierung müssen der Wirtschafts- und der Finanzminister neben der notwendigen Konsolidierung der Staatsfinanzen immer auch die innovative Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft im Auge behalten“, sagte Wöhrl.

Deutschland brauche wieder mehr Wachstum und Beschäftigung – und das nachhaltig. Die neue Bundesregierung habe hierzu umfangreiche Maßnahmen in die Wege geleitet, wie höhere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, gestiegene Ausgaben für Forschung und Technologie und die für 2008 geplante große Unternehmenssteuerreform. Außerdem sei die Bundesregierung bemüht, „bürokratische Lasten“ zu reduzieren. So sei ein Normenkontrollrat im Bundeskanzleramt etabliert worden, der die Bürokratie entsprechend „entrümpeln" solle. „Unser Impulsprogramm von 25 Mrd. Euro unterstützt die begonnene konjunkturelle Erholung“, sagte Wöhrl.  Dieses Impulsprogramm sei aber kein „altes, klassisches" Konjunkturprogramm. Die Bundesregierung habe sich vielmehr dazu bekannt, bis 2010 den Anteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von derzeit knapp 2,5 Prozent auf drei Prozent zu steigern. „Der Bund investiert bis 2009 zusätzliche sechs Mrd. Euro in Forschung, Technologie und Innovation“, rechnete Wöhrl vor. Davon entfielen  auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ca. 1,25 Mrd. Euro.

Profitieren davon sollen laut Wöhrl vor allem Gründungen von High-Tech-Firmen sowie innovative mittelständische Unternehmen. Von 2005 bis 2009 werde allein die Förderung des Mittelstands um ca. 800 Mio. Euro erhöht. Die hierfür vorgesehenen Förderprogramme seien im Durchschnitt jährlich um ca. zehn Prozent gestiegen. „Wir werden die Förderung dort ausbauen, wo die Hebelwirkung auf private Investitionen besonders groß ist und die Vernetzung mit der Wissenschaft als Innovationsquelle gestärkt wird“, betonte die CSU-Politikerin. Gleichzeitig kündigte sie an, dass das Bundeswirtschaftsministerium nicht nur den „innovativen Mittelstand“ unterstützen wolle, sondern auch ausgewählte Technologien mit besonderen Zukunftschancen. Hierzu gehörten die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie oder das Satellitennavigationssystem Galileo. „Angesichts der fortschreitenden Globalisierung und des immer härter werdenden internationalen Wettbewerbs sind die technologischen Kern-Kompetenzen Deutschlands und damit auch der Stadt und Region Nürnberg im weltweiten Vergleich immer wichtiger“, sagte Wöhrl.

Auch Nürnbergs Wirtschaftsreferent Roland Fleck (CSU) setzte sich für eine stärkere Förderung innovativer „Leuchtturmprojekte“ in der Metropolregion ein. Die Region habe gerade in den Kompetenzfeldern „Information und Kommunikation“, „Energie und Umwelt“, „Verkehr und Logistik“, „Medizin und Gesundheit“, Neue Materialien, Automation, Produktionstechnik und Dienstleistungen hervorragendes Know-how vorzuweisen, sagte Fleck. Dieses müsse gezielt durch die Förderung des Bundes ausgebaut werden. Der Bund sei zudem  in der Pflicht, Kooperationspartner national zusammenzubringen.

Kritik an der finanziellen Förderung von Forschung und Technik bei mittelständischen Dienstleistern übte indes der Geschäftsführer der Heitec Innovations GmbH, Arnold Herp. Verglichen mit dem produzierenden Gewerbe bestünden hier noch „massive Hemmnisse“, sagte er. Zwar gebe es auch in seinem Unternehmen gute Ideen. Die Förderung werde  jedoch unter anderem von der Zahl der Mitarbeiter abhängig gemacht. Wer den Vorgaben nicht genau entspreche, falle aus der Förderung heraus. Mehrere Forschungsprojekte seien dadurch gestoppt worden.

