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Salatblätter und Bananenschalen

Wer haftet, wenn ein Kunde im Supermarkt ausrutscht und sich verletzt?

Wer in der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarktes zu Fall kommt, der wird auf den nahe liegenden Gedanken kommen, den Inhaber des Supermarktes in Anspruch zu nehmen. Hat doch dieser die Pflicht, nicht nur bei Eis und Schnee seinen Parkplatz und Eingangsbereich rutschfrei zu halten, sondern ganzjährig darauf zu achten, dass auf den Laufwegen seiner Kunden weder Salatblätter noch Tomaten oder gar Bananenschalen herumliegen und seine Kunden ins Schleudern bringen.

Doch wird hier nicht vom Betreiber des Geschäftes Unmögliches verlangt? Wie schnell löst sich beim Herausnehmen des Kopfsalates ein Blatt und fällt zu Boden? Wie schnell fällt eine Traube beim Verpacken in die Tüten ab und kullert beim Wiegen wieder heraus, wenn die Tüte nicht ordentlich zugeknotet ist? Ist hier nun tatsächlich der Supermarktbetreiber gehalten, hinter jedem Kunden einen Aufpasser herzuschicken, der sofort alles vom Boden aufliest, was dem Kunden unversehens zu Boden fällt? Muss immer gleich gewischt werden, wenn ein zertretenes Stück Obst am Boden liegt? Ist der Supermarktbetreiber gezwungen, alle Gänge durch das Geschäft unentwegt zu kontrollieren und zu reinigen?

Auch die regelmäßige Kontrolle in kurzen Abständen verhindert nicht jeden Unfall, doch sie verringert die Gefahr, wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung schadenersatzpflichtig zu werden. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLG) von 1998, die zur Haftung des Supermarktbetreibers die wesentlichen bis heute geltenden Grundsätze aufgestellt hat:

So muss dem Kunden, der ja seine Augen regelmäßig auf die Ware in der Auslage oder in den Regalen geheftet hat, nicht der Nachweis gelingen, er sei konkret auf diesem Salatblatt oder jener Bananenschale ausgerutscht und zu Fall gekommen. Nein, es genügt, dass in der unmittelbaren Nähe Blätter herumgelegen haben. Dann spricht – so die Richter - doch einiges dafür, dass diese den Sturz ausgelöst haben. In solchen Fällen muss sich der Geschäftsbetreiber den Vorwurf gefallen lassen, dass derartige Gefahrenstellen in stark besuchten Geschäftsräumen einfach nicht auftreten dürfen. Der Geschäftsinhaber wird dann regelmäßig haften.

Entgehen kann er dem nicht einmal, wenn ihm der Nachweis gelingt, es sei ständige Praxis gewesen, dass der gesamte Fußboden der Obst- und Gemüseabteilung alle 15 Minuten gründlich gereinigt wurde. Der Rechtsprechung genügen auch folgende Vorkehrungen alleine noch nicht: Die Mitarbeiter werden ausdrücklich angewiesen, ständig auf den ordnungsgemäßen Zustand des Fußbodens – insbesondere in der Obst- und Gemüseabteilung sowie in der Molkereiabteilung – zu achten und auf den Boden gefallene Gemüsereste unverzüglich zu beseitigen. Der Marktleiter überwacht die Einhaltung dieser Anleitung.

Das Problem liegt in der Umsetzung. Das Personal in modernen Supermärkten ist mit allen möglichen Tätigkeiten beschäftigt: Es muss noch kassieren, Leergut wegräumen, Waren ins Regal sortieren usw.. Hier hat im Zweifel niemand Zeit, regelmäßig den Fußboden zu untersuchen. Es muss schon ein konkreter Mitarbeiter – oder bei entsprechend größeren Geschäften auch mehrere – benannt werden, zu dessen Aufgaben es gehört, regelmäßig die Verkehrsflächen zu überprüfen. Bei tatsächlicher Durchführung der Kontrollen sollte sich das Haftungsrisiko begrenzen lassen. Glück hatte demgegenüber ein Supermarkt im bayerischen Cham, der zwar keine Anweisung für die regelmäßige Reinigung der Durchgänge in der Obstabteilung erlassen hatte, dafür aber eine Kassiererin vorweisen konnte, die zufällig fünf Minuten vor dem Sturz einer Kundin dort gereinigt hatte.

Wie der Beweis zu führen ist, dass eine regelmäßige Nachschau und Reinigung stattgefunden hat, ergibt sich aus den Umständen. Der mit der Säuberung betraute Mitarbeiter kann ausreichen. Hilfreich werden weitere Zeugen sein. Hinzu kommt, dass in einem sauberen und regelmäßig geputzten Supermarkt die Unfallwahrscheinlichkeit geringer sein wird. Außerdem wird die Bereitschaft von Mitarbeitern und Kunden größer sein, zu bestätigen, dass der Supermarkt auch an diesem Tag einen sehr ordentlichen Eindruck gemacht habe und ihnen keine Verschmutzungen aufgefallen seien.

Umgekehrt müssen natürlich auch die Kunden besonders acht geben. Es ist allgemein bekannt, dass in Obst- und Gemüseabteilungen von Selbstbedienungsläden immer wieder Blätter oder lose Teile der Ware auf den Boden fallen, wenn die Kunden diese aus dem Regal nehmen, abwiegen und in die regelmäßig mit einem Gitterboden ausgestatteten Einkaufswagen legen.

Dass von Kartoffeln oder sonstigen Erdfrüchten auch Sand, Erdkrümel oder Feuchtigkeit auf den Boden gelangen können, ist ebenfalls nicht auszuschließen. Der Kunde darf also auch nicht allein dem Supermarkt die Schuld geben. Er muss schon selbst seine Augen offen halten und auf den Weg acht geben.

Die Gerichte teilen daher in der Regel den Schaden zwischen dem Kunden und dem Inhaber des Supermarktes auf. Der überwiegende Vorwurf wird dabei aber nicht dem Kunden zu machen sein, der regelmäßig einen Wagen vor sich herschiebt und daher nicht so genau sehen kann, wo er als nächstes hintritt. Regelmäßig wird von einem Mitverschuldensanteil des Kunden von einem Drittel bis zur Hälfte ausgegangen. Anders dürfte der Fall liegen, wenn statt der Salatblätter, die sich optisch vom Bodenbelag abheben, Bodenunebenheiten wie gelöste Fliesen oder ähnliches den Fall verursachen. Hier wird sich der Kunde tatsächlich wegen des vollen Schadens an den Inhaber des Supermarktes halten können.

Externer Kontakt: RA Alexander Rilling, Stuttgart, rilling@drgaupp.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2007, Seite 36

 
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