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Der Dieb im eigenen Haus

Der finanzielle Schaden in deutschen Unternehmen durch illegale Machenschaften von Beschäftigten ist beträchtlich. Doch viele Geschäftsführer verschließen die Augen.

Für den Geschäftsführer eines Industrieunternehmens mit 65 Mitarbeitern war Diebstahl ein Fremdwort, bis mehrere Paletten mit High-Tech-Geräten vom Firmengelände verschwanden. „Die Apparate waren innerhalb von 30 Minuten weg. So was geht nur, wenn man sich auf dem Areal gut auskennt“, so der Inhaber. Er hatte Glück, zwischenzeitlich wurde der Sachverhalt geklärt. Wie sich herausstellte, war ein Mitarbeiter in die Aktion verstrickt.

Kein Betrieb ist wirklich sicher, die Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität sind so unterschiedlich wie das Tätigkeitsfeld der Unternehmen: Griff in die Firmenkasse, Betrug, Korruption oder Spionage. Diebstahl ist das am häufigsten registrierte Vergehen, gefolgt von Untreue und Betrug, so eine Studie der Beratungsgesellschaft KPMG aus dem Jahr 2006. Cyber-Crime, also der kriminelle Einsatz von Informationstechnologie, gewinnt in den letzten Jahren an Bedeutung, heißt es in einer Untersuchung von Dr. Myriam Bechtoldt von der Universität Frankfurt.

Blanke Geldgier, Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, wirtschaftliche Schwierigkeiten, aber auch Arbeitslosigkeit und Armut sind Gründe, warum sich auch Arbeitnehmer zur Kriminalität hinreißen lassen. Gelegentlich werden bislang unbescholtene Bürger zu Tätern. Manch einer hat seinen Arbeitsplatz verloren, die Einnahmen sinken, nicht aber der Anspruch an den eigenen Lebensstil. Vom Sachbearbeiter bis zum Vorstandsvorsitzenden – Kriminalität geht durch alle Schichten. Feststellbar ist zudem ein hoher Zusammenhang zwischen Beschäftigungsdauer und Kriminalitätsrate. Mancher Mitarbeiter genießt das Vertrauen und weiß um die Schwachstellen im Unternehmen. Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto größer ist die Versuchung.

Die Anzeichen erkennen
Welche Signale weisen aber auf Wirtschaftskriminalität im Unternehmen hin? Man sollte hellhörig werden, wenn Mitarbeiter unabkömmlich sind, nicht delegieren wollen und somit einem Dritten Einblick in die Arbeit verweigern. Wenn das Gehalt des Mitarbeiters in keiner Relation zu seinem luxuriösen Lebensstil steht, ist Vorsicht geboten. Wer regelmäßig einen Gehaltsvorschuss benötigt, steckt möglicherweise in der Klemme. Verlassen mehrere Mitarbeiter einer Abteilung innerhalb kürzerer Zeit die Firma, sollte dies analysiert werden. Gelegentlich liegt es auch am schlechten Betriebsklima, wenn sich Mitarbeiter zu ungesetzlichen Handlungen hinreißen lassen. Gefährlich könnte es werden, wenn der neue Arbeitgeber ein Tochterunternehmen der Konkurrenz ist und ein bis zwei Personen in der alten Firma die Kontakte zu den Ex-Mitarbeitern „warm halten“.

Man sollte auch kleinen Verdachtsmomenten diskret nachgehen. Allerdings ist der Grat schmal zwischen einem Zweifel, der sich in Luft auflöst, und einem berechtigten Misstrauen. Falsche Verdächtigungen können ein bisher gutes Betriebsklima vergiften und erst recht „Rachegelüste“ erzeugen. Ein gutes Fingerspitzengefühl und Diskretion sind daher äußerst wichtig.

„In meinem Unternehmen passiert das nicht.“ Diesen Satz bekommen Wirtschaftsermittler immer wieder zu hören. Oft blockieren mangelndes Problembewusstsein sowie die Unkenntnis über Lösungsansätze jegliche Vorkehrungsmaßnahmen. In manchen Fällen wissen die Betroffenen nicht, wie sie sich wehren sollen. Ein effektives und einfaches Kontrollsystem muss nicht teuer sein, doch gerade das fehlt in vielen Firmen. Dazu gehören etwa spontan durchgeführte Inventuren während des Jahres, eine Revisionsabteilung, die unregelmäßig alle Geschäftsbereiche auf Veruntreuung durchleuchtet, oder ein Ombudsmann, der sich als Vertrauensperson des Themas Wirtschaftskriminalität annimmt. Auch eine Telefon-Hotline kann nützlich sein: Hat man einen konkreten Verdacht oder einen Vorfall selbst erlebt, kann man dies auf einem Telefon-Anrufbeantworter anonym mitteilen. Doch all diese Kontrollmaßnahmen greifen zu kurz, wenn die Weichen im Unternehmen nicht richtig gestellt werden. Die Anreize für Delikte sollten so gering wie möglich bleiben. Ein gutes Betriebsklima sowie eine angemessene Entlohnung können dazu beitragen. Wer sich von seinem Arbeitgeber immer mehr distanziert, bei dem sinkt die Hemmschwelle für Straftaten.

Einstellung von Mitarbeitern
Sicherheitsmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität beginnen schon bei der Einstellung neuer Mitarbeiter. Das Sechs-Augen-Gespräch etwa ist wesentlich besser als eine Unterredung zwischen dem Chef alleine und dem Bewerber. Die Bewerbungsunterlagen als Informationsquelle reichen nicht aus, ein gesundes Misstrauen kann nicht schaden. Bei Einstellungen von Führungskräften sollte man nicht davor zurückschrecken, im Zweifelsfalle diese extern überprüfen zu lassen. Bei Kündigungen von Mitarbeitern ist zu raten, ein Abschlussgespräch zu führen. Möglicherweise begründet der Angestellte seinen Weggang, schildert das Fehlverhalten von Kollegen und Vorgesetzten, das er nicht tolerieren wollte.

Einen hundertprozentigen Schutz vor Wirtschaftskriminalität gibt es natürlich nicht. Wer aber glaubt, dass Wirtschaftskriminalität nur bei anderen Unternehmen vorkommt und sich im eigenen Betrieb nicht um dieses Thema kümmert, öffnet den Versuchungen von Langfingern Tür und Tor. Wer als Geschäftsführer bzw. in verantwortlicher Position einen konkreten Verdacht hat, sollte den Mut haben, den Rat eines Experten hinzuziehen. Sonst kann es langfristig teuer werden.

Externer Kontakt: Axel Bernhardt, Inhaber einer Wirtschaftsdetektei in Nürnberg und Mitglied im Bundesverband Deutscher Detektive (BDD), info@detektei-bernhardt.de, www.detektei-bernhardt.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2007, Seite 34

 
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