Nach Einschätzung von Heinz Gerhäuser, Leiter des Fraunhofer-Instituts für integrierte Schaltungen, gibt es vor allem bei der Umsetzung geförderter Projekte erhebliche Schwierigkeiten.  „Deutschland ist mit guten Ideen immer zu früh dran – nach kurzer Zeit verschwinden sie wieder in der Schublade“, sagte er. Es müsse also vermieden werden, dass in Deutschland neue Technologien entwickelt würden, die anschließend im Ausland produziert würden. Hier gehe ein Milliarden-Markt verloren.

„Öffentliche Forschungs- und Technologieförderung sind zweifelsohne wichtig. Sie können aber nur Katalysator sein und die grundlegenden Voraussetzungen eines Technologiestandortes der Spitzenklasse nicht ersetzen“, erklärte indes Christian Rödl. Als wichtige Voraussetzungen nannte er eine hervorragende Ausbildung schon in der Schule, den intensiven Austausch zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Industrie und vor allem eine hohe Leistungsbereitschaft der jungen Generation  – sowohl im Wissenschafts- als auch im Unternehmensbereich. „Dieser Hunger, der dem deutschen Nachwuchs häufig abgesprochen wird, der Wille, der Beste zu sein, ist durchaus vorhanden, vielleicht nicht so ausgeprägt und nicht so verbreitet wie in Ostasien und auch den USA“, erklärte der Unternehmer. In der Spitze hätten aber auch unsere Leute den gleichen Biss. Deutschland müsse sich vor niemandem verstecken. „Unsere Selbsteinschätzung ist deutlich geringer als unser Ruf im Ausland.“

Als sehr wirkungsvolles Instrument für die Mittelstandsförderung bezeichnete Prof. Feldmann die „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e.V.“ (AiF), deren Mittel vom Wirtschaftsministerium bereitgestellt werden: „Obwohl wir froh sind über die aktuelle Mittelaufstockung durch das Ministerium, bleibt der verfügbare Rahmen bei ca. 100 Forschungsvereinigungen für die vielen hier beteiligten Mittelständler doch noch relativ gering“, so Feldmann. Als Mitglied der Forschungsvereinigung „Räumliche elektronische Baugruppen 3-D MID e.V.“ sei der Lehrstuhl FAPS selbst in mehrere Verbundprojekte der AiF eingebunden. In der Partnerschaft mit verschiedenen Unternehmen werden beispielsweise neue Lösungswege für die Produktion von innovativen flexiblen Schaltungsträgern in der Elektronik sowie ihre Kontaktierung entwickelt. Mit der Forschungsvereinigung 3-D MID soll insbesondere die Einführung der innovativen Technologie flexibler elektronischer Schaltungsträger durch Gemeinschaftsforschung, Informationstransfer und Öffentlichkeitsarbeit gefördert werden. Sitz dieser Vereinigung mit ca. 70 Partnern aus Industrie und Forschung ist Erlangen, seit der Gründung 1992 ist Prof. Feldmann ihr Vorsitzender, der zu der inzwischen europäisch zusammengesetzten Gruppe betont: „Der besondere Vorzug ist die leistungsfähige Mischung von Großunternehmen und Mittelständlern aus allen notwendigen Technologiebereichen der hochinnovativen flexiblen Elektronik. Mit der Einbindung in die Forschungsfabrik verstärkt sich auch die Ausstrahlung der Metropolregion Nürnberg im Technologiefeld Mechatronik und Automatisierung.“ Für die Forschungsarbeiten zur Elektronik und Mikromechatronik stehen in der neuen Forschungsfabrik Nürnberg die notwendigen Räumlichkeiten und Anlagen zur Verfügung. Dazu gehören eine temperierte Versuchshalle, ein Reinraum und ergänzende Prüflabors.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2006, Seite 18

 
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