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Balance zwischen Büro und Haushalt

Zahlreiche Unternehmen in der Region erleichtern Eltern die Kindererziehung mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und weiteren Angeboten.

„Wenn wir wollen, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden, müssen junge Paare Familie und Beruf untereinander verbinden können. Dazu brauchen wir Unternehmen, die durch eine familienbewusste Personalpolitik die Balance von Familie und Arbeitswelt unterstützen. Wir brauchen familiengerechte Jobs statt jobgerechter Familien“, forderte Familienministerin Ursula von der Leyen.

Deutschlands Wirtschaft scheint den Aufruf der Politikerin zunehmend ernst zu nehmen. Zumindest, wenn man dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln Glauben schenkt, dem zufolge für rund 80 Prozent aller deutschen Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Thema ist. Zwar stellte das Institut bei seiner Umfrage fest, dass Großunternehmen weit mehr auf eine bessere Verträglichkeit von Job und Familie achten als kleine und mittlere Unternehmen, aber bei immerhin fast 40 Prozent der Betriebe bis neun Mitarbeiter könne man von einer familienfreundlichen Personalpolitik sprechen. Am häufigsten, so das Kölner Institut, nutzen die Unternehmen hierzu die Vorteile von flexiblen Arbeitszeiten und -formen. Mehr als 75 Prozent der Unternehmen bieten unterschiedliche Formen der Arbeitszeitflexibilisierung und/oder Telearbeit an.

Auch in Mittelfranken, so die stichprobenartige Nachfrage von WiM, setzen zahlreiche Unternehmen auf Familienfreundlichkeit in ihrer Personalpolitik. So berichtet Konrad Schultheiß, Generalbevollmächtigter der Schultheiss Wohnbau AG in Nürnberg, von Möglichkeiten wie Halbtags- und Teilzeitbeschäftigung innerhalb des Unternehmens. Auch die Kombination mit dem heimischen Büro ist bei Schultheiss möglich: „Wir sind im Internet und Intranet auf neuestem Stand vernetzt und aus allen Teilen der Welt erreichbar, auch natürlich von zu Hause aus.“ Auf flexible Arbeitszeitregelungen setzen die KarstadtQuelle Versicherungen. Personalchef Wolfgang Keilberth weiß, dass „die Motivation für das berufliche Umfeld und die betrieblichen Anforderungen sowie die Identifikation mit dem Unternehmen umso besser gelingt, je ausgeprägter der Ausgleich zwischen privater und beruflicher Sphäre ist“. Bei Deutschlands größtem Direktversicherer soll das Thema noch intensiver vorangetrieben werden – rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zurzeit in verschiedenen Teilprojekten damit beschäftigt, neue Lösungen zu entwickeln. Abschließende Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres vorliegen.

Flexible Arbeitszeitregelungen, darunter auch Heimarbeitsplätze, bietet das Tee-Unternehmen Martin Bauer aus Vestenbergsgreuth. Auf flexible Arbeitszeitmodelle, einschließlich technischer Ausstattung zur mobilen Gestaltung des Arbeitsortes, Chancengleichheit bei Einstellungen und Personalentscheidungen sowie auf eine zeitweise Betreuung von Säuglingen und Kindern am Arbeitsplatz setzt das Zeitarbeitsunternehmen Hofmann Personal Leasing, das Mitte Juni das Grundzertifikat zum Audit Beruf und Familie der Hertie Stiftung erhielt.

