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Alarm, Fälscher voraus!

Die modernen Freibeuter entern eingeführte Unternehmen und plündern wertvolle Marken aus. Kann man sich gegen die Nachahmungen wehren?

Markenpiraten übernehmen die Marke eines bekannten Herstellers ohne dessen Einwilligung und täuschen Abnehmer und Verbraucher. Produktpiraten dagegen verletzen Patente oder kupfern die äußere Gestaltung ab, die durch Geschmacksmuster bzw. über Urheberrechte geschützt ist. Viele dieser modernen Freibeuter kommen aus Fernost. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach bei ihrer China-Reise im Mai dieses Jahres Klartext: Sie forderte die chinesische Regierung auf, endlich ernst zu machen mit dem Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie.

Es ist ein schwacher Trost für die deutschen Unternehmen, die unter dem Abkupfern und der Schädigung ihres Namens leiden, dass Produkt- und Markenpiraterie nicht erst eine Erscheinung der heutigen Zeit ist. Bereits in der Antike sind Nachahmungen und Fälschungen bedeutenden Künstlern nachzuweisen. Die Menschheit hat durch Nachahmen von Neuem gelernt und diese Neuerungen verfeinert und weiter entwickelt. Heute wissen wir, dass Innovationen und gelungene Produkte ein besonderes Kulturgut sind, das es zu schützen gilt. Der Schutz des geistigen Eigentums – Marken, Patente, Gebrauchsmuster, besonderes Design und Urheberrechte – ist ein Gradmesser für die Innovationsbereitschaft heutiger Wirtschaftsstrukturen.

Staaten, die es mit dem Schutz dieser Rechte nicht so genau nehmen, erkennen die Brisanz in aller Regel, wenn die eigene Industrie bedroht wird. Dann wächst plötzlich das Verständnis, den Entwicklungen Schutz zu bieten, für die Unternehmen viele Jahre in die Forschung oder Entwicklung, in die Qualität des Produktes und die Namensgebung investiert haben. Ein Beispiel ist Japan: In den 70er Jahren noch galt es als eines der Hauptfälschungsländer. Heute steht Japan in der gemeinsamen Phalanx der europäischen Staaten und der USA im Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie.

Kein Produkt bleibt vor Fälschungen verschont. Schaut man auf die Statistik des europäischen und deutschen Zolls, finden sich Ersatzteile für Autos, Maschinen, Elektrogeräte, Lebensmittel, Arzneimittel neben bekannten Luxustextilien, Sportartikeln und Zigaretten wieder. Wer denkt schon daran, dass selbst Holzpaletten und Kaugummipäckchen gefälscht werden? Das Geschäft lohnt sich offensichtlich für die Fälscher. Für Unternehmen und Staat stellt die Zunahme von Produkt- und Markenpiraterie eine erhebliche Bedrohung dar. Die Umsätze brechen weg und damit auch die Arbeitsplätze. Zusätzlich gehen dem Staat Steuereinnahmen in großem Umfang verloren. Auf 25 Mrd. Euro wird der Umsatz mit Fälschungen allein in Deutschland geschätzt. Das Gros der Fälschungen stammt aus dem Land, das die Bundeskanzlerin im Frühjahr bereist hat, nämlich China. Nahezu 60 Prozent der vom Zoll EU-weit festgehaltenen gefälschten Waren stammen von dort.

Manche Probleme, mit denen die Wirtschaft konfrontiert ist, sind auch hausgemacht. Vielfach werden Betriebsverlagerungen nur aus reinen Kostengesichtspunkten getätigt, ohne die weichen Faktoren, mit denen man vor Ort leben muss, zu beachten. Dies schlägt irgendwann oder sogar sehr bald zurück! Rechtliche Rahmenbedingungen im Ausland werden allzu oft als zu vernachlässigende Größe vom Tisch gewischt. Zu spät kommt die Erkenntnis, dass bei rechtlichen Auseinandersetzungen oft gar keine Chance besteht oder die Prozessdauer so lange ist, dass von Rechtssicherheit und Rechtsgewährung keine Rede sein kann. Auch die Mentalität und die kulturellen Eigenheiten im Ausland sollten daher wichtige Faktoren bei der Entscheidung sein, wo und was man produzieren will.

Spitzentechnologie offen zu legen, muss deshalb anhand der rechtlichen Gegebenheiten wohl überlegt sein. Eher einmal „Nein“ sagen, statt vorschnelle Entscheidungen zu treffen, die sich in vier oder fünf Jahren als Bumerang erweisen. Ein Ausweg ist die Produktion von Komponenten zu streuen, um Abhängigkeiten zu vermeiden und den Abfluss von Verfahrens-Know-how zu erschweren. Bisweilen werden ganz banale Vorkehrungen vernachlässigt: Vorsicht beim Speichern von Know-how auf den Festplatten von Computern, ohne die Sicherheit im Umfeld zu bedenken. Ohne entsprechende interne Unternehmensorganisation ist man Fälschern häufig hilflos ausgeliefert. Dies bedeutet, dass Außendienst, Marketing, die Sicherheitsleute im Unternehmen sowie die Rechts- und Patentabteilungen an einem Strang ziehen müssen. Mitarbeiter, insbesondere im Ausland, sollten bei Gesprächen unter Fachleuten vorsichtig sein. Auch hier kann schnell wertvolles Know-how abgeschöpft werden, ohne dass der eigene Mitarbeiter hierfür ausreichend sensibilisiert ist.

Für Unternehmen, die sich gegen die Piraten wehren wollen, gibt es zahlreiche Angebote zum Erfahrungsaustausch. So hat sich z.B. der „Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V.“ (APM) etabliert, in dem sich Unternehmen branchenübergreifend treffen und gemeinsam gegen Fälscher im In- und Ausland vorgehen.

China-Kontaktstelle
Im Zusammenhang mit China hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) beim APM eine China-Kontaktstelle eingerichtet, bei der Unternehmen ihre Probleme im Zusammenhang mit Produkt- und Markenpiraterie schildern können. Die Stelle prüft, inwieweit über die politischen Kontakte den Unternehmen weiter geholfen werden kann, und sammelt Informationen, um die Bundesregierung mit besseren Informationen und Forderungen im Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie zu unterstützen.

Produkt- und Markenpiraterie ist auf vielen Ebenen ein großes politisches Thema. Sowohl innerhalb der EU als auch im Rahmen des G8-Gipfels im Herbst 2007 wird das Thema einen prominenten Platz einnehmen. Politik und Wirtschaft sehen es nicht mehr als Tabuthema, sondern als einen wesentlichen Faktor, Innovation und Fortschritt weiter zu sichern.

Autor/in: 
Doris Möller, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2006, Seite 22

 
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