Beim Softwarehaus und IT-Dienstleister für Steuerberater, der Datev eG in Nürnberg, die fast 5 400 Mitarbeiter beschäftigt, sind zurzeit 214 Mitarbeiter in Elternzeit – 58 von ihnen (49 Frauen und neun Männer) nutzen die Möglichkeit, während der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten. Entsprechend der persönlichen Situation werden individuelle Arbeitszeitmodelle mit 15 bis zu 30 Wochenstunden vereinbart. Zwar steigt auch bei der Datev die Nachfrage nach Telearbeit, doch das Unternehmen reagiert zurückhaltend. „Die Arbeitsabwicklung in einem Dienstleistungsunternehmen erfordert vielfach ein hohes Maß an Kommunikation und persönlichen Kontakten“, betont Thomas Kähler von der Datev. Die Nürnberger Versicherungsgruppe informierte unlängst bei einer Veranstaltung über ihre Aktivitäten: Personalleiter Jürgen Schrade nannte u.a. finanzielle Zuwendungen bei Heirat sowie bei Geburt eines Kindes, flexible Arbeitszeitregelungen, Teilzeitangebote während und nach der Elternzeit, mögliche Verlängerung der gesetzlichen Elternzeit um sechs Monate sowie Familientag für Mitarbeiter und Angehörige und Weihnachtsmarkt mit Geschenken für die Kinder der Mitarbeiter. Solche Möglichkeiten will auch die IHK Nürnberg für Mittelfranken einer großen Zahl von Unternehmen bekannt machen, in jüngster Zeit veranstalteten deshalb u.a. die IHK-Geschäftsstellen Ansbach und Erlangen Informationsveranstaltungen, bei denen beispielgebende Unternehmen ihre Konzepte vorstellten.

Ein völlig neues Angebot macht das Erlanger Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS: Gemeinsam mit dem Kinderschutzbund Erlangen und der Kinderarche Fürth veranstaltet das Institut für seine Mitarbeiter einen Elternkurs unter dem Motto „Starke Eltern – starke Kinder“. Die Idee dabei: Ausgeglichene Eltern, die mit ihrem Erziehungsauftrag nicht überfordert sind, bringen auch im beruflichen Alltag bessere Leistungen und tragen eher zu einem positiven Betriebsklima bei. Der vor einiger Zeit begonnene erste Kurs bestand aus zehn Einheiten, fand am Abend statt und war mit seinen zwölf Plätzen schnell belegt. Die Kosten übernimmt das Institut, das seit 2002 auch über eine Kindertagesstätte verfügt. Ein weiteres regelmäßiges Angebot sind Kindertage, an denen sich für einen Tag der Arbeitgeber um die Betreuung der Sprösslinge kümmert.

Ein Verein „Familie und Wissenschaft“ hat vor kurzem an der Universität Erlangen-Nürnberg seine Arbeit aufgenommen. Engagierte Angehörige der Hochschule haben den Förderverein bereits im letzten Jahr gegründet, damit Studierende und Wissenschaftler sich nicht zwischen Familie und Forschung entscheiden müssen. Mit zahlreichen Projekten wollen sie jungen Eltern an der Uni helfen, Familienleben und Studium bzw.Berufstätigkeit miteinander zu verbinden. Der Verein hilft unbürokratisch bei der Suche nach der geeigneten Kinderbetreuung und unterstützt die Eltern im Notfall auch finanziell. „Wir verfügen über gute Kontakte zu Tagesmüttern, die, wenn sie gebraucht werden, auch kurzfristig einspringen können“, berichtet Franziska Kluttig vom Förderverein. „Aber wir wollen auch längerfristige Betreuungsprojekte anstoßen – zum Beispiel ein Elternnetzwerk, das in Eigeninitiative die Kinderbetreuung organisiert und sich auch bei anderen Problemen des Elterndaseins hilft und über Alltagsfragen austauschen kann.“

Zurückhaltung bei Betriebskindergärten
Deutschlands Unternehmen sind sich, so die Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft, weitgehend einig darin, dass die Arbeitszufriedenheit und bessere Chancen im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigsten Motive für eine familienfreundliche Personalpolitik sind. Einen eigenen Betriebskindergarten bzw. eine –kinderkrippe haben bundesweit allerdings nur zwei Prozent der Unternehmen. Auch in Mittelfranken halten sich Angebot und Nachfrage in Grenzen. So stehen der Datev zwar in einem Städtischen Kindergarten 49 Plätze zur Verfügung, aber überwiegend werden sie nur vorübergehend genutzt, bis ein Kindergartenplatz in der häuslichen Umgebung der Eltern frei wird. „Dort finden Kinder und Eltern die sozialen Kontakte, die sich später in der Schule vertiefen“, sagt Thomas Kähler. So wird der Betriebskindergarten derzeit nur für durchschnittlich zwei Kinder genutzt. Auch in Vestenbergsgreuth hat das Unternehmen Martin Bauer auf einen eigenen Kindergarten verzichtet, wenige hundert Meter vom Firmengelände entfernt sind freie Plätze in einem Kindergarten vorhanden, der vom Unternehmen unterstützt wird. Bei Schultheiss Wohnbau war die Einbeziehung eines Betriebskindergartens aus Platzgründen nicht möglich, aber er sei, so Konrad Schultheiß, bei einem eventuellen Firmenneubau „ein wichtiger Bestandteil“. Der Chip- und Halbleiterhersteller Semikron International Dr. Fritz Martin GmbH & Co. KG, Nürnberg, plant für die Kinder seiner Mitarbeiter einen Kindergarten mit Kinderkrippe, der auf 75 Plätze ausgelegt ist.

Erlangens zweitgrößter privater Arbeitgeber, Areva NP, hat vor kurzem bereits seine Kinderkrippe „Kleine Strolche“ eingeweiht. Für die Kinder der Mitarbeiter stehen in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz der Eltern 24 Krippenplätze in zwei Gruppen zur Verfügung. Nach Worten des Leiters des Areva NP-Standortes Erlangen, Ulli Kraft, wolle man damit einen Beitrag zu mehr Familienfreundlichkeit in Deutschland leisten, aber auch einen zusätzlichen Anreiz für neue Mitarbeiter schaffen. Das Konzept für die Kinderkrippe ist gemeinsam mit der Siemens AG am Standort Erlangen entwickelt worden, die eigens hierfür eine Immobilie errichtet hat. Träger ist der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern, über den mit der neuen Kinderkrippe auch sechs Arbeitsplätze geschaffen wurden. Areva NP trägt rund 75 Prozent der Gesamtkosten.

Betreuung von Schulkindern
Den Schritt zur eigenen Kinderkrippe gewagt hat das Unternehmen Rödl & Partner. Monika Kastl, Geschäftsführende Partnerin, betont: „Wir möchten unsere Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen binden, um eine dauerhafte, persönliche Beratung der Mandanten sicherstellen zu können. Zum anderen ist die Vereinbarkeit von Familie und Karriere ein wichtiger Aspekt bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter.“ Schon in der Vergangenheit hatte Rödl &Partner mit flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten sowie Sommerferienbetreuung und Zuschüssen zahlreiche Möglichkeiten geboten. Die Kinderkrippe im eigenen Hause in Kooperation mit dem Bayerischen Roten Kreuz war ein weiterer Schritt, voraussichtlich nicht der letzte. Kastl: „Ein wichtiger Fortschritt wäre die Umsetzung einer Schulkinderbetreuung sowie die Unterstützung von Mitarbeitern mit pflegebedürftigen Angehörigen.“ Bei Mekra-Lang in Ergersheim soll im Herbst das „Mekra-Haus für Kinder“ eröffnet werden, nachdem bereits im vergangenen Jahr eine Ferienbetreuung angeboten wurde. Ganz wichtig sind nach Angaben von Geschäftsführerin Susanne Lang die äußerst flexiblen Öffnungszeiten des neuen Kinderhauses, so dass auch bei etwas ungewöhnlichen Arbeitszeiten die Betreuung der Kinder sichergestellt ist.

Bei einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Saaman Consultants unter 1 000 Managern waren vier von zehn Führungskräften der Ansicht, dass ihr Privatleben zu Unrecht hinter dem Job zurückstehen muss. Wenn sie mehr Zeit neben dem Beruf hätten, würden 32 Prozent der befragten Manager diese für gemeinsame Stunden mit der Familie nutzen. Für mehr Freizeit sind viele Manager sogar zum Verzicht bereit: 19 Prozent gaben an, für eine geringere Arbeitsbelastung auf Geld zu verzichten, 20 Prozent wären bereit, ihre Karrierechancen dadurch zu verkleinern. Allerdings, so das ernüchternde Urteil von Wolfgang Saaman, dem Initiator der Studie, bestehen diese Alternativen in der Praxis nicht: Entweder hätten Führungskräfte ihr Privatleben dem Job unterzuordnen – oder sie müssen die Position verlassen.

Autor/in: 
hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2006, Seite 38

 